Eine Bürgerinitiative kämpft gegen die Bebauung des Friedhofsparks in der Pappelallee. Die Eigentümer-Gemeinde kocht, denn: Der Initiator kommt aus den eigenen Reihen.
Es brennt die Luft dieser Tage im Helmholtzkiez. „Das ist doch sicher kein Zufall, dass Sie anrufen“, vermutet Anke Reuther von der Freireligiösen Gemeinde in der Pappelallee. Die Vereinsvorsitzende wirkt getroffen, der Schock sitzt tief. Eine Bürgerinitiative habe sich gegründet, jetzt, gerade erst, sie arbeite gegen die Gemeinde, und das Schlimmste: Der Initiator stammt aus den eigenen Reihen. Der sich nur zu diesem Zweck in die Gemeinde eingeschleust habe. Es fallen Wörter wie „Beziehungsbruch“ und „janusköpfig“. Was ist hier passiert?
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Seit Jahren tobt ein Streit um die Nutzung des Friedhofsparks zwischen Pappelallee und Lychener Straße, wir berichteten. Ehemals Friedhof der Freireligiösen Gemeinde, gestaltete der Bezirk den Park in den Neunzigern mit Einverständnis der Gemeinde zu einer öffentlich zugänglichen Denkmalanlage um – samt Spielplatz. Noch in den 00er Jahren, als der Bezirk dankbar für jede Elterninitiative war, bekamen umliegende Kitas ohne eigenen Garten Schlüssel für den Hintereingang an der Lychener Straße und somit ihre Betriebsgenehmigung. Mit Einwilligung der Gemeinde, in deren Eigentum sich der Park seit 1998 wieder befindet. „Dass hier mal so viele Kinder leben würden: Vor 20 Jahren nicht absehbar“, sagte die Vorsitzende Reuther einmal gegenüber den Prenzlauer Berg Nachrichten.
Es fehlt Geld für die Parksanierung
Und dann, dem demografischen Wandel sei Dank, eskalierte die Sache. Was im Leise-Park in der Heinrich-Roller-Straße funktioniert, ist hier schiefgegangen. Vor zwei Jahren war vom ehemals harmonischen Nebeneinander von Kitagruppen, Spaziergängern und Gemeindemitgliedern nur noch ein Kettenschloss am Hintereingang übrig. Die Gemeinde sprach von Übernutzung und auf Grabsteinen herumkletternden Kindern, von fehlendem Respekt vor der Bedeutung des Ortes. Die Kitas von Schikane. Seit einem Jahr, so Reuther nun, habe sich die Lage etwas beruhigt, nachdem der Hintereingang dauerhaft verschlossen wurde und der Park nicht mehr als „Straße“ genutzt werde. Doch nun hat sie ganz andere Sorgen.
Das Parkdenkmal „verlottere“, „An Heinrichs Rollers Grab ist das Gold raus!“, und die kleine Gemeinde – knapp über 30 Mitglieder sind es momentan – habe kein Geld für die Instandsetzung. Die Erlöse aus dem Verkauf des nebenliegenden Hauses, ebenfalls ehemaliger Gemeindebesitz, neigt sich dem Ende zu. Auch der Vetrag mit dem Bezirk, der bislang noch für die Parkpflege aufkommt, läuft in zwei Jahren aus. Das Angebot des Bezirks, der eine knappe halbe Million Euro für die Sanierung des Friedhofsparks, über den jüngst ein Buch erschienen ist, locker gemacht hätte, schlug die Gemeinde 2016 aus. Denn die Bedingung lautete, das Parkdenkmal dann zur öffentlichen Grünanlage umzuwidmen – das hätte die sowohl unter dem NS- als auch unter dem DDR-Regime verbotene Gemeinde als erneute Enteignung empfunden.
Gespräche mit einer Immobiliengesellschaft
Um Gelder zu akquirieren, gibt es seit längerem Pläne, einen Streifen an der Lychener Straße zu bebauen. Das erfuhr Thomas Reimer, der direkt gegenüber vom Friedhofspark wohnt, vor gut zwei Jahren auf einer Party von einem befreundeten Architekten. Ob er daraufhin bei den Freireligiösen Mitglied wurde, quasi, um an die Pläne heranzukommen und die Gemeinde von selbigen abzubringen, will er nicht mit einem eindeutigen „Ja“ beantworten. „Man kann mir vorwerfen, geschickt gehandelt zu haben“, sagt Reimer beim Kaffee, ganz in der Nähe des Parks. Ja, er habe vor seinem Eintritt von den Plänen gewusst und ja, er habe versucht, die Gemeinde umzustimmen. „Mit Anke Reuther habe ich von Anfang an diskutiert, es war immer klar, dass ich gegen eine Bebauung bin.“ Und man müsse ihm zugute halten, dass er Reuthers Angebot, ihn zu ihrem Nachfolger zu machen, ausgeschlagen habe. „Wäre ich richtig fies, hätte ich das ja annehmen können.“
Da die gekränkte Gemeinde selbst vor der nächsten Versammlung Ende Februar nichts kommentieren will, sind deren konkrete Pläne momentan nur von Thomas Reimer zu erfahren. Das aber detailliert, hat er dem Spionagevorwurf der Gemeinde doch alle Ehre gemacht und während der Versammlungen Pläne abfotografiert, die er nun für die Arbeit der Bürgerinitiative „Pappelpark“, die sich vor einer Woche gründete, nutzt. Demnach soll nach einem von vielen möglichen Modellen der Streifen an der Lychener Straße, wo sich der Spielplatz befindet, über die ganze Breite bebaut werden – eventuell mit einem öffentlichen Durchgang zum dann bleibenden Rest des Parks. Dazu wolle die Gemeinde das Areal an eine Immobilienentwicklungsgesellschaft auf möglichst viele Jahre in Erbbaupacht verpachten und sich durch diese monatliche Rente finanzieren. Die zweite Vereinsvorsitzende Anne-Kathrin Pauk spricht von „Vorgesprächen mit seriösen, sehr sehr erfahrenen Leuten, die weit weg vom klassischen Immobilienhai-Klischee“ seien. Laut Reimer handelt es sich um Howe Immobilien mit Sitz in Mitte.
„Wir sind hintergangen worden“
„Wir sind hintergangen worden“, sagt Pauk, „Reimer wollte uns aushorchen. Ihm geht es einzig und allein um seine Aussicht.“ Natürlich habe er als Anwohner ein verschärftes persönliches Interesse, gibt Reimer zu – wie auch Menschen, die in der Einflugschneise von Tegel lebten, verstärktes Interesse an einer Schließung des Flughafens hätten. Aber darum allein gehe es nicht. „Klar muss gebaut werden in Berlin. Aber ausgerechnet in einem der dichtestbesiedelten Viertel, auf einer der wenigen verbliebenen Grünflächen?“ Dass der Park übernutzt werde, heiße ja, dass es eher zu wenige als zu viele Grünflächen gebe. Und sich an tobenden Kindern zu stören und den Eingang zu verrammeln, spreche auch nicht für eine „positive Umgehensweise mit dem Tod“. Vor allem nicht, wenn man sich folgenden Vierzeiler über das Tor hänge:
Aber er wolle überhaupt nicht den Verein als solchen angreifen, sondern mit seiner Initiative vielmehr den Bezirk auf das Problem aufmerksam machen, betont Reimer. Dieser solle den Park für die Bürger bewahren – gegebenenfalls auch durch eine Verlängerung des Vertrags, durch mehr Unterhalt aus der Bezirkskasse, wenn sich der Verein selbst die Unterhaltung nicht leisten könne. Erste Kontakte mit einer grünen Bezirksverordneten gebe es bereits.
Es gibt Alternativen zur Bebauung
„Wir wollen den Park nicht gefährden, im Gegenteil, wir wollen ihn erhalten“, stellt Gemeindevorsitzende Pauk klar. „Und wir wollen auch nicht die letzten Singvögel im Bezirk umbringen.“ Seit der Gründung der Bürgerinitiative am 14. Januar habe es wohl schon entsprechende böse Emails gegeben. „Wir sind ein armer Verein“, irgendwoher müsse das Geld kommen, um den Park, beziehungsweise notfalls dessen größten Teil, zu erhalten.
Zur Bebauung gebe es aber Alternativen, findet Reimer: Der Bezirk könnte etwa seinen Deal, den die Gemeinde ausschlug, erneuern und einen Teil des Parks erwerben – den, der nun eventuell bebaut werden soll. Dann würde die Gemeinde ebensoviel Fläche einbüßen, könnte mit dem Geld aber auch ihren Teil des Parks instandsetzen. So könnte zumindest die gesamte Grünanlage als solche erhalten bleiben. Auch, wenn sich hier schon lange keiner mehr grün ist.
1 Kommentar
Vielen Dank für diesen Artikel! Beim Lesen gewinne ich den Eindruck, dass „die Zeiten der Enteignung“ dem Park besser getan haben, als die wenigen Jahre des Mismanagements der offensichtlich in ihrer Eitelkeit gekränkten Gemeindemitglieder. Der Friedhofspark ist ein einmaliges Kleinod im Helmholtzkiez und sollte nicht dem Verkauf ein paar „freireligiöser Seelen“ zum Opfer fallen. Vielmehr sollte er ständig für die Öffentlichkeit auch zur Lychener Straße hin geöffnet sein. Ich denke doch, dass das Steueraufkommen im Kiez hoch genug sein sollte, um für die regelmäßige Parkpflege aufzukommen. Würde meine „Seele“ dort ihre ewige Ruhe finden, dann würde sie sich über spielende Kinder mehr freuen, als über einen noch stärker verdichteten Kiez… 😉