Ein Herz für die Nische: Das vor 25 Jahren gegründete Lichtblick ist das kleinste Kino der Stadt – und punktet mit einem exzellent kuratierten Programm. Ein Besuch in der ehemaligen Metzgerei.
Das Haus in der Kastanienallee 77 gehört – zusammen mit dem „Tuntenhaus“, wenige Schritte nördlich unter der Hausnummer 86 zu finden – zu den wenigen, die erahnen lassen, wie die Flaniermeile in den Neunzigern einmal ausgesehen hat. „Dieses Gebäude ist seit 1992 besetzt“, weiß Hansi Oostinga zu berichten, „es war die letzte Besetzung in Ostberlin, die legalisiert wurde“. Einige Jahre nach der Besetzung zog in die unteren Räume das Lichtblick-Kino ein, das seitdem von einem Kollektiv, dem Oostinga angehört, betrieben wird. Er weiß mehr zur Historie zu berichten: „Das hier ist das älteste Haus in Prenzlauer Berg, das noch existiert. Es datiert in etwa auf 1850 zurück, also vor die Gründerzeit.“
Zu diesem besonderen Gebäude passt, dass ausgerechnet hier das ebenso besondere Lichtblick-Kino zu Hause ist. Das wird nicht nur von besagtem Kollektiv betrieben, sondern ist mit 32 Sitzen auch das kleinste Programmkino Berlins. „Alles fing damit an, dass eine Gruppe von Leuten aus Köpenick Filmreihen organisierte, zum Beispiel im Haus der Demokratie“, erzählt Hansi Oostinga. Daraus entstand 1994 der Verein Stattkino Berlin e.V., der offizielle Betreiber des Kinos. Nach einem kurzen Gastspiel in der Wolliner Straße zog das Lichtblick im Jahre 1998 auf die Kastanienallee – in eine umgebaute ehemalige Metzgerei und Metzgerswohnung. Noch heute erinnern Kacheln und Halterungen für Fleischerhaken an die Vergangenheit.
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Ein Vierteljahrhundert im Kollektiv
Seit 25 Jahren wird das Lichtblick als Kollektiv betrieben, sieben sind sie im Moment. In diesem Kollektiv wird alles entschieden, denn: „Unsere Motivation, das Kino zu betreiben, war und ist politisch“, betont Oostinga. Mit dabei ist unter anderem auch Elisa Rosi, die 2008 einstieg, weil hier „Filme möglich sind, die woanders nicht gezeigt werden“, wie sie sagt. Die Arbeit ist allerdings aufgeteilt, so kümmert sich Rosi um den Großteil des Programms und Oostinga um Sonderveranstaltungen und die Öffentlichkeitsarbeit, während andere Buchhaltung, Technik und Grafik übernehmen.
Stichwort Programm: Wie wird denn die Auswahl der Filme getroffen? „Von anderen Programmkinos unterscheidet uns alles“, sagt Elisa Rosi bestimmt. „Filmkunst ist unser Überbegriff. Wir zeigen viele unabhängige Produktionen, künstlerische, anspruchsvolle Filme, außerdem Dokumentarfilme.“ Außerdem läuft jedes Wochenende mindestens ein Berlin-Film. Die kommen beim Publikum immer an. „Der Himmel über Berlin ist einfach nicht totzukriegen.“
Es ist deutlich, dass das Lichtblick-Kino keine Abspielstätte der neuesten Filme ist, sondern sich durch ein kreatives Programm auszeichnet. „Manchmal zeigen wir Filme, von denen wir wissen, dass sie nicht gut laufen werden“, erzählt Oostinga. „Wir haben den Ehrgeiz, diese bekanntzumachen.“ Und bei diesem Ehrgeiz ist mitunter Handarbeit gefragt: Das Kollektiv untertitelt auch selbst, zuletzt einen Film von Ken Loach. Zu den weiteren Besonderheiten des Lichtblick-Kinos gehört, dass oft Diskussionsgäste eingeladen werden, seien es Regisseure, Zeitzeugen oder Schauspieler. Hier ist wieder von Vorteil, dass das Kino so klein ist: „Wenn Wim Wenders unser Gast ist, sitzt er nicht wie ein Star auf der Bühne, sondern im Publikum.“
Hin und wieder spielt das Kollektiv trotzdem mit dem Gedanken, eine etwas größere Spielstätte zu suchen, die sich ökonomisch ein wenig mehr rentieren würde. „Ich mache das jetzt seit zwanzig Jahren“, so Hansi Oostinga, „was Selbstausbeutung seit zwanzig Jahren bedeutet.“ Ernsthaft an einen Umzug denkt bisher niemand, die Augen halten sie trotzdem offen. Bis dahin aber hält man an einer weiteren bewährten Lichtblick-Tradition fest, die, man mag es kaum glauben, immer noch Gäste findet: Jeden (wirklich jeden!) Samstag wird hier um Mitternacht Casablanca gezeigt. Klingt ein bisschen verrückt, das stimmt. Passt aber zum Lichtblick.