Zu Hause ist es zu eng. Und jetzt?

von Sarah Schaefer 2. November 2018

Im Umgang mit knappem Wohnraum lassen Mieterinnen und Mieter in Prenzlauer Berg sich einiges einfallen. Das hat auch Folgen für das Leben im Kiez.


Hochebenen einziehen, wenig zu Hause sein, Augen zu und durch.“ Dies ist eine der Antworten, die wir in unserer Umfrage auf die Frage erhalten haben, wie die Menschen in Prenzlauer Berg damit umgehen, dass sie wegen explodierender Mietpreise in einer Wohnung leben, die nicht mehr zu ihnen passt. Die Antwort fasst zusammen, wie sich viele Prenzlauer Bergerinnen und Berger ihren beengten Wohnverhältnissen stellen. In den meisten Fällen, so ein Ergebnis unserer Umfrage, bauen die Betroffenen ihre Wohnung um. Und sie verbringen mehr Zeit außerhalb ihrer Wohnung. Wir haben uns diese Strategien genauer angesehen.

1. Die Wohnung verändern

Über zu wenig Aufträge kann sich Andreas Wilhelm nicht beklagen. Der 46-jährige Architekt aus Prenzlauer Berg hat sich  mit seiner Firma Camaluna auf den Bau von Hochbetten und anderen Hochebenen spezialisiert. „Ich hatte von Anfang an viel Nachfrage, aber es wird immer mehr“, sagt er. Seine Kunden, so Wilhelm, wollen aus Angst vor steigenden Mieten in ihrer Wohnung bleiben und dort zusätzlichen Platz schaffen. „Dabei geht es weniger um Spaß und Luxus, als um praktische Gründe“, so Wilhelm.

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Andreas Wilhelm auf der Treppe zum Hochbett, das er für seine Tochter gebaut hat

Zu 75 Prozent sei Familienzuwachs der Grund, aus dem die Menschen zu ihm kommen. Häufig sei es so, dass sich zwei Kinder ein Zimmer teilen, und das ältere Kind bekommt ein Hochbett. Manchmal aber seien es auch die Eltern, die sich eine Hochebene als Schlafplatz bauen lassen, weil sie ins Wohnzimmer umgezogen sind und ihrem Kind das Schlafzimmer überlassen haben. Die Anfertigungen lassen sich seine Kunden auch etwas kosten, denn eine neue Wohnung käme sie deutlich teurer zu stehen.

Ein besonders aufwendiger Wunsch? Ein Paar, berichtet Wilhelm, hat sich von ihm eine geschlossene Hochebene ins Schlafzimmer einbauen lassen, so dass ein zweites Zimmer entsteht. Damit es dort nicht zu dunkel wird, haben sie Altbaufenster einbauen lassen. „Gewöhnungsbedürftig“ sei diese Lösung für ihn, sagt Wilhelm. Aber seine Kunden seien zufrieden gewesen. 

Hocheben sind wohl der einfachste Weg, mehr Platz zu schaffen. Andere Mieter lassen Wände für zusätzliche Zimmer einziehen oder bauen die Küche zu einem Kinderzimmer um – oft auf eigene Kosten. Je aufwändiger der Umbau, desto wichtiger ist es, dass der Vermieter grünes Licht gibt.  „Das, was wieder zurückgebaut werden kann, ist im Falle eines Umzugs kein Problem“, sagt Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner MietervereinsAlles andere brauche die Zustimmung  des Vermieters. Schließlich gehe es um die Frage, ob der Vermieter die Wohnung am Ende auch abnimmt.

Ausgerechnet der strenge Milieuschutz in Pankow könnte Mietern allerdings in die Quere kommen. „Es ist manchmal bitter, wenn Familien ein weiteres Kind bekommen und eine Wand versetzen wollen“, sagte Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) der Berliner Morgenpost mit Blick auf abgelehnte Umbauwünsche.

 

2. Weniger Zeit zu Hause verbringen

Wenn es drinnen zu eng wird, gehen wir eben woanders hin: Das ist eine Strategie vieler Menschen in Prenzlauer Berg, die in beengten Wohnverhältnissen leben. Die Wohnung wird immer weniger zum Lebensmittelpunkt. Manche flüchten sich in angemietete Arbeitsräume, andere zu Freunden, in ihren Camping-Wagen oder ihre Gartenlaube. Viele schrieben, dass sie sich mehr im Kiez aufhalten: „Ich spaziere oft im Prenzlauer Berg“, war eine typische Antwort. 

Je enger der Wohnraum, desto wichtiger der öffentliche Raum.  Den Soziologen und Stadtforscher Sigmar Gude erinnert das an eine Zeit, in der die Kneipe als Wohnzimmer galt. „Heute haben wir allerdings das Problem, dass der öffentliche Raum immer mehr kommerzialisiert ist“, so Gude. Es gebe kaum noch ungenutzte Freiflächen, und falls doch, sei es beim derzeitigen Mangel an Wohnraum und Schulen schwer vermittelbar, auf eine Bebauung zu verzichten, um Grünflächen zu erhalten oder zu schaffen.

Grundsätzlich sei eine intensive Nutzung von freien Flächen oder Räumen möglich. Denkbar sei beispielsweise, Schulräume besser zu nutzen, denn diese stehen abends leer. „Aber dazu gehört auch Manpower“ sagt Gude. Damit meint er Hausmeister oder andere Menschen, die sich um die Räume und Flächen kümmern.

Auch in der Bezirkspolitik steht dieser Punkt auf der Tagesordnung. „In einer sich verdichtenden Stadt können wir es uns nicht länger leisten, große Gebäude zu planen und zu bauen, die in den Abendstunden und an den Wochenenden ungenutzt leer stehen“, heißt es etwa in einem Antrag der Grünen-Fraktion in der Pankower Bezirksverordnetenversammlung. Der Wunsch: Schulen sollten Räume und Freiflächen bekommen, die nach Unterrichtsschluss auch von Anwohnern, Künstlerinnen, Vereinen oder Initiativen genutzt werden können. 

Ansonsten bleibt immer noch die Kneipe als Wohnzimmer. Wer sich für diese Variante entscheidet, tut sicherlich der Kneipenkultur im Kiez einen Gefallen.

 

 

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1 Kommentar

Bimmbimm 2. November 2018 at 13:27

> Ansonsten bleibt immer noch die Kneipe als Wohnzimmer. Wer sich für diese Variante entscheidet, tut sicherlich der Kneipenkultur im Kiez einen Gefallen.
Das muss man sich aber auch leisten können.. man kann auch den ganzen Tag in Spaßbädern und Gourmetrestaurants verbringen.. kostet halt alles 😉

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