Europa und die Arbeit der EU-Beauftragten im Bezirk sollen sichtbarer werden, finden Bezirkspolitiker*innen. Wer ist Pankows EU-Beauftragte, was sind ihre Aufgaben? Wir haben Ute Waschkowitz zum Gespräch getroffen.
Ein Montagmorgen im Pankower Rathaus, die EU-Beauftragte des Bezirksamts telefoniert noch schnell zu Ende und empfängt uns dann zum Interview. Während des Gesprächs wird Ute Waschkowitz immer wieder aufstehen und uns mit Flyern und Info-Material zu EU- und Bezirksprojekten versorgen. Bei Themen abseits ihres Berufs hält sie sich bedeckt, verrät aber immerhin, dass sie Geschichte studiert und über das Münchner Abkommen promoviert hat. An einem Regal in der Ecke ihres Büros ist eine kleine EU-Flagge befestigt.
Was hat man auf Bezirksebene eigentlich mit der EU zu tun?
Da gibt es schon einige Schnittstellen. Eine Sache, für die wir EU-Beauftragte uns stark einsetzen, ist, dass die Mitarbeiter der Berliner Verwaltung europäische Kompetenzen erwerben. Über ein Hospitationsprogramm schicken wir die Mitarbeiter der Bezirksämter für ein vierwöchiges Praktikum in andere Kommunen innerhalb der EU und auch in die Türkei oder nach Israel. Dort bekommen sie Einblicke in die dortige Arbeitsweise in ihren Fachgebieten und verbessern ihre Sprachkenntnisse. Das Programm wurde anfangs über Mittel der EU finanziert, mittlerweile trägt das Land Berlin die Kosten. In diesem Jahr nehmen rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus fast allen Bezirken teil. Ich würde mir wünschen, dass künftig auch unsere Partnerverwaltungen zu einem Austausch zu uns kommen. Doch nicht alle können dafür auch die Kosten tragen.
Zu Ihren Aufgaben gehört auch die „europapolitische Öffentlichkeitsarbeit“. Wie sieht die konkret aus?
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Dazu gehört Beratung darüber, welche Informationen etwa die europäische Kommission oder auch das europäische Informationszentrum zur Verfügung stellen oder welche Veranstaltungen es gibt. Darüber informieren wir auf Nachfrage. Mit anderen Europabeauftragten lade ich außerdem zu Informations- und Diskussionsveranstaltungen ein. Viele Sachen kann ich nicht vorhalten. Es gibt Kollegen, die haben die EU als einziges Thema, und damit auch mehr Möglichkeiten, Öffentlichkeitsarbeit für die EU zu machen, zum Beispiel im Jugendbereich.
Da Sie in Pankow nicht nur die EU als Aufgabengebiet haben, heißt das: Sie haben die Möglichkeit nicht?
So ist es. EU-Angelegenheiten machen vielleicht ein Viertel meiner Arbeitszeit aus. Aufgrund von Aufgabenverdichtungen der letzten Jahre bin ich auch noch für andere Themen zuständig. Ich muss immer gucken, wie viel Zeit ich für welche Aufgaben habe und was aktuell ansteht. Und aktuell war zuletzt das Thema Projektförderung.
Wie darf man sich EU-Projektförderung in Pankow vorstellen?
Wir haben ja im Bezirk die Möglichkeit, EU-Fördergelder auszugeben, die aus dem Europäischen Sozialfonds stammen. Da gibt es zum einen so genannte Mikroprojekte im Rahmen des Programms Lokales Soziales Kapital, für die innerhalb von zwölf Monaten bis 10.000 Euro an EU-Mitteln zur Verfügung stehen. Gefördert werden auch innovative Modellprojekte, die ein höheres Fördervolumen umfassen können mit bis zu drei Jahren Laufzeit. Dieses Programm nennt sich Partnerschaft-Entwicklung-Beschäftigung. Bei beiden Programmen geht es darum, Menschen zu unterstützen, die Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt haben. Einzelne Personen oder Träger können Projekte initiieren und sich um Förderung bewerben.
Was ist Ihre Aufgabe dabei?
Ich leite die Geschäftsstelle des Pankower Bezirklichen Bündnisses für Wirtschaft und Arbeit, das die Vergabe der Fördermittel koordiniert. Zu meinen Aufgaben gehört unter anderem, die Ausschreibungen zu machen, die Anträge zu bearbeiten, die Entscheidungsgremien einzuladen und die Projekte im Förderzeitraum zu begleiten.
Wie viele Projekte in Pankow haben diese Fördergelder bekommen?
Seit 2016 bis heute wurden insgesamt zehn Projekte des Programms Lokales Soziales Kapital gefördert und drei Projekte aus dem Programm Partnerschaft-Entwicklung-Beschäftigung. Insgesamt beträgt die Fördersumme rund 1,6 Millionen Euro, einschließlich Bundes- und Ländermitteln. Aktuell laufen in Pankow neun weitere Projekte aus beiden Programmen, für die Fördermittel von rund 1,75 Millionen Euro vorgesehen sind.
Haben Sie ein aktuelles Beispiel für ein Projekt, das diese Mittel erhalten hat?
Zum Beispiel die Werkschau. Da geht es darum, Künstler und Kreative zu unterstützen und ihnen das Rüstzeug für die berufliche Weiterentwicklung zu geben.
Sind Sie im Bezirksamt die Einzige, die für Europa zuständig ist?
Ja. Es ist so, dass die Bezirke diese Positionen so zuschneiden können, wie sie das möchten. In manchen Bezirken, etwa in Lichtenberg oder in Friedrichshain-Kreuzberg, sind die Kollegen nur für EU-Themen zuständig. In anderen Bezirken haben sie zusätzliche Aufgaben, wie das bei mir der Fall ist.
Bei Ihnen kommen auch die Städtepartnerschaften hinzu.
Wir feiern in diesem Jahr 25 Jahre Städtepartnerschaft mit Kolberg in Polen und der israelischen Stadt Ashkelon. Diese Partnerschaften hängen sehr stark vom Engagement einzelner Personen und Vereine ab. Im letzten Jahr gab es in beiden Partnerstädten Kommunalwahlen. Für uns bedeutet das, dass wir teilweise mit neuen Partnern zusammenarbeiten und neue Kontakte knüpfen müssen. Derzeit arbeiten wir außerdem daran, eine Schulpartnerschaft mit Ashkelon aufzubauen. Auch im Bereich Kunst und Kultur würden wir den Austausch gern weiter ausdehnen.
Es gibt im Bezirk die Wahrnehmung, dass Ihre Arbeit stärker sichtbar gemacht werden sollte. In der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) haben CDU und Grüne dazu einen entsprechenden Antrag gestellt. Wie sehen Sie das?
Wenn man diese Aufgabe an eine Person binden will, dann muss man überlegen, was man von dieser Person erwarten kann. Wir bemühen uns, dafür zu sorgen, dass vor allem die Fördermöglichkeiten der EU sichtbar sind. Aber alle diese Förderungen, die der Bezirk umsetzt, sind mit Landesmitteln co-finanziert. Das heißt, wenn man EU-Fördermittel umsetzen will, um damit die EU sichtbarer zu machen, muss man dafür sorgen, dass die Landesmittel zur Verfügung stehen. Und ab 2021 beginnt neue Förderperiode der EU. Wir müssen davon ausgehen, dass dann weniger Gelder zur Verfügung stehen werden – unter anderem wegen des Brexits.
Letztendlich sind überall dort, wo Schnittstellen mit der EU bestehen, alle gefordert, das auch deutlich zu machen. In meinen Augen ist das eine allgemeine Aufgabe. Es ist wichtig, dass man über die Vorteile und Möglichkeiten der EU nicht nur dann spricht, wenn ein Jahrestag oder Wahlen anstehen.
Die Prenzlauer Berg Nachrichten haben vor den EU-Wahlen in diesem Jahr einen Blick auf ihre Homepage geworfen – der jüngste Eintrag auf der Seite war aus dem Jahr 2017.
Sicher kann man kritisieren, dass es eine veraltete Internetseite war. Der Internet-Auftritt war ein Thema, das ich nicht leisten konnte. Und ich denke, wer wollte, wurde auch anderswo fündig. Die Internetseite der EU-Beauftragten ist nicht unbedingt die erste Seite, die angeklickt wird, wenn man sich über die EU-Wahlen informieren möchte. Aber das kann man sicher unterschiedlich bewerten. Anhand einer Internetseite über eine Person zu urteilen, das finde ich schon ein bisschen schwierig.
Die Forderung, dass das Thema EU im Bezirk stärker herausgestellt werden müsste, stammt von den genannten Fraktionen der BVV.
Dann fragen Sie doch mal die Bezirksverordneten, warum es keinen Ausschuss gibt, der sich mit Europa beschäftigt. Wer einen solchen Antrag stellt, sollte schon wissen, dass zum Beispiel die Europäische Kommission jedes Jahr im Mai eine Europawoche ausruft, an der sich jeder beteiligen kann. Und dass es einen jährlichen Projekttag „Europa in der Schule“ gibt, bei dem sich Politiker einbringen können. Und am 9. Mai, dem Europatag, wird mit dem Europapreis „Blauer Bär“ das Europäisches Engagement gewürdigt. Der Preis ist in den letzten Jahren bereits zwei Mal nach Pankow gegangen.
Ich habe jahrelang jedes Jahr einen Europabericht geschrieben und nie eine Rückmeldung auf diesen Bericht bekommen, auch keine Nachfragen. Das zeigt nicht gerade ein besonderes Interesse.
Seit wann schreiben Sie den Europabericht nicht mehr?
2017 war der letzte, glaube ich.
Sie haben gesagt, dass wir mehr über die Vorteile der EU reden müssen. Was ist aus Ihrer Sicht das Gute an der EU?
Dass sie uns immer wieder vor neue Herausforderungen stellt. Und dass man viel stärker auf die Bedürfnisse anderer achten sollte. Wir haben im Bezirk eine starke Zuwanderung aus verschiedenen europäischen Ländern. Ich sehe das als große Bereicherung. Diese Freizügigkeit in der EU, dass man überall arbeiten und studieren kann – das ist ein Wert, den man unterstützen muss. Natürlich gibt es viele ungelöste Probleme innerhalb der EU. Ich hoffe aber, dass wir gerade durch diese Vielfalt bessere Möglichkeiten haben, diese Probleme zu lösen. Denn durch die vielen unterschiedlichen Einflüsse können sich auch vielfältige Lösungsansätze ergeben.
Führt Sie Ihr nächster Urlaub ins EU-Ausland?
Ja, ich bin demnächst für ein paar Tage in Amsterdam.
Großes Bild: S. Hermann & F. Richter/Pixabay