Petya Lund

„Es war ein Sprung ins kalte Wasser“

von Julia Schmitz 13. Mai 2019

Als Frau im Alleingang einen Verlag gründen und sich auf osteuropäische Literatur und Lyrik spezialisieren: Petya Lund mag Herausforderungen. Sie ist unsere nächste „famose Frau“ aus Prenzlauer Berg.


Dies ist ein Text aus unserer Reihe
„Famose Frauen aus Prenzlauer Berg“


Die Buchverkäufe gehen zurück, es werde immer weniger gelesen und die Branche sei allgemein in Krisenstimmung, heißt es in letzter Zeit immer häufiger. „Das ist richtig“, antwortet Petya Lund, als ich sie in ihren Büroräumen auf der Schönhauser Allee besuche. Trotzdem hat sie 2016 den eta Verlag gegründet – und zwar allein. Seitdem erscheinen im Frühjahr und im Herbst – analog zu den Buchmessen in Leipzig und Frankfurt am Main – jeweils zwei Titel in ihrem Programm. Wie kommt man auf die Idee, in diesen unsicheren Zeiten einen Verlag zu gründen und sich auf osteuropäische Literatur und Lyrik zu spezialisieren?

Ich habe wirklich lange überlegt und recherchiert, wie man das überhaupt macht – denn davon hatte ich ehrlich gesagt gar keine Ahnung. Es war ein Sprung ins kalte Wasser. Und tatsächlich ist es unfassbar schwer, in der Verlagsbranche Fuß zu fassen, es braucht viel Geduld, Zeit und harte Arbeit.

 

Angefangen hat es für die 1983 im bulgarischen Sofia geborene Petya Lund mit einem Slawistikstudium in Köln, wo sie auch Seminare für Übersetzung belegte. Ihre Leidenschaft für das Übersetzen brachte sie zur Arbeit als Dolmetscherin – u. a. bei Buchmessen. Auf dem Marktplatz für Verlage lernte sie zahlreiche Autor*innen kennen, vor allem aus Bulgarien, aber auch aus anderen Ländern des Balkans.

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Petya Lund

Die Publikationen aus dem Herbstprogramm 2018 und dem Frühjahrsprogramm 2019

 

Fokus Osteuropa

Doch osteuropäische Literatur wird selten bis gar nicht in Deutschland verlegt, oft scheitert es an den fehlenden finanziellen Mitteln für die Übersetzung. „Warum mache ich das eigentlich nicht selbst?“, dachte Petya Lund. Das erste Buch, einen Lyrikband von Emanuil A. Vidinski, übertrug sie sogar eigenhändig ins Deutsche und setzte damit das Fundament für den eta Verlag. „Was die Verkäufe angeht, war es vielleicht nicht das Klügste, mit Lyrik zu beginnen“, schmunzelt die Verlegerin, die mittlerweile auch Belletristik im Programm hat.

Nicht nur weil sie in Bulgarien aufgewachsen ist, möchte Petya Lund mehr Aufmerksamkeit für die Schriftsteller*innen Osteuropas bewirken: Viele der meist jüngeren Autor*innen, ist sie überzeugt, haben Geschichte zu erzählen, die uns in Deutschland meist nur am Rande bekannt ist. So thematisiert z. B. Saŝa Ilić in seinem im Frühjahr erschienenen Roman Berliner Fenster, der durchweg in der deutschen Hauptstadt spielt, die Jugoslawienkriege in den 1990er-Jahren. Noch immer, so erzählt Petya Lund, werde in Serbien weitestgehend hartnäckig über dieses Thema geschwiegen, weshalb das Serbische Kulturministerium auch kein Geld für die Übersetzung beigesteuert hätte.

Im Herbst 2019 wird darüber hinaus ein Text erscheinen, der sich mit dem 1944 durch das kommunistische Regime der Sowjetunion eingesetzten „Volksgericht“ beschäftigt, welches zahlreiche Politiker, Wissenschaftler, Schriftsteller und Journalisten verurteilte und in kurzer Zeit fast die gesamte Intelligenzija hinrichtete. Mit ihrer publizistischen Arbeit trägt Petya Lund also nicht nur zur Vermittlung fremder Kulturen bei, sondern schlägt auch einen Stein aus der Mauer des jahrzehntelangen Schweigens.

 

Mit Liebe zum Detail

Wie viele Branchen ist auch die Verlagsbranche, zumindest auf Entscheiderebene, sehr männlich geprägt, doch das habe bisher keine Auswirkungen auf ihre Arbeit, erzählt die Verlegerin. Sie nehme aber einen Unterschied wahr, was die Wahl der Themen anginge: Verlegerinnen , Autorinnen und Übersetzerinnen würden häufiger Sujets wählen, die sich um Familie, Kinder, Heimat und Zugehörigkeit drehen, während Männer oft zu den „härteren“ Themen wie Mord und Krieg greifen würden.

„Außerdem mache ich meine Bücher mit besonders viel Liebe zum Detail, was das Aussehen angeht; das ist bei kleineren, von Männern geführten Verlagen meistens nicht so“, lacht sie. Ob das wirklich so ist, sei erst mal dahingestellt. Doch dass hier eine kompetente Frau mit ästhetischem Blick und keiner Scheu vor Herausforderungen am Werk ist, sieht man sofort.

Foto oben: Julian Atanasosov

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