Der Kunstwettbewerb zur kritischen Kommentierung des Thälmann-Denkmals geht in die nächste Runde – der Streit um den richtigen Umgang auch.
50 Tonnen Bronze und Granit im stalinistischen Stil samt stramm zum Himmel gereckter Faust, drumherum ein 3600 Quadratmeter großer Kundgebungsplatz – 30 Jahre nach dem Ende der SED-Diktatur kann sowas in Prenzlauer Berg nicht einfach so stehen bleiben. Das finden zumindest die Pankower Grünen, von denen viele vor 1989 in der Bürgerbewegung aktiv waren. Seit Jahren kämpft die Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlug (BVV) dafür, dass das Ernst-Thälmann-Denkmal an der Greifswalder Straße eine kritische Kommentierung bekommt, die das gigantische Monument und seine Entstehungsgeschichte historisch kritisch einordnet.
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„Mauerfall revisited“
Viele Bewerbungen eingegangen
Der Bezirk hat aus der historischen eine künstlerische Kommentierung gemacht und im Juli einen deutschlandweiten Kunstwettbewerb ausgerufen. Am 26. September endete die Bewerbungsfrist. Es habe eine „erfreuliche Beteiligung von Künstlern aus Berlin und darüber hinaus“ gegeben, so Bezirksamtssprecher Tobias Schietzelt. Genaue Details zum Bewerber*innen oder Konzepten dürfen während des Wettbewerbs nicht veröffentlicht werden. Nur soviel: Am 7. November wird das Preisgericht aus Kunstschaffenden und Sachverständigen aus allen Einsendungen zehn Ideen auswählen. Die Bewerber werden aufgefordert, detaillierte Entwürfe auszuarbeiten. Die finale Entscheidung über den Siegerentwurf soll dann im April fallen.
Über das Vorgehen beim Wettbewerb gibt es seit Monaten Streit in Prenzlauer Berg. Die kritische Beurteilung des Denkmals und seiner Entstehung könnte unter den Tisch fallen, befürchten Kritiker. Schließlich regte sich schon 1986, als der Koloss zum 100. Geburtstag des von den Nazis ermordeten Kommunistenführers von Erich Honecker höchstpersönlich eingeweiht wurde, Widerstand in der kritischen Bevölkerung. Als „politischen Affront“ erinnert die Bezirksverordnete Christiane Heydenreich (Grüne) die Machtdemonstration des Regimes in Form des Riesen-Thälmanns.
Die 68-Jährige ärgert vor allem, dass in der Auslobung nichts von dieser Kritik steht. Das stelle die Weichen für die eingehenden Bewerbungen, findet die Bezirkspolitikerin. „Wer diese Positionen ausklammert, der klammert auch die Bürgerrechtsbewegung aus“, so Heydenreich. Bezirksbürgermeister Benn (Linke), der als Kulturstadtrat dem Preisgericht vorsitzt, hat kein Verständnis für die Kritik. Schließlich sei die kritische Perspektive in der Wettbewerbsaufgabe ausdrücklich gefordert.
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Beauftragter für die Aufarbeitung der SED-Diktatur will unterstützen
Vollrad Kuhn (Grüne), Stadtrat für Stadtentwicklung hätte sich in der Jury dafür einsetzen können, dass die Perspektive der Bürgerbewegung berücksichtigt wird. Den stellvertretenden Vorsitz der Jury hat er allerdings abgelehnt – aus Zeitgründen (mit drei Ämtern hat Kuhn in Pankow die meisten Mitarbeiter und Abteilungen unter sich). Um den Streit zu schlichten, hat nun der Beauftragte für die Aufarbeitung der SED-Diktatur Tom Sello seine Unterstützung angeboten. Und sei „ohne weitere Rücksprachen“ in die Jury berufen worden, berichtet dessen Stellvertreter Dr. Jens Schöne. Der Historiker soll nun für Sello als Preisrichter mitentscheiden. Allerdings: „Aufgrund der Kurzfristigkeit des gesamten Vorganges und der Tatsache, dass die jetzigen Jurysitzungen ganztägig in der Festivalwoche stattfinden, ist es mir leider gänzlich unmöglich, an den Sitzungen dieser Woche teilzunehmen“, so Schöne.
Wenn im April feststeht, welcher Entwurf gewonnen hat und umgesetzt wird, wird ein neues Gremium zusammengestellt werden, das die historisch-kritische Kommentierung im Rahmen des künstlerischen Konzepts unterstützen soll. Heydenreich reicht das nicht: Sie fordert, dass der Auslobungstext geändert und die Perspektive der Bürgerbewegung darin aufgenommen wird. Die Bezirksverordnete folgert: „Dann müsste der ganze Wettbewerb wohl noch mal von vorne beginnen.“
(Foto: Galerie Pankow)