Im Thälmann-Park geraten sie ins Schwärmen und eine ganz bestimmte Kreuzung weckt Erinnerungen an ihre Anfänge in Prenzlauer Bergs Hip-Hop-Szene: Ein Kiezspaziergang mit Ecke Prenz und Lunte von Sichtbeton.
Ein kühler Montagmorgen am Stierbrunnen. Jens alias Lunte von Sichtbeton ist als Erster da, er wohnt nur wenige Schritte entfernt. In seinem Video zu „Prenzlauer Berg“ rappt er sich im Sommer Bio Zisch trinkend und Poloshirt tragend durch den Kiez. Jetzt, Anfang März ist er erkältet, trägt Schal und eine Dose Hustenbonbons in der Jackentasche. Roman (33) alias Breaque und Martin (38) alias V.Raeter von Ecke Prenz kommen dazu, Martin ist spät dran, er hat aus Kreuzberg die weiteste Anreise und schimpft über den Schienenersatzverkehr. Den Ausgangspunkt für diesen Spaziergang hat er ausgesucht. Warum?
___STEADY_PAYWALL___
Stierbrunnen am Arnswalder Platz
„Weil ich hier groß geworden bin. Hier in der Nähe bin ich zum Kindergarten gegangen und hier haben wir immer gespielt.“ Die drei Blicken zu den gewaltigen Stieren.
Martin: „Wenn man größer war, konnte man da oben raufklettern.“
Lunte: „Echt? Da bin ich nie rauf.“
Martin: „Ich habe Kinder gesehen, die das gemacht haben.“
Auch Lunte (41) kommt aus dieser Ecke. Zwischen den Pfeilern des Brunnens, sagt er, habe man als Kind durchkrabbeln können. Zwölf Jahre war er nicht in Berlin, als er zurück kam, fand er ausgerechnet in seinem alten Kiez eine Wohnung. Er schwärmt von der „absurd günstigen“ Miete und freut sich, in einer Gegend zu wohnen, „die nicht nervt“. Dafür hat er einen Test: „Wenn du dein Fahrrad abstellst, und du hast mal vergessen, es abzuschließen. Steht es am nächsten Morgen noch da, ist es entspannt. Wenn nicht, ist es nervig.“ Sein Kiez hat den Test bestanden.
Martin hat fast sein ganzes Leben in Prenzlauer Berg verbracht, erst vor vier Jahren ist er nach Kreuzberg gezogen.
Roman: „Für mich als Freund war das unvorstellbar, dass Martin je hier wegziehen wird. Man muss schon sagen, dass fast keiner unserer Freunde mehr hier wohnt.“
Roman hat seine Kindheit im Norden Prenzlauer Berg verbracht. Vor ein paar Jahren hat eine Wohnung in der Nähe des S-Bahnhofs Greifswalder gefunden, die er selbst saniert hat, um sie sich „einigermaßen“ leisten zu können.
Lunte: „Vielleicht ist es auch einfach ein bisschen wie auf dem Dorf. Irgendwann ziehen alle weg in die große Stadt.“
Thälmann Park
„Nachts im Thälmann Park“ heißt das im vergangene Jahr erschienene Album von Ecke Prenz. Der Park ist ein wichtiger Ort für die beiden. „Für uns als Kinder war es immer eine verrückte Oase in der Stadt“, sagt Roman. Später, als sie keine Kinder mehr waren, aber noch kein Geld hatten für die Kneipe, haben sie hier, im Schutz der Büsche und Bäume, mit ihren Freunden rumgehangen. Noch später, als sie schon zusammen Musik machten, trafen sie sich im Park, der zwischen ihren Wohnungen lag, um über ihre Songs zu sprechen.
Martin: „Der ist ja visuell auch sehr spannend, ein spannender Clash aus Urbanität und organischem Kram.“
Roman: „Wir haben das irgendwann organische Urbanität genannt, also auch unsere Musik. Das ist für uns der Park. Wenn man Fotos aus der Zeit nach der Erbauung sieht, dann sieht man, dass das total reißbrettmäßig geplant war. Und wenn man jetzt, gerade im Frühling, hier durch läuft, und sieht, wie alles wuchert, dann hat man fast so ein Urwaldgefühl mitten in der Stadt.“
„Ist das nicht ein Brunnen im Sommer?“, fragt Martin und zeigt auf die Konstruktion in der Mitte des Platzes. „Aber er ist nie in Betrieb“, sagt Lunte. „Das fasziniert mich so am Thälmann-Park. Es ist ja kein genutzter Park, sondern ein vergessener Park. Ich weiß nicht, wann das letzte Mal jemand hier gesessen hat.“
Prenzlauer Allee/Danziger Straße
„Ecke Prenz und Danz“ nennen sie diese Kreuzung, dabei sprechen sie ‚Danz’ aus wie ‚dance’, tanzen. Es ist der Ort, der Ecke Prenz den Namen gab. „Hier haben alle gewohnt“, sagt Martin, zeigt auf die umliegenden Häuser und zählt auf: Hiob, Jenz Steiner, Sir Serch, Marcello.
„Alle“, das sind die Musiker, die zum Kollektiv Funkviertel gehörten, das Ende der 90er Jahre entstand. Treibende Kraft des Kollektivs sei Marcello gewesen, „so ein Macher, der als erster von allen einen Computer hatte“.
Martin erzählt, wie sie sich damals in ihren Kinderzimmern und in Jugendclubs trafen, rappten und Beats machten. Sie traten auf, es entstanden die ersten Tapes, später Alben. Vor allem die Jugendclubs waren wichtig, das Jugendkulturzentrum Königsstatt in der Saarbrücker Straße etwa oder der der Kurt-Lade-Club in Pankow. „Damals war die Hip-Hop-Szene ziemlich übersichtlich, und alle haben sich gefreut, wenn es Orte gab, wo man rappen konnte.“
Fortsetzung folgt!
Beim zweiten Teil unseres Kiezspaziergangs erzählen Roman, Martin und Lunte, wie sich der Prenzlauer Berger Hip Hop vom Dicke-Hose-Rap à la Aggro Berlin unterscheidet und was der Kollwitzplatz in ihrer Jugend mit einer Tankstelle gemeinsam hatte.
Fotos: Sarah Schaefer