Beim zweiten Teil unseres Kiezspaziergangs erinnern sich Ecke Prenz und Lunte von Sichtbeton an Rap-Battles auf der Kastanienallee und erzählen, was der Kollwitzplatz mit einer Tankstelle gemeinsam hatte.
Zum ersten Teil geht es hier.
Prenzlauer Allee/Danziger Straße
Prenzlauer Berg ist schon längst nicht mehr die erste Adresse für Clubkultur in Berlin. In den 2000er Jahren war das anders – besonders, wenn man auf Hip Hop stand, sagt Roman von Ecke Prenz.
„Alle Clubs, in denen die geilen Hip-Hop-Sachen stattfanden, waren in Prenzlauer Berg“: Magnet, Bastard, Icon, Kesselhaus, Knaack-Klub, H2O. „Wir mussten den Bezirk nicht verlassen.“
Bei den Rap-Battles im H2O auf der Kastanienallee habe sich Ost- und Westberlin getroffen. Anfangs, so erzählt es Romans Bandkollege Martin (Foto rechts), sei es eine gemeinsame Berliner Szene gewesen. Das habe sich mit Aggro Berlin verändert, weil die ihre Westberliner Herkunft so stark betont hätten. Dadurch „ist man automatisch Ostberliner gewesen“, sagt Martin.
Das 2006 gegründete Label Spoken View bildete später einen Berliner Gegenentwurf zum Gangsta-Rap von Sido, Bushido und Co. Die Frau hinter Spoken View, die Prenzlauer Bergerin Kathleen Stülpner, hatte den Plan gefasst, der Musik ihrer Freunde eine Plattform zu geben. Zum Netzwerk der Spoken-View-Musiker gehörten, neben Martin und Lunte (Foto links) mit Sichtbeton auch Hiob, Sir Serch, Mr. Mick, Damion Davis und Morlockk Dilemma.
Roman: „Ich habe damals auch viel von diesem Westberliner Kram gehört. Und dann habe ich Funkviertel entdeckt, und das war für mich als Ostberliner Kind das erste Mal, dass ich dachte: Das ist Rap auf Deutsch, der so ist, wie ich denke, wie ich rede. Und der Themen bespricht, die mir auf der Seele liegen. Das war damals schon anders vom Inhalt, weil man am anderen Ende der Stadt aufgewachsen ist.“
Lunte: „Hier bei uns wurden Sachen von Leuten erzählt, die sie tatsächlich erlebt haben. Die waren zwar oft nicht so spannend und so glitzernd und klingen nicht wie Miami Bass, sondern eher wie die Dunckerstraße. Damit sind sie aber vielleicht näher an der Person, die sie erzählt.“
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Auch die nächste Generation des Hip Hop um MC Bomber treffe sich an dieser Kreuzung, sagt Martin, und deutet auf den Späti gegenüber.
Roman verabschiedet sich, er muss zur Arbeit. Alle drei haben noch andere Jobs, allein von der Musik leben können sie nicht.
Martin und Jens werfen sich für Fotos in Pose. Eine Kita-Gruppe läuft vorbei, es ist Fasching, die Kinder sind verkleidet. Ein schönes Bild: lässig posierende Hip Hopper und daneben, denkbar unbeeindruckt, kleine Prinzessinnen, Piraten und Spider-Men.
Kollwitzplatz
Etwas lustlos setzen sich Lunte und Martin auf eine Bank am Kollwitzplatz. Früher, erzählen sie, habe man hier immer jemanden getroffen, den man kennt. „Im Dorf wäre es so die klassische Tanke“, sagt Lunte. Hier habe man als Heranwachsender herumgehangen und ein bisschen gestänkert, vielleicht auch mal Touristenbusse mit faulen Eiern beworfen.
Das Feindbild sei damals klar gewesen: „Der reiche Zugezogene, der sich hier eine Wohnung leisten konnte.“ Das war Anfang, Mitte der 2000er Jahre. Spricht man die beiden heute auf das Thema Gentrifizierung an, wirkt es, als müssten sie ein Gähnen unterdrücken.
„Das Thema ist durchdekliniert“, sagt Lunte. Und das BioZisch, das er in seinem Video trinkt? Ist das kein Seitenhieb auf die zugezogenen Ökos? Nein, sagt er, er trinke nun mal einfach gern BioZisch. Die Zeiten früher würden oft glorifiziert. „Aber wir hatten ja kein Geld.“ Sich jetzt, als Erwachsener, auch mal etwas leisten zu können, zum Beispiel ein gutes Stück Fleisch, sei auch nicht schlecht.
Martin: „Städte verändern sich halt und irgendwann checkt man, dass das ein normaler Prozess ist. Lokalpatriotismus ist am Ende auch Patriotismus, und das ist eine schwierige Sache.“
Den Kommentar, dass es am Kollwitzplatz „fürchterlich langweilig“ geworden ist, können sie sich dann aber doch nicht verkneifen.
Pratergarten/Bastard
Dass dieser Ort eine große Rolle für ihn spielt, hat Lunte mit dem Coverfoto seines aktuellen Albums gezeigt. Auf dem Bild leuchtet die rote Schrift des Pratergartens hinter ihm, vor ihm auf dem Boden steht eine Flasche Bier. Das passt zu den Erinnerungen, die Martin mit diesem Ort verbindet: Hier war mal der Bastard, in dem Club gingen sie zu Partys und haben selbst Konzerte gegeben. Vor dem Club standen die Leute und tranken ihr Bier, die Party fand auf der Straße statt.
Es ist die letzte Station unseres Spaziergangs quer durch Prenzlauer Berg. Lunte sagt, der Prater sei für ihn ein Sinnbild. Den gebe es schon ewig und er bleibe für viele Menschen immer der gleiche, auch wenn er sich wandelt. Dann wird er grundsätzlich:
Lunte: „Und so bisschen ist es auch mit Prenzlauer Berg, der wandelt sich zwar, aber irgendwie bleibt er für mich immer dasselbe, nämlich eine Art Heimat. Auch wenn die immer anders aussieht und mein Bezug dazu immer anders ist.“
„Dit Herz“, sagt Martin da nur.
Titelfoto: V.Raeter (Martin) von Ecke Prenz, Lunte von Sichtbeton und die „Kinder unterm Regenschirm“ an der Ecke Prenzlauer und Danziger. Fotos: Sarah Schaefer