Ein Bierchen auf dem Spielplatz

von Sarah Schaefer 18. Juni 2019

Der Betreiber des Alois S. darf auf dem Spielplatz keinen Alkohol mehr ausschenken. Pankower Politiker*innen kritisieren das Bezirksamt dafür scharf – und fragen nach der rechtlichen Grundlage für das Verbot.


UPDATE vom 19. Juni 2019

Zwei Tage nach der Sondersitzung des Verkehrs-Ausschusses hat Stadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) per Pressemitteilung Stellung bezogen. Offenbar ist das Bezirksamt bereit, in Sachen Alkoholausschank auf den Betreiber des Alois S. zuzugehen. In der Mitteilung heißt es:

Da es sich hier um eine historisch gewachsene Situation mit Vorteilen, aber auch Verpflichtungen für alle Seiten inkl. der Anwohnerschaft handelt, wird der Bezirk zeitnah nochmals auf den Betreiber zugehen, um einvernehmliche Regelungen auch bzgl. des von ihm für notwendig erachteten und vom BVV-Verkehrsausschuss unterstützen Alkoholausschanks auf der Teilfläche zu finden.

Außerdem schlägt Kuhn vor, einen vom Bezirk organisierten Runden Tisch einzurichten. Denn in der Debatte müssten auch die teilweise kritischen Hinweise von Anwohner*innen bzgl. Lärm und negativer Auswirkungen des Alkoholkonsums auch zu später Stunde berücksichtigt werden.

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ARTIKEL vom 18. Juni 2019

Von der großen Aufregung ist an diesem Montagabend im Alois S. nichts zu spüren. Die Tapas-Bar ist gut besucht, Gäste trinken, essen und unterhalten sich angeregt. Ein paar Kinder toben auf dem anliegenden Elefantenspielplatz im Sandkasten. Doch wer im Alois S. draußen sitzen möchte, tut das jetzt auf der Straßenseite der Bar. Die Stühle und Tische, die zuvor auf dem Gelände des Spielplatzes standen, lehnen zusammengeklappt an der Hauswand. Niemand trinkt hier mehr sein Bier.

Was fast 20 Jahre lang kein Problem war, ist nun eines: Betreiber Lothar Heer darf keinen Alkohol auf dem Spielplatzgelände ausschenken. Nach Kontrollen des Ordnungsamts wurden Bußgeldverfahren eingeleitet. Die Tische und Stühle auf der Spielplatzseite bleiben vorerst zusammengeklappt.

Heftige Kritik muss das Bezirksamt dafür nicht nur von empörten Gästen und den üblichen Gentrifizierungskritiker*innen („Prenzlauer Berg wird immer langweiliger“) einstecken. Der Fall beschäftigt nun auch die Bezirkspolitik. In einer Sondersitzung des Ausschusses für Verkehr und Öffentliche Ordnung äußerten Vertreter*innen sämtlicher Parteien ihr Unverständnis über das Vorgehen.

 

„Dann haben wir noch einen Spielplatz, der verwahrlost“

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Besonders groß ist der Ärger bei der SPD. Es sei doch sehr verwunderlich, sagte der Bezirksverordnete Roland Schröder, dass „das Amt, das sonst nie personelle und finanzielle Mittel hat, um irgendetwas zu machen, an dieser Stelle tätig wird“. Schröder erinnerte daran, dass die Verbindung von Bar und Spielplatz eine lange Tradition habe, von der dieser Platz sichtbar profitiere.

Dem stimmt die Bürgerdeputierte Patrizia Flores (Grüne) zu. Das Alois S. sei ein „guter Partner“, der sich darum kümmere, dass der Spielplatz sauber und gepflegt sei. „Wenn wir den verlieren, so Flores, „dann haben wir noch mal einen Spielplatz, der verwahrlost.“ Sophie Regel (FDP) bat das Bezirksamt darum, „die Schwerpunktsetzung bei Kontrollen im öffentlichen Raum zu überdenken“, wofür es viel Zustimmung in der Runde gab.

Stadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) schildert die Angelegenheit so: Bereits 2012 seien verschiedene Auflagen für das Alois S. formuliert worden. Dabei war man offenbar besonders gründlich. Die Auflagen reichten von der Vorschrift, bruchsicheres Geschirr zu verwenden, bis hin zu der Vorgabe, „die Lichterkette so zu befestigen, dass die Bäume in ihrer Entwicklung nicht gestört werden“. Außerdem sei festgelegt worden, dass auf dem Spielplatzgelände Alkohol- und Rauchverbot besteht. 2016 seien diese Auflagen in einem Schreiben an den Betreiber wiederholt worden.

 

Der Betreiber stellt keine Tische und Stühle mehr auf dem Spielplatz auf.

 

Kontrollen vermutlich wegen Anwohnerbeschwerden

Warum das alles jetzt ein Thema wird? Es sei „durch Beschwerden, wahrscheinlich aus der Anwohnerschaft, zu Kontrollen des Ordnungsamtes gekommen“, sagte Kuhn. Und das stellte dann eben fest, dass die Gäste auf dem Spielplatzbereich nicht nur Apfelschorle und Kaffee trinken.

Das Bußgeldverfahren, betonte Kuhn, laufe über das Ordnungsamt. Dieses Amt untersteht nicht Kuhn, sondern Stadtrat Daniel Krüger (für AfD). Der saß auch im Ausschuss, meldete sich aber nicht zu Wort.

Kuhn sagte, das Bezirksamt sei an einem nachbarschaftlichen Miteinander, wie es bislang bestanden habe, nach wie vor interessiert. Der Betreiber müsse allerdings künftig darauf verzichten, auf der Seite des Spielplatzes Alkohol auszuschenken. Für Lothar Heer ist das ein Problem, „das würde mir den Hals brechen“, sagte er dem Tagesspiegel. Nur mit dem Essen verdiene man nichts.

 

Rechtliche Grundlage ist umstritten

Umstritten ist, auf welcher Grundlage das Verbot des Alkoholausschanks festgelegt wurde. Auf Landesebene gibt es bislang kein Gesetz, das ausdrücklich verbietet, Alkohol auf Spielplätzen zu trinken. Die meisten Bezirke haben in der Sache eigene Verbote erlassen – Pankow allerdings nicht. So bleibt Kuhn denn auch vage, als er sagt: „Wir können generell beim Alkoholausschank auf Spielplätzen sagen, dass das nicht geht. Das gibt das Grünanlagengesetz in Verbindung mit der Spielplatzverordnung her.“

Der Ausschuss war nicht überzeugt und stimmte mehrheitlich einem Antrag der SPD zu, der vorsieht, den Ausschank wieder zu erlauben. Kuhn kündigte an, diesen Beschluss rechtlich prüfen zu lassen.

Ein generelles Alkoholverbot auf Pankower Spielplätzen wird seit vergangenem Jahr vermehrt diskutiert. Auf Bezirksebene setzt sich die Fraktion der Grünen für ein solches Verbot ein. Für den entsprechenden Antrag der Grünen steht eine entscheidende Stellungnahme aus: die des Ausschusses für Verkehr und Öffentliche Ordnung – also jener Runde, die sich gerade mit ihrem Beschluss hinter Lothar Heer und seinen Alkoholausschank gestellt hat.

Fotos: Sarah Schaefer

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