Der Thälmann-Park: Ein vergessenes Biotop

von Redaktion der Prenzlauer Berg Nachrichten 2. Juli 2019

Während sich die umliegenden Kieze rasant gewandelt haben, scheint im Ernst-Thälmann-Park die Zeit stehen geblieben zu sein. Manches wirke sogar altbacken, schreibt unser Gastautor Felix Morgenstern. Wohnen würde er dort trotzdem gern.


Wenn ich an den Thälmann-Park denke, erinnere ich mich immer an meine ersten Schwimmversuche in der dort gelegenen Schwimmhalle und an meine Lieblingserzieherin im Kindergarten. Damals wohnte sie in einem der zwei 18-stöckigen Hochhäuser. Ob sie noch immer hier zu Hause ist? Ich selbst bin im benachbarten Winskiez aufgewachsen und lebe immer noch in Prenzlauer Berg. Als Kind war ich häufig im Thälmann-Park. Mittlerweile besuche ich das 25 Hektar große Areal im Herzen Prenzlauer Bergs deutlich seltener.

Nicht nur für mich steht der Park im Schatten anderer Freiflächen in der Umgebung. Während die anderen Parks wie der Volkspark Friedrichshain oder der Mauerpark bei den ersten Sonnenstrahlen nahezu überrannt werden, verirren sich außer den Bewohner*innen kaum Menschen in den Thälmann-Park.

 

Anstehen an der Rutsche

Ich bekomme eine Idee, warum das so sein könnte, sobald ich den nur noch rudimentär erhaltenen Spielplatz nahe der „Wabe“ betrete. Hier bin ich in den frühen 1990er Jahren noch selbst herumgetobt. Oft musste ich als Kind anstehen, um die Rutsche oder das Klettergerüst nutzen zu können. Heute ist das anders. Aufgrund von Sicherheitsbedenken wurden Rutschen, Schaukeln und andere Spielgeräte in den letzten Jahren fast komplett abmontiert. Kinder würde ich hier nicht mehr spielen lassen, wenn sie denn überhaupt selbst Lust darauf hätten.

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So sah der Thälmann-Park in den 80er Jahren aus. Foto: Museum Pankow, Repro: Felix Morgenstern

 

Auch sonst hat der Thälmann-Park sicherlich schon bessere Tage gesehen. Viele Gehwege sind im schlechten Zustand. Einkaufsmöglichkeiten und gemütliche Cafés gibt es, anders als früher, kaum noch, berichtet mir ein Anwohner, den ich bei einem vom Museum Pankow organisierten Kiezspaziergang treffe: „Früher gab es einen Fleischer, einen Lebensmittelladen. Das ist komplett weggebrochen. Dass man schnell mal runtergeht und sich was besorgt, gibt es nicht mehr. Gerade für ältere Menschen ist das ein Problem.“

Die mittlerweile unter Denkmalschutz stehenden grauen Plattenbauten und das namengebende, sanierungsbedürftige Denkmal Ernst Thälmanns passen zu diesem Eindruck. Vieles wirkt so grau und trist, wie ich mir die DDR vorstelle, die ich nur noch vom Hörensagen kenne. Die Zeit scheint hier stehen geblieben zu sein.

 

Wuchernde Grünflächen und ein Fischreiher

Schaue ich jedoch hinter die Fassade, vernachlässige ich die Unmengen Beton, ändern sich Blickwinkel und Stimmung im und gegenüber dem Thälmann-Park. Dann verwandelt sich der Park mit seinen unzähligen Bäumen – damals wurde für jede*n Erstbewohner*in ein Baum gepflanzt – und dem daraus entstandenen Grün in eine Oase inmitten der Stadt. So freue ich mich mittlerweile bei jedem Besuch über die weitläufigen, wenig überlaufenen, wuchernden Grünflächen.

 

Ein Fischreiher – mitten in der Stadt. Foto: Felix Morgenstern

 

Im Gegensatz zu manch einem Anwohner, finde ich es gut, dass das Grünflächenamt hier nicht so penibel ist und ich während des Sommers im hohen Gras liegen kann oder mir ein hoher Strauch Schatten spendet. Mit etwas Glück bekommt man am Teich einen Fischreiher zu sehen – und das mitten in Berlin.

Ähnlich wie die Natur steht auch die Bevölkerungsstruktur des Thälmann-Parks für mich im Kontrast zu den grauen und eintönigen Plattenbauten. Sie ist sehr bunt. Der Anwohner vom gemeinsamen Parkspaziergang bestätigt mir diesen Eindruck. Er schätze das angenehme, nachbarschaftliche Zusammenleben von afrikanischen, vietnamesischen, kurdischen, syrischen und alteingesessenen Familien.

 

„Platte hin oder her“

Damit hebt sich der Thälmann-Park meiner Ansicht nach von anderen Kiezen in Prenzlauer Berg ab. Trotz vieler Zugezogener und einer großen Offenheit wirken die meisten Straßenzüge im restlichen Stadtteil auf mich weniger vielfältig, was die Anwohner*innen angeht. Wahrscheinlich hat dieser Umstand auch mit den verhältnismäßig (noch) niedrigen Mieten im Thälmann-Park zu tun.

„Das ist hier schönes Wohnen, kann man nicht anders sagen“, sagt ein Paar, mit dem ich an einen der letzten verbliebenen Litfaßsäulen ins Gespräch komme. Jedoch hätten auch sie schon mal darüber nachgedacht, aus dem Thälmann-Park wegzuziehen. Doch in Anbetracht des angespannten Mietmarktes haben sie diese Idee schnell wieder verworfen und ihre helle und große Wohnung in der Ella-Kay-Straße behalten: „Platte hin oder her“, sagen die beiden, die seit über 30 Jahren im Thälmann-Park zu Hause sind.

Ich kann sie verstehen. Natürlich ist der Thälmann-Park nicht perfekt, sicher wirken manche Ecken ein bisschen heruntergekommen und ranzig. Vieles erscheint ein wenig altbacken – so, als wäre die Zeit stehengeblieben. Und trotzdem: Falls ich eines Tages mal umziehe, würde ich mich auf eine neue Wohnung im Thälmann-Park bewerben. Diese denkmalgeschützte Oase hat für mich so viel Reiz, dass ich hier gerne leben würde. So wäre ich dann immer noch im Herzen Prenzlauer Bergs zu Hause.

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