JAHRESRÜCKBLICK 2018 – November: Seit die Deutsche Wohnen in der Topsstraße einen ganzen Gebäudekomplex gekauft hat, fürchten die Mieter dort um ihre Wohnungen.
ARTIKEL vom 23. November 2018:
Es vergeht kaum eine Woche in Prenzlauer Berg, in der es nicht um besorgte Mieter, Verkauf und Modernisierung geht. Wir haben uns den aktuellen Stand der Dinge bei zwei Komplexen im Kiez angeschaut.
Topsstraße / Eberswalder Str.: Noch ist die Modernisierung nicht genehmigt
Vergangenes Jahr wurde der Gebäudekomplex zwischen Eberswalder, Topsstraße und Schönhauser Allee an die Deutsche Wohnen (DW) verkauft – und die will im kommenden Jahr umfangreich modernisieren. Mieter befürchten hohe Mietsteigerungen.
Mit dem Bezirk wurde zwar ein Vertrag über eine „sozialverträgliche Sanierung“ abgeschlossen, doch öffentlich ist der Vertrag nicht und auch bei einer Info-Veranstaltung der DW für die Mieter des Komplexes vor wenigen Wochen war die Presse nicht zugelassen.
Unsere Leserin Frau Müller wohnt in dem Komplex und berichtet, die Miete für ihre knapp 59 Quadratmeter große Wohnung solle sich von aktuell 270,62 € auf 465,68 € (Netto kalt) nach der Modernisierung erhöhen. „Gegen eine neue Heizung, Warmwasser und Balkon habe ich grundsätzlich nichts einzuwenden“, sagt sie, Sorgen mache ihr und den anderen Mietern vor allem die gesetzlich zulässige Erhöhung von 15 Prozent mehr Miete gemäß dem Mietspiegel – und das alle drei Jahre.
„In unserem Haus gibt es 18 leer stehende Wohnungen, für diese greift nach der Modernisierung die Mietpreisbremse nicht, genauso wie für die geplanten Neubauten und den Dachgeschossausbau. Nach der Modernisierung kann die DW diese Wohnungen zu Höchstpreisen neu vermieten“, sagt sie. Die Befürchtung: Der Mietspiegel erhöhe sich deutlich – und dadurch eben auch ihre Miete.
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„Bei uns wohnen viele Alleinerziehende, Geringverdiener und Rentner mit geringem Einkommen: Mit einem kleinen Einkommen machen 15 Prozent mehr Miete einen riesigen Unterschied; bei der nächsten Mieterhöhung 2021 werden all diese Menschen eine Aufforderung zum Auszug bekommen“, schreibt uns Frau Müller.
Beim Stadtentwicklungsausschuss der Pankower Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am 13. November hat die Mieter-Initiative der Topsstraße / Eberswalder Straße, zu der auch Frau Müller gehört, ihre Forderungen den Lokalpolitikern vorgestellt, darunter:
- Keine Verdrängung durch Bau- und Modernisierungsmaßnahmen
- Keine Luxussanierungen
- Die Rückführung der Wohnanlage in kommunales Eigentum
- Umsetzwohnungen in Prenzlauer Berg für die gesamte Bauzeit
- Stopp der Miete nach der Modernisierung für die Dauer der Laufzeit des Mietvertrags
Zum Forderungskatalog der Mieter-Initiative sagte der zuständige Stadtrat Vollrad Kuhn (BÜ90/Die Grünen): Die meisten Forderungen seien bereits erfüllt. Noch ist die Modernisierung nicht genehmigt, bis Ende November will der Bezirk darüber entscheiden.
Update vom 23. November: Unterstützung bekommen die Mieter von der Bezirksverordnetenversammlung Pankow (BVV), sie fordert: Die finanzielle Härtefall-Regelung soll dauerhaft gelten – und sich die Mieten der von der Härtefall-Regelung betroffenen Anwohner nicht alle drei Jahre um 15 Prozent erhöhen. Ebenso fordert sie die Prüfung der Modernisierungsankündigungen durch einen externen Gutachter sowie „keine Erteilung von bau- und/oder erhaltungsrechtlichen Genehmigungen vor Abschluss des Sozialplanverfahrens und geeigneter Lösungen für jede/n MieterIn.“
Auch zu den geplanten Neubauten und Dachgeschossausbauten bekommt Mieterin Müller Rückenwind, denn auch die BVV sieht die Pläne der DW mit Skepsis: „Die vorgesehenen Wohnungsgrößen und zu erwartenden Angebotsmieten führen zu einer deutlichen Veränderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung. Das widerspricht dem sozialen Erhaltungsziel.“ Die BVV fordert, dass die Bau-Maßnahmen so verändert oder reduziert werden sollen, „dass dem Erhaltungsziel entsprochen wird“.
Frau Müller hofft nun, dass es eine veränderte Modernisierungsankündigung geben wird – für diese würde ab Januar 2019 die neue Modernisierungsumlage von 8 statt wie bisher 11 Prozent gelten. Dann würde auch die Mieterhöhung geringer ausfallen.
Paul-Robeson-Straße 17: Kunst gegen Verdrängung
Anfang November wurde der Kaufvertrag für das Haus in der Paul-Robeson-Str. 17 offiziell unterschrieben und die Mieter fürchten sich nun vor einer drohenden Verdrängung. Unter dem Namen „PR17“ haben sie sich zusammen getan und fordern die Kommunalisierung des Hauses, „indem der Bezirk sein Vorkaufsrecht wahrnimmt“.
„Jetzt müssen wir abwarten und schauen, was beim Bezirk passiert, der hat jetzt zwei Monate Zeit, das Vorkaufsrecht zu prüfen“, sagt Mieter Silvano Ruscieno. Anfang Januar 2019 laufe die Frist ab. Wer der neue Eigentümer ihres Mietshauses ist, das hätten die Bewohner bis jetzt noch nicht erfahren.
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Das sagt der Stadtrat: „Für die Paul-Robeson-Str. 17 liegt ein Antrag auf Negativzeugnis vor und der Bezirk prüft hier derzeit die Möglichkeiten bezüglich Vorkauf beziehungsweise Abwendungsvereinbarung.“
Nach einem „Laternenumzug gegen Gentrifizierung“ am 16.11. wollen die Häuser der Gleimstraße 56 und der Paul-Robeson-Straße 17 am kommenden Sonntag von 14-18 Uhr (Gleim) bzw. 15 bis 20 Uhr (PR17) mit der gemeinsamen Aktion „Kunst gegen Verdrängung“ protestieren.
Vorkaufsrecht, Abwendungsvereinbarung und Negativzeugnis – dieses und mehr Behörden-Deutsch zum Thema Mieten erklären wir in unserem 1×1 der Behörden-Sprache.
Titelfoto: Vertreter der Mieter-Initiative Topsstr / Eberswalder Str / Foto: Victoria Scherff