Kaffeeform

Mit Kaffeesatz gegen die Wegwerfkultur

von Julia Schmitz 14. Januar 2020

Seit 2015 produziert die Kaffeeform GmbH Tassen und Mehrwegbecher aus wiederverwertetem Kaffeesatz. Wie das funktioniert? Wir haben beim Unternehmen im Kollwitzkiez nachgefragt.


Dies ist ein Text aus unserer Reihe
„Umweltschutz & Nachhaltigkeit“


 

Große Fenster, viel helles Holz und Sisalteppich: in den Büroräumen der Kaffeeform GmbH auf der Choriner Straße fühlt man sich direkt wohl. Ich bin hier mit Anika Paulus verabredet; sie wird mir heute erzählen was es mit den dunkelbraunen Tassen und Untertassen auf sich hat, die man in immer mehr Cafés und Geschäften in Prenzlauer Berg findet. Denn es handelt sich dabei nicht um gängige Gefäße aus Porzellan oder Keramik – sondern aus Kaffeesatz. Wie funktioniert so etwas und kann ich das braune Pulver, was von meinem Kaffee übrig bleibt, vielleicht sogar dafür nutzen?

„Nein, es ist natürlich nicht so, dass wir mit einem Beutel von Café zu Café ziehen und den Kaffeesatz einsammeln“, erklärt sie mir. Vielmehr arbeitet das Unternehmen mit einem Partner zusammen, der das feuchte Pulver durch einen Fahrradkurier-Service in großen Mengen von den involvierten Cafés abholt, die ihre Bohnen direkt vom Farmer beziehen und vor Ort selbst rösten. „Uns ist es wichtig, dass der Kaffee auch aus einer guten Quelle kommt und nicht billig importiert wird“, betont Anika.

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Kaffeesatz

5-6 Espresso-Shots sind nötig, um eine Espresso-Tasse herzustellen / Foto: Kaffeeform GmbH

 

In der in Kreuzberg ansässigen sozialen Werkstatt Mosaik wird der Kaffeesatz dann getrocknet und aufbereitet, bevor er in einem Partnerunternehmen in Süddeutschland mit den restlichen Bestandteilen – neben ungefähr vierzig Prozent Kaffeesatz gehören noch Buchenholzfasern, Zellulosefasern, Öle sowie Biopolymere dazu – zu Granulat verarbeitet und in einem wiederum anderen Unternehmen erhitzt und in die Formen gegossen wird. Ohne Unterbrechung gerechnet, heißt es, dauert die Herstellung einer Tasse ungefähr sechs Wochen, sechs bis acht doppelte Espresso-Shots sind dafür nötig. Aber wer kam eigentlich als erstes auf die Idee, Geschirr aus Kaffeesatz herzustellen?

 

Experimente in der Studentenwohnung

Gründer und Geschäftsführer Julian Lechner ist passionierter Kaffeetrinker. Während seines Produktdesignstudiums in Bozen, das seinen Konsum des braunen Getränks in die Höhe trieb, fragte er sich: Was passiert eigentlich mit dem ganzen Kaffeesatz, der bei Siebträgermaschinen im Café anfällt? Kann man das Abfallprodukt vielleicht nutzen, um daraus etwas neues, nachhaltiges entstehen zu lassen? Gemeinsam mit Materialexperten tüftelte er eine Weile daran, dem Pulver neues Leben einzuhauchen, führte Experimente in seiner Studentenwohnung durch – bis irgendwann die passende Formel gefunden war: für eine robuste, bruchsichere und leichte Tasse, die sich viele Jahre lang wiederverwenden lässt und frei von Weichmachern ist.

Kaffeesatz

Coffee-to-go in wiederverwendbar: Der „Weducer“-Becher / Foto: Kaffeeform GmbH

 

Damit trifft Kaffeeform den Nerv der Zeit, denn die Themen Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind, nicht erst seit der zugespitzten Klimakrise, in aller Munde. „In Zeiten von Ressourcenknappheit wollen wir die Perspektive auf die Frage lenken, was eigentlich Abfall ist und ob Abfall nicht auch eine Ressource sein kann“, heißt es seitens des Unternehmens. Neben den Espresso-, Cappuccino- und Milchkaffeetassen bietet Kaffeeform zusätzlich den Mehrwegbecher „Weducer“ an und leistet damit einen Beitrag zur Müllvermeidung.

 

Mehrweg- statt Pappbecher

In Deutschland werden stündlich 320.000 Einweg-Kaffeebecher benutzt, meldet die Deutsche Umwelthilfe, allein in Berlin sind es täglich etwa 460.000, die nach dem Gebrauch im Müll landen. Warum so viele? In den Cafés werden sie nunmal angeboten und man hat ja auch nicht immer einen eigenen Becher dabei, argumentiert so mancher. „Aber nur, weil man etwas immer so gemacht hat, muss das nicht auf alle Zeit gültig sein“, ist Anika überzeugt. Wer auf Mehrwegbecher umsteigt, geht als Einzelner vielleicht nur einen kleinen Schritt in Richtung Umweltschutz – aber kleine Schritte sind eben auch wichtig.

Einen bereits etwas größeren Schritt gehen die sechs Mitarbeiter der Kaffeeform GmbH: Sie nutzen den weltweit gestiegenen Kaffeekonsum und die immer größere Menge an anfallendem Kaffeesatz, um aus einer bisher ungenutzten Ressource einen Rohstoff für die Entstehung eines neuen, langlebigen Produktes zu schaffen –und zwar größtenteils vor Ort.

Foto oben: Foto: Luke Marshall Johnson für Kaffeeform

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