Gerald Praschl hat kurz nach der Wende ein Haus in Prenzlauer Berg gekauft und jahrelang saniert. Er selbst wohnt darin mit seiner Familie, die anderen Wohnungen vermietet er. Wenn der Mietendeckel tatsächlich kommt, sagt Praschl, müsste er sie verkaufen.
Gerald Praschl, geboren 1968 im bayerischen Burglengenfeld, ist Journalist, Prenzlauer Berger und Vermieter eines Hauses in der Prenzlauer Allee. Vor einiger Zeit schrieb uns Praschl, die Berichterstattung der Prenzlauer Berg Nachrichten in Sachen Wohnungspolitik und Mieten sei eindeutig zu einseitig. Die andere Seite – nämlich die Vermieter – solle auch mal gehört werden, fand Praschl. Gesagt, getan:
Herr Praschl, was an unserer Berichterstattung über den Mietwohnungsmarkt in Prenzlauer Berg stört sie?
In einem Artikel bezeichnen Sie zum Beispiel die Verstaatlichung eines Hauses am Falkplatz als „großen Erfolg“, diese „ersten Erfolge“ des Bezirksamts seien „ein Grund zum Aufatmen“. Sie ergreifen damit eindeutig Partei für diese rechtlich höchst fragwürdige und ruinöse Verstaatlichungspolitik, die keine einzige Wohnung schafft.
Ich kann die Position derer, die das durch die Mieterbrille betrachten, gut verstehen. Ich stand, als ich 1989 aus Bayern nach Westberlin zog, auch mit wenig Geld in einer langen Schlange. Es wäre nur schön, wenn die andere Seite in der aktuellen Diskussion auch gehört würde.
Die Idee, dass Rekommunalisierung ein Teil einer politischen Strategie zur Verbesserung der Wohnungssituation in Prenzlauer Berg sein kann, ist jetzt aber auch keine Nischen-Meinung von Linksaußen. Auch Wissenschaftler bspw. des Deutschen Instituts für Urbanistik fordern das. Warum sind Sie dagegen, dass die Bezirke Grundstücke und Häuser aus privater Hand (zurück-)erwerben?
Es mag sein, dass so mancher Soziologe in seinem Studierstübchen das für einen guten Weg hält. Ich orientiere mich da mehr an denen, die in der Praxis Wohnungswirtschaft betreiben. Schon jetzt lässt sich da eine Abkehr privater Investoren vom Berliner Mietwohnungsmarkt und ein großer Vertrauensverlust erkennen. Einige haben sogar bereits Bau- oder Investitionsstopps verkündet. Eine sehr bedenkliche Entwicklung. Selbst wenn die Pläne des Berliner Senats vor Gericht keinen Bestand haben werden – wovon ich ausgehe – ist der Schaden bereits eingetreten.
Sie selbst sind Eigentümer eines Hauses in Prenzlauer Berg, sogenannter Kleinvermieter, und wohnen auch selbst in dem Haus.
Wir haben – als große Familie von gut verdienenden Arbeitnehmern – miteinander 1992 ein von der weltfremden Wohnungpolitik der SED ruiniertes Haus in der Prenzlauer Allee gekauft und, finanziert von einem hohen Kredit, als eines der ersten Häuser hier überhaupt wieder hergerichtet. Unser Haus in der Prenzlauer Allee war damals in der ganzen Gegend das erste mit Farbe an der Fassade.
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Wem haben Sie das Haus abgekauft?
Der Vorbesitzer war eine Ost-Berliner Familie, die das Haus seit 1922 besaß. Der Vater, 1905 als junger Schwabe nach Berlin eingewandert und nach 17 Jahren schon stolzer Inhaber einer Metzgerei in der Landsberger Allee, hatte es damals gekauft. Er starb 1946, ein Großteil der Familie blieb im Osten, in Weißensee und Köpenick. Wegen des DDR-Mietpreisdeckels und der KWV-Zwangsbewirtschaftung (Kommunale Wohnungsverwaltung in der DDR, Anm.) nebst politischer Verfolgung durften sie das Haus seit Mitte der 50er Jahre nicht mal mehr betreten, geschweige denn bewohnen – nur die jährlichen Rechnungen von der KWV bekamen sie natürlich. Und im Grundbuch standen sie noch. Die meisten privaten Eigentümer gaben deswegen damals bekanntlich auf und verkauften ihre Häuser für einen Spottpreis an den Staat – sie nicht.
Aber die Wende brachte auch ihnen nur teilweise Glück. Als die SED endlich gestürzt wurde, waren sie schon sehr alt und entschlossen sich 1992, diese aufgrund des seit den 50er Jahren vom SED-Regime eingefrorenen Mieten und unterlassener Renovierungsarbeiten zu Spottpreisen vollvermietete Ruine lieber zu verkaufen. Der Preis, den sie dafür noch bekamen war sicher nur ein Bruchteil dessen, was ihr Vater 1922 einst dafür bezahlt hatte. Sie taten mir sehr leid.
Könnte man sagen, das Pech der Vorbesitzer war ihr Glück?
Unsinn. Ihr Schicksal sollte uns allen nur eine Mahnung sein, dieselben staatssozialistischen Irrwege nicht erneut zu beschreiten. Der Preis war auch deswegen so gering, weil klar war, dass man angesichts des ruinösen Zustands und der geringen Mieten einen sehr langen Atem braucht, um das zu schaffen – den wir, aus dem Westen kommend, eher hatten. Allerdings dauerte es länger und war viel anstrengender als wir damals dachten. Bis wir nichts mehr draufzahlten, vergingen zwei Jahrzehnte. Wir haben das Haus heute komplett renoviert und für 10 bis 13 Euro pro Quadratmeter vermietet, was ich einen angemessenen Preis finde. Der Klempner verlangt hier auch nicht mehr 20 Mark pro Stunde wie in den 90ern, sondern faktisch 60 bis 100 Euro, wenn man sich die Rechnungen genau anschaut.
Ich habe mal schnell nachgeschaut – der Höchstpreis pro Quadratmeter in dieser Lage wird im Mietspiegel mit 11,44 Euro angegeben. 13 Euro liegen also über der zulässigen, ortsüblichen Vergleichsmiete.
Der Mietspiegel von Berlin hat seit vielen Jahren mit der tatsächlichen Situation auf dem Berliner Wohnungsmarkt ungefähr so viel zu tun wie der Inhalt des „Neuen Deutschland“ mit der Lebenswirklichkeit zur DDR-Zeit. Zutreffende Informationen über die Marktlage auf dem Berliner Wohnungsmarkt finden Sie auf den Wohnungsportalen – wo die Ankündigung eines Mietpreisdeckels übrigens in den letzten Monaten für einen enormen Preisschub sorgte. Letztes Wochenende war die günstigste Ein-Zimmer-Wohnung in Prenzlauer Berg dort für 13 Euro pro m2 kalt inseriert, andere für 17, die teuerste für 28, letztere mit ein paar Alibi-Möbeln drin.
Dazu passt auch der Medienbericht von vor einigen Wochen, als zu einer Besichtigung einer 2-Zimmer-Wohnung in Schöneberg für 550 Euro warm 1700 Interessenten kamen. Das lässt ahnen, welch katastrophale Auswirkungen die weitere Verknappung von Mietwohnungen durch diesen massiven staatlichen Eingriff haben wird.
Was bedeutet der Mietendeckel für Sie persönlich?
Ich hätte nie gedacht, dass uns dasselbe widerfahren könnte wie der Familie, der wir das Haus abgekauft haben. Aber nun scheint es mir soweit. Wenn Frau Lompschers “Mietpreisdeckel” so durchgeht, werden weder wir noch irgend ein anderer Privater hier noch Wohnungen vermieten können, denn sie will uns zwingen, die Wohnungen für die Hälfte der aktuellen Miete zu vermieten. In Kombination mit dem deutschen Mietrecht käme es einer Selbstenteignung gleich, wenn ich solche Mietverträge unterschriebe.
Soll das heißen, sie müssten das Haus in diesem Fall verkaufen?
In der Vorlage zum „Mietendeckel“ ist klar formuliert, dass sowohl Neu- als auch Bestandsmieten auf das Niveau des Mietspiegels von 2013 zu reduzieren seien. Das würde die Wohnungen stark entwerten. Um unser Vermögen zu erhalten, bliebe nur ein Verkauf an Eigennutzer. Sie würden, glauben Sie mir, genauso handeln, wenn ihr privates Vermögen auf dem Spiel stünde. Auch wenn ich im Interesse meiner Kinder eigentlich gar nicht verkaufen will, das Haus ist unsere Heimat und die sollen das ja auch mal erben.
Nehmen wir an, Sie würden es doch tun: Sie könnten wohl mehr als das Fünffache des ursprünglichen Kaufpreises und immer noch ein Vielfaches der gesamten von Ihnen investierten Summe verlangen. Ihre Kinder wären reich. Lässt sich da wirklich von Enteignung sprechen?
Ein Verkauf an Eigennutzer ist ja gerade der einzige Weg, einer solchen faktischen Enteignung zu entkommen – solange dies noch möglich ist. Mein Vertrauen in den Rechtsstaat ist da etwas brüchig geworden. Diese weltfremde Wohnungspolitik in Berlin wird dazu führen, dass es in Berliner Innenstadtlagen bald nur noch selbstgenutzte Eigentumswohnungen geben wird. Oder wie zur DDR-Zeit fast nur noch staatliche Wohnungen. Beides ist nicht sehr wünschenswert.
Warum ist das nicht wünschenswert?
Die Politik des Berliner Senats wird die Lage auf dem Wohnungsmarkt weiter verschärfen – und das ist absolut nicht wünschenswert. Das wird nach meiner Einschätzung zu einem Zusammenbruch des Mietwohnungsmarkts, einem Ende des Baus von Mietwohnungen sowie, wegen der vom Senat geplanten Aufkäufe und Verstaatlichungen, auch zu einem endgültigen Ruin der Landeskasse führen. Auch das ist nicht wünschenswert. Der Senat von Berlin sollte vielmehr selbst Geld in den Wohnungsneubau investieren und so neuen, gerne staatlichen Wohnraum schaffen. Jede neue Wohnung, ob groß, klein, teuer, billig, privat oder staatlich, Mietwohnung oder Eigentumswohnung, hilft, die Lage auf dem Wohnungsmarkt für die Menschen, die eine Wohnung suchen, zu verbessern.
Mit einer gewissen Wohnungsnot werden wir in einer großen Metropole wie Berlin, die Menschen aus ganz Deutschland, ganz Europa und der ganzen Welt anzieht, trotzdem sicher leben müssen. Nach mehr als sieben Jahrzehnten, in denen unsere Stadt aufgrund der von beiden deutschen Diktaturen verursachten, katastrophalen politischen Entwicklungen eher von Abwanderung geprägt war – von Menschen, die sie freiwillig oder unfreiwillig verließen, von 1933 bis weit nach dem Mauerfall – sollten wir trotzdem froh sein, dass Berlin wieder so begehrt ist.
(Titelfoto: Nay Aoun)
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1 Kommentar
Danke, dass Sie diese Seite auch einmal zeigen. Ich selbst bin Mieter, glaube aber nicht, dass die massive Preisregulierung langfristig etwas Positives für mich bewirkt. Wir haben hier kein Monopol, das gebrochen werden muss, oder eine irgendwie geartete rechtlose Situation von Schwachen, sondern ein Marktgeschehen (Zuzug), das zusätzlich befeuert wird von Niedrigzins und Geldwäsche.