Nachdem der Spielplatz am Teutoburger Platz für 280 000 Euro saniert wurde, herrscht nun Lebensgefahr für Kinder.
Auch eine Spielplatz-Posse hat mal ein Ende: Nach neun Monaten Bauzeit ist der Spielplatz am Teutoburger Platz wieder eröffnet worden. „Endlich“, schreibt sogar das Bezirksamt. Weil einige Spielgeräte Fehler aufwiesen und dann teilweise noch falsch montiert wurden, bestand zeitweise Lebensgefahr für Kinder, weswegen der Spielplatz gesperrt bleiben musste. „Eltern und Kinder waren zu Recht enttäuscht, als es zu Verzögerungen kam“, schreibt das Bezirksamt weiter. Jetzt hat der Hersteller nachgebessert und es kann wieder außer Lebensgefahr gespielt werden.
ARTIKEL vom 13. Juni 2018:
Der Bezirk hat nicht genug Geld, um seine Spielplätze in benutzbarem Zustand zu halten. Ist doch mal welches da, passieren so viele Pannen, dass wegen Lebensgefahr gesperrt bleiben muss – wie am Teutoburger Platz.
Der Spielplatz auf dem Teutoburger Platz ist derzeit ein Parade-Beispiel zur Erklärung des schönen deutschen Wortes „verschlimmbessern“. Das Straßen- und Grünflächenamt hat den Spielplatz am Fuße von Prenzlauer Berg nämlich für rund 280 000 Euro umfassend erneuert und neue Spielgeräte angeschafft. Eigentlich sollte die große Wiedereröffnung im März stattfinden. Abgesehen von ein paar Waghalsigen, die vorübergehend den Bauzaun zur Seite geschoben hatten, spielt hier aber immer noch kein Kind. Doch die Arbeiten haben sich nicht etwa verzögert. Die Spielgeräte hielten einer Sicherheitsprüfung durch das Amt nicht stand. Das Fazit: Lebensgefahr!
Über 30 Mängel, teils Lebensgefahr
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Nachzulesen ist das Ganze in einer Kleinen Anfrage von Pankows jüngstem Bezirkspolitiker Paul Schlüter (Linke) an den zuständigen Stadtrat Vollrad Kuhn (Grüne): Das Straßen- und Grünflächenamt wähle nur Angebote von Spielgeräte-Herstellern aus, die mit dem Sicherheitssiegel der geltenden EU-Norm DIN EN 1176 ausgestattet seien, heißt es dort. Genauso habe man es auch beim Teutoburger Platz gemacht. Nichtsdestotrotz hat das Amt dort bei einer Voruntersuchung festgestellt, dass Teile der Spielgeräte die Sicherheitsnormen nicht einhalten. Das krasseste Beispiel: Beim großen Spielgerät mit dem Namen „Prinzessinnenpfad“ wurden die Abstände zwischen Leiterelementen nicht eingehalten, es entstand das, was unter Spielplatz-Prüfern eine Kopffangstelle genannt wird. Das Urteil: „Im Extremfall stellt dies Lebensgefahr dar, wenn beim Spielen ein Kind den Kopf durchsteckt und dann abrutscht.“ Die einzige Lösung: Der Spielplatz muss komplett gesperrt bleiben, bis alle Fehler repariert sind.
Doch nicht nur, dass die Spielgeräte nicht den Sicherheitsvorschriften entsprechen – es wurde auch noch beim Aufbau gepfuscht, sodass weitere Gefahren entstanden. Darunter so grandiose Beispiele wie: „Am Spielgerät Fuchswipper wurden Haltegriffe nicht fest genug angezogen“ oder der Umbau einer Reckanlage, da sonst „mit einem Versagen der Konstruktion zu rechnen“ sei. Insgesamt hätten die Prüfer bei ihrer Begehung über 30 solcher Mängel festgestellt, berichtet Stadtrat Kuhn auf Anfrage.
„Grob fahrlässig“
„Hier wird deutlich, wie überfordert das Amt von Stadtrat Kuhn ist“, findet Schlüter, der kinder- und jugendpolitischer Sprecher seiner Partei ist. So etwas grob Fahrlässiges dürfe in so einer Situation nicht mehr passieren. „Ich erwarte von Stadtrat Kuhn, dass er das Problem endlich erkennt und es zu Chefsache in seinem Amt macht! Denn momentan kann ich keine Prioritätensetzung von ihm erkennen, sondern nur Chaos und Planlosigkeit.“
Der weist die Vorwürfe zurück, die Unterstellung entbehre jeglicher Grundlage: „Fakt ist, dass bei der internen Prüfung durch Mitarbeiter des Straßen- und Grünflächenamtes in Zusammenhang mit einer geplanten Teil-Abnahme Mängel festgestellt wurden, durch die sich die Wiedereröffnung des Spielplatzes verzögert hat. Diese Mängel werden nun behoben, damit nur einwandfreie Geräte der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Das ist nicht fahrlässig, das ist verantwortungsvoll“, erklärt der Stadtrat.
„Vertragsgemäß sind wir in jedem Fall verpflichtet, dem Hersteller bei Mängeln die Möglichkeit zur Nachbesserung zu geben“, so Kuhn weiter. Das passiere gerade, über die Hälfte der 30 Mängel seine schon behoben, weshalb Ende letzter Woche schon ein Teil des Sandspielplatz freigegeben worden sei. Gesperrt seien „nur noch“ die Reckanlage, der Prinzessinnenpfad und das Inklusionsspielgerät. Wenn alles planmäßig laufe, könne zwischen Mitte und Ende Juli alles fertig werden. Danach muss nochmal der Spielplatz-Sicherheitsprüfer ran.
Nachbarschaft fühlt sich überrumpelt
Auch der Nachbarschaftsverein „Leute am Teute“ sieht in Sachen Teutoburger Spielplatz-Posse das Amt in der Verantwortung. Um waghalsige Familien zu warnen, die – wohl aus Spielplatz-Verzweiflung – den Bauzaun überwunden hatten, hängten Vereinsmitglieder zwar Plakate auf. Aber: Man sei von den Bauarbeiten überrumpelt worden und es habe kaum Rücksprache mit der Nachbarschaft gegeben, heißt es darauf: „Eine auch vom Bezirksamt reklamierte,aber ordentliche Bürgerpartizipation geht anders, braucht zwar Zeit, bringt jedoch bessere Ergebnisse und spart am Ende Geld!“
Auch hier dementiert Stadtrat Kuhn: In Vorbereitung der Bauarbeiten zum Austausch der Spielgeräte habe am 30. Mai 2017 ein öffentliches Beteiligungsverfahren vor Ort stattgefunden. Die Bürgerinitiative habe vorab eine Information erhalten, trotzdem sei kein Vertreter erschienen. Erst nach Start der Arbeiten habe es eine Beschwerde seitens der „Leute am Teute“ gegeben, seitdem stünden Bauleiter und Initiative in Kontakt.
Knapp ein Fünftel aller Spielplätze gesperrt
Besonders erheiternd ist der Vorfall trotz aller Absurdität nicht – vor allem für die spielwütigen Kinder. Knapp ein Fünftel aller Prenzlauer Berger Spielplätze sind derzeit zumindest teilweise gesperrt: 17 von insgesamt 99 Spielplätzen haben Schäden und Mängel, sechs von ihnen sind komplett gesperrt. Rund 2,3 Millionen Euro würde es kosten, alle Spielplätze in Prenzlauer Berg zu reparieren.
Immerhin: Fünf der kaputten Spielplätze will das Grünflächenamt bis Jahresende wieder so hinbekommen haben, dass Kinder dort außer Lebensgefahr spielen können. Bei fünf anderen Spielplätzen ist noch überhaupt nicht absehbar, wann sie wieder geöffnet werden könnten. Spitzenreiter unter den Wracks in Prenzlauer Berg ist der Ball-Spielplatz gegenüber der Thomas-Mann-Straße 65: Seit März 2012 hat hier kein Kind mehr gespielt – Wiedereröffnung noch nicht absehbar. Kostenpunkt: 180 000 Euro. Die teuerste Spielplatzsanierung findet in der Choriner Straße 21 statt: Für 487 000 Euro aus dem städtebaulichen Denkmalschutz werden hier marode Spielgeräte ausgetauscht. Die Wiedereröffnung ist für 2020 geplant.
*wir haben den Artikel am 19.6. aktualisiert, nachdem uns eine Stellungnahme von Stadtrat Kuhn erreicht hat.