Sollen die Stargarder Straße und die Gleimstraße Fahrradstraßen werden? Bezirk und Planungsbüro stellten die Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie vor und luden zum Bürgerdialog.
„Wir brauchen mehr Parkplätze für Fahrräder und weniger für Privatautos“, „Es kommen viel zu viele Lieferwagen und immer parken sie in der zweiten Reihe“ oder „Wenn die Stargarder zur Fahrradstraße wird – fährt der Durchgangsverkehr dann durch die Seitenstraßen?“ Geht es um das Thema Rad- und Autoverkehr in Prenzlauer Berg, laufen die Diskussionen schnell heiß: Viele Anwohner*innen rund um die Stargarder und die Gleimstraße fühlen sich als Radfahrer durch den zunehmenden Autoverkehr auf oft gefährliche Art bedrängt. Wäre die Ausweisung als Fahrradstraße also eine Lösung?
Der Wunsch danach stünde schon länger im Raum, so Bezirkstadtradt Vollrad Kuhn, doch bisher habe man es nicht geschafft, das Thema fundiert anzugehen – es reiche ja nicht, einfach Schilder aufzustellen. Mit der Beauftragung des Ingenieurbüros Brenner wurde nun ein erster Schritt in Richtung neuer Verkehrsführung gemacht: Anfang September untersuchte man mittels manueller Zählung und Videokameras das Verkehrsaufkommen von Autos und Radfahrern auf Stargarder und Gleimstraße, die nicht nur stark vom Durchgangsverkehr frequentiert werden, sondern auch maßgeblich von Gewerbe geprägt sind.
Die Ergebnisse: Während in der Gleimstraße das Verhältnis bei 60 Prozent PKWs und 40 Prozent Fahrrädern liegt – im Verlaufe der Tageszeiten schwankend –, verzeichnete man in der Stargarder Straße einen Fahrrad-Anteil von 44 Prozent: Fast 4.300 Fahrräder fahren hier täglich entlang, die Zahl der Autos liegt bei ca. 5.500 und über 70 Prozent davon zählen zum Durchgangsverkehr. Die Einschränkung von diesem mittels der Markierung einzelner oder beider Straßen als Fahrradstraße würde nicht nur die Verkehrssicherheit für Radfahrer erhöhen, sondern auch die Aufenthaltsqualität in Gewerbe und Cafés steigern, so Christin Schicht vom Ingenieurbüro – und sei tendenziell umsetzbar.
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Maximal 30 km/h und nur für Anlieger
Eine ausgewiesene Fahrradstraße, wie es sie bereits in der Choriner Straße gibt, rückt also näher ins Blickfeld. Doch welche Rechte und Pflichten bringt dies eigentlich mit sich? Tobias Klein vom Deutschen Institut für Urbanistik weiß mehr: „Laut Straßenverkehrsordnung (StVO) dürfen Fahrradstraßen nur vom Radverkehr befahren werden, es sei denn, ein Zusatzzeichen gibt die Straße z.B. für Anlieger frei. Außerdem gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h und Fahrräder dürfen nebeneinander fahren“. Weitere Hinweise für die Einrichtung von Schutzzonen für Fahrradfahrern geben die Papiere „Richtlinien für die Anlagen von Stadtstraßen“ (RASt 06) und „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen“ (ERA 2010); in letzterer finden sich z.B. die Vorgaben, wie viel Meter Platz bzw. Sicherheitsabstand zu den Kraftfahrzeugen der Radverkehr auf einer normalen Stadtstraße haben muss: Ein Meter in der Breite werden jedem Radler zugestanden.
Auf einer Fahrradstraße würde den Fahrradfahrern deutlich mehr Platz eingeräumt, der Autoverkehr auf den zweiten Platz verwiesen. Um dies durchzusetzen, gibt es mindestens so viele Möglichkeiten wie Fahrradmodelle: Von sichtbaren Farbstreifen am Fahrbahnrand, über große Piktogramme bis hin zu Fahrbahnverengungen und sogar Pollern ist alles möglich. Was sich davon auf der Stargarder und der Gleimstraße realisieren ließe, muss nun geprüft werden.
„Wir können es nicht allen recht machen“
Dieses vom Bezirk durchgeführte Vorhaben wird nicht hinter verschlossenen Türen erörtert, sondern im Dialog mit den Anwohnern. So luden Ingenieurbüro Brenner und Bezirksstadtrat Kuhn am vergangenen Freitag zur Diskussion an drei Planungstischen rund um die Themen „Flächengerechtigkeit“, „Gewerbe & Lieferverkehr“ sowie „Wegenetze & Verbindungen“. Obwohl der Großteil der Anwesenden sich positiv zu einer Fahrradstraße äußerte, wurden dennoch Bedenken laut: Sollte der Durchgangsverkehr am Befahren der Stargarder Straße gehindert werden, könne dies eine größere Verkehrsbelastung der umliegenden Wohnstraßen bedeuten. Und auch eine Reduzierung der senkrecht stehenden Parkbuchten bringe höchstwahrscheinlich eine angespanntere Situation mit sich – nicht zuletzt weil der Bezirk Pankow überlegt, sämtliche Parkplätze auf der Schönhauser Allee zwischen Stargarder Straße und Wichertstraße in nördlicher Fahrtrichtung zu entfernen.
„Wir können es nicht allen recht machen“, so Kuhn als Fazit des Abends, „aber wir werden für mehr Flächengerechtigkeit sorgen“. Die Ergebnisse der Veranstaltung werden in die kommenden Planungen einbezogen, außerdem können alle Anwohner, Gewerbetreibenden und Interessierte ab dem 22. Oktober Anregungen und Meinungen unter mein.berlin hinterlassen. Ob eine oder beide Straßen in Zukunft als Fahrradstraße ausgewiesen werden, entscheidet sich aber frühestens 2019.
1 Kommentar
75 % Durchgangsverkehr! Mehr als 4.000 Autos wuerden sichen einen anderen Weg suchen muessen und mit grosser Wahrscheinlichkeit zahlreich durch die naechste weiter suedlich gelegene durchgehende Verbindung Raumer Strasse – Gneiststrasse zwischen Prenzlauer Allee und Schoenhauser fahren. Taeglich! Der Helmholzkietz mit seinem Spielplatz gehoert mit mehr als 33.000 EW pro km2 zu den am dichtesten besiedelten Wohngebieten. Wir brauchen ein Konzept fuer den gesamten Kietz und nicht nur fuer eine einzelne Strasse. Die eigentlichen Zahlen duerften im uebrigen noch viel hoeher liegen weil die Zaehlungen bei derzeit geschlossenem Gleimtunnel erfolgten.