Die Fahrradstraße in der Stargarder kommt – doch für Autos wird weiterhin viel Platz sein.
An die Parkplätze gehen sie nicht ran. Die Auto-Stellplätze für die Fahrradstraße abzuschaffen sei „eine ganz schwierige Maßnahme. Da haben wir uns nicht weit vor getraut“, gibt Günter Bendias vom Ingenieurbüro Brenner Bernard Ingenieure unumwunden zu. Offensichtlich fürchtet man den Zorn von Anwohner*innen und Gewerbetreibenden, sollte man versuchen, ihnen die Parkmöglichkeiten wegzunehmen. Es gebe einen „hohen Parkdruck“ in der Stargarder, die 530 Parkplätze seien fast immer nahezu ausgelastet. Aber „Gott sei Dank“, so Bendias, „ist der Straßenraum groß genug, um alle Bedürfnisse mit zu berücksichtigen“.
Dass die Stargarder Straße zur Fahrradstraße werden soll, steht schon länger fest. Nun legten der Bezirk und das zuständige Ingenieurbüro bei einer Info-Veranstaltung die Pläne für das Verkehrsprojekt vor.
Zur Fahrradsaison 2020 – also etwa bis März – soll die Fahrradstraße eröffnet werden. Und das wird zunächst wie folgt aussehen: Für Anlieger soll die Straße weiterhin frei sein, nicht aber für den Durchgangsverkehr. Denn dieser belaste die Straße besonders. In einer Verkehrsuntersuchung hatten die Planer festgestellt, dass der Durchgangsverkehr auf manchen Abschnitten der Stargarder bei 75 Prozent liegt. Genau diesen Verkehr möchte man künftig von der Straße fern halten.
Vorfahrt fürs Fahrrad
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Dabei gilt: Die Fahrradspur hat Vorfahrt. Ziel sei es, dass die Radfahrer*innen auch dort nicht abbremsen müssen, wo andere Straßen in die Stargarder münden. Der Radverkehr solle auf diese Weise nicht nur sicherer, sondern auch schneller werden.
Falls die Gewerbetreibenden entsprechenden Bedarf anmelden, sollen Ladezonen eingerichtet werden, für die manche Auto-Parkplätze wegfallen würden – allerdings nur etwa neun Parkplätze, betonte Bendias und befand, dass das zu verschmerzen sei.
Die Stargarder wird also künftig in drei Abschnitte unterteilt werden: Rechts und links parken die Autos, für die nach den aktuellen Planungen jeweils eine Breite von fünf Metern vorgesehen ist. Ein Sicherheitsabstand auf beiden Seiten trennt die Parkplätze von der Fahrradspur in der Mitte. Für jede Richtung sind dann noch jeweils zwei Meter Breite für die Radfahrer*innen übrig.
Dies alles ist nur die erste Stufe der Fahrradstraßen-Planungen. Denn dass sich viele Autofahrer*innen von einem Fahrradstraßen-Schild nicht abhalten lassen und die Straße dennoch durchfahren, wie es etwa in der Choriner Straße geschieht – das wissen auch die Planer*innen der neuen Fahrradstraße.
Verkehr wird sich verlagern
Daher werde man den Verkehr in der Stargarder in den kommenden Jahren beobachten – sollte der Durchgangsverkehr nicht wie geplant deutlich zurückgehen, werde man auf der Stargarder verschiedene Einbahnstraßen einrichten, so dass ein Durchfahren nicht mehr möglich ist, ohne massiv gegen Verkehrsregeln zu verstoßen.
Spätestens dann wird etwas geschehen, das viele Anwohner*innen mit Sorge sehen: Der Autoverkehr wird sich auf die umliegenden Straßen verlagern. Die Verantwortlichen haben dabei vor allem Wichert- und Danziger Straße im Blick. Mehrere Anwohner*innen wiesen bei der Info-Veranstaltung aber darauf hin, dass voraussichtlich auch Gneist- und Raumerstraße massiv betroffen sein werden. Für diesen Fall sehen die Planungen vor, dass eine so genannte Diagonalsperre eingerichtet werden kann, um den Durchgangsverkehr auf Gneist- und Raumerstraße zu verringern.
Eine Frau, die nach eigenen Angaben seit 45 Jahren in der Wichertstraße wohnt, verwies auf die Kitas in ihrer Straße und das hohe Verkehrsaufkommen, das bereits jetzt dort besteht. Die Einrichtung der Fahrradstraße sei angenehm für manche, für andere bedeute sie große Nachteile. „Wir sind alle Kiezbewohner“, sagte sie.
Auch die Gleimstraße soll zur Fahrradstraße werden. Das aber ist erst möglich, sobald sie aus dem Berliner Hauptstraßennetz entlassen wurde, deren Bestandteil sie derzeit noch ist. Die Umsetzung soll nach Angaben von Bendias verlaufen wie in der Stargarder, wobei in der Gleimstraße der Lieferverkehr der Max-Schmeling-Halle besonders berücksichtigt werden muss.
Kritik an Radspur-Breite
Und dann ging es noch mal um die Parkplätze: Ihr sei aufgefallen, dass die Radfahrer*innen doch relativ wenig Platz hätten, gab Patrizia Flores (Grüne) zu bedenken, die als Bürgerdeputierte im Verkehrsausschusses sitzt. Zwei Meter pro Fahrtrichtung sei nicht viel – besonders dann nicht, wenn Radfahrer*innen nebeneinander radelten, was auf einer Fahrradstraße ausdrücklich erlaubt ist.
Auch Flores will es nicht wagen, die Parkplätze in der Stargarder ganz abzuschaffen. Doch sie schlug vor, auf einer Seite das senkrechte Parken in ein Längsparken zu verwandeln, so dass die Autos auf dieser Seite parallel zum Bordstein stehen und die Radspur breiter werden kann. Es sei erstrebenswert, das Parken in der Innenstadt generell unattraktiv zu machen und stärker auf den ÖPNV zu setzen, so Flores.
Planer Günter Bendias verwies darauf, dass auf diese Weise zahlreiche Parkplätze wegfallen würden. Er könne sich vorstellen, „dass Gewerbetreibende das nicht mitmachen und dass der politische Druck so groß wird, dass man das gar nicht durchziehen kann“, sagte er.
Dazu passt, was Stadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) zu Beginn des Abends gesagt hatte: „Wir brauchen natürlich eine mehrheitliche Akzeptanz für so eine Fahrradstraße, die Akzeptanz der Anwohnerinnen und Anwohner, aber auch der Gewerbetreibenden. Das ist die Grundvoraussetzung für das Gelingen eines solchen Vorhabens.“