Späti

Last Night a Späti saved my life

von Julia Schmitz 10. Dezember 2018

Hier gibt es so viel mehr als nur lange Öffnungszeiten: Julia Schmitz beschreibt, was den „Ost-Späti“ in der Choriner Straße zu ihrem liebsten Späti macht.


Nein, auf feste Öffnungszeiten kann man sich nicht unbedingt verlassen: Manchmal hat Hotte, der den kleinen Laden seit Anfang der 90er Jahre betreibt, einfach keine Lust zu öffnen. Doch wie oft hat mir der Spätkauf auf der Choriner Straße, den die meisten als „Ost-Späti“ kennen, schon das Sonntagsfrühstück oder das Abendessen gerettet?

Drei Stufen hoch, durch die alte Holztür und die unsanierte Fassade, vorbei an einem Einkaufswagen voller Äpfel und einer Weinkiste mit Überraschungstüten, und los geht die Zeitreise: Ein Sessel aus der Nierentisch-Zeit schmiegt sich an ein in der Ecke thronendes Ofenrohr, hinter einer Glastheke warten frisch gebackene Kuchen und belegte Stullen auf Gäste, im Fenster hängt ein grinsender, kreisrunder Lampion. Noch zwei Stufen höher liegt die „Einkaufsabteilung“, die an einen alten Tante-Emma-Laden erinnert.

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Bio-Milch und Tütensuppen

Frisches Obst und Gemüse in alten Drahtkörben hängt dort zwischen Emaille-Schildern und Plakaten aus längst vergangenen Tagen. Hier gibt es eigentlich alles: Bio-Milch aus Brodowin und Tütensuppen, Dosentomaten und Honig aus der Uckermark, Klopapierrollen und Dinkelmehl, Kaffeepulver, Wein und Zigaretten, Toastbrot in der Tüte und Vollkornbrot vom Bäcker. Nur eines gehört im Ost-Späti eher zu den Raritäten: ein Lächeln – aber wer braucht das schon, wenn er an den rauen Berliner Charme gewöhnt ist?

Späti

 

„Ich möchte hier einziehen“, dachte ich, als ich vor vielen Jahren zum ersten Mal den Laden mit Café betrat, von dem ich mir nicht sicher war, ob ich ihn in die Kategorie „handelsüblicher Späti“ einsortieren sollte oder ob es sich dabei eher um etwas Außergewöhnliches handelte. Erst später habe ich erfahren, dass über diesen Ort bereits ein Film gedreht wurde und ich nicht die einzige bin, die dem Charme des Ladens erlegen ist.

 

So viel mehr als nur ein Späti

Heute weiß ich: So etwas wie den Ost-Späti gibt es in Berlin nur einmal. Nicht nur einmal hingegen hat er mich gerettet: Wenn ich mal wieder vergessen hatte, am Samstag einzukaufen und mich am Sonntag aus meinem Kühlschrank nur gähnende Leere anblickte. Wenn ich dringend einen Kaffee brauchte oder mich einfach mit einem Stück Kuchen auf eine der improvisierten Bänke auf dem Bürgersteig setzen wollte, um dem ruhigen Treiben im Kiez zuzuschauen.

Wenn zuhause plötzlich der Wein, aber noch nicht der Abend zur Neige geht – dann finde ich hier alles, was ich brauchte und verlege manchmal gleich den ganzen Abend in den urigen Laden, der so viel mehr ist als nur ein Späti. Berlin mag sich verändern, Prenzlauer Berg tut dies sogar so schnell, dass man kaum mit dem Schauen hinterherkommt – aber im „Ost-Späti“ ist die Zeit stehengeblieben.

Ost-Späti
Choriner Straße 12
10119 Berlin

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