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Ist das Kunst oder illegaler Leerstand?

von Kristina Auer 11. Oktober 2018

An der Schönhauser Allee 187 verdeckt ein Kunstwerk mehrere Fenster. Stehen in dem Haus etwa Wohnungen leer? Der Bezirk leitet ein Amtsverfahren ein.


Eine Frau, die gebannt auf Ihr Handy starrt, über ihrem Kopf prangt als Heiligenschein das AUS-Symbol, wie man es von Fernbedienungen oder Elektrogeräten kennt. Seit Mitte August prangt die gesellschaftskritische Wandmalerei des Künstler-Kollektivs innerfields an der Fassade der Schönhauser Allee 187.

 

Kunst verdeckt Fenster – Hinweis auf Leerstand?

Zunächst mag sich die Betrachterin beim Blick auf das etwas schranzig anmutende Haus vielleicht darüber wundern, dass es in dieser Lage am Fuße von Prenzlauer Berg überhaupt noch unsanierte Fassaden gibt. Aber noch etwas ist komisch an der Riesenmalerei zwischen Rosa-Luxemburg- und Senefelder Platz: Sie verdeckt neun Fenster des Vorderhauses vollständig und weitere vier zum Teil. Dem Bezirksverordneten Frederik Bordfeld (Linke), seines Zeichens stadtentwicklungspolitischer Sprecher seiner Partei und in Pankow sehr aktiv in Sachen Milieuschutz, Mieten und Bauen, ist dieser Umstand aufgefallen. Niemand kann doch in einer Wohnung mit völlig verdeckten Fenstern wohnen, muss Bordfeld gedacht haben. Kann es also sein, dass in dem Haus illegal Wohnungen leer stehen, fragte er das Bezirksamt in einer Kleinen Anfrage.

Das Haus mit der Nummer 187 liegt im sozialen Erhaltungsgebiet Teutoburger Platz. Aber auch überall sonst in Berlin ist der spekulative Leerstand von Wohnungen – sofern nicht explizit genehmigt – illegal, seit im Mai 2014 die Zweckentfremdungsverbotverordnung erlassen wurde. Neben leer stehenden Immobilien fallen auch Ferienwohnungen unter das Gesetz, was zu einer Welle von klagen geführt hat. In einem Prozess wurde zudem geurteilt, dass die Vermietungsplattform Airbnb nicht dazu verpflichtet ist, den Ämtern Namen und Adressen ihrer Vermieter zu nennen. Ein weiteres grundlegendes Problem: Die Bezirke haben nicht genügend Mitarbeiter, um die Zweckentfremdung flächendeckend zu bekämpfen.

 

Bezirk leitet Amtsverfahren ein

So erklärt sich, dass dem Bezirk auch im Fall der Schönhauser Allee 187 bisher nichts über Leerstand zu Ohren gekommen war. Jedenfalls aber sei kein Leerstand für das Haus beantragt oder genehmigt worden, so Bürgermeister Sören Benn (Linke) in seiner Antwort. Weiter: „Die Kleine Anfrage wird zum Anlass genommen, dass das Wohnungsamt auch in diesem Fall ein Amtsverfahren wegen ungenehmigten Leerstandes einleiten wird“. Benn weist explizit darauf hin, „dass der Wohnungsbestand des Bezirks Pankow nicht systematisch nach Leerstand überprüft wird„. Der Bürgermeister verweist auf das Hinweisformular der Senatsverwaltung, mit dem Bürgerinnen und Bürger vermuteten Leerstand melden können.

Was dem Bezirksamt allerdings bekannt ist: Das Haus soll bald saniert werden. Im März 2015 sei die Modernisierung und Instandsetzung des Vorderhauses, ein Dachgeschossausbau, Fensteraustausch, der Anbau von mehreren Balkonen und sogar der Abriss und Neubau eines Seitenflügels beantragt worden. Die Baugenehmigung wurde demnach im Mai 2016 erteilt. Seit über zwei Jahren ist an dem Haus also trotz Baugenehmigung nichts gemacht worden, was den Verdacht auf Leerstand noch erhärten könnte.

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Höchststrafe Bußgeld

Und jetzt? Viel ausrichten können wird der Bezirk höchstwahrscheinlich trotzdem nicht, auch falls sich der Verdacht der Zweckentfremdung bestätigt. Der Leerstand gilt als Dauerordnungswidrigkeit, der mit einem Bußgeld von bis zu 100 000 Euro geahndet werden kann. Solange der Wert einer Immobilie weiter steigt, scheinen manche Eigentümer die Bußgelder jedoch in Kauf zu nehmen.

Zwar könnte laut Gesetz bei nachgewiesenem Leerstand auch ein Treuhänder, beispielsweise eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft, eingesetzt werden, um sich um das Haus zu kümmern. Falls dem Treuhänder durch Instandhaltung des Hauses hohe Kosten entstehen, könnte der Besitz sogar ganz auf ihn übergehen, so will es die Gesetzesnovelle vom Dezember 2017. Im Fall der Hausnummer 90 am anderen Ende der Schönhauser Allee wurde dieser Schritt bereits gefordert. Bisher gibt es in Pankow allerdings keine Fälle, in denen die Bezirke tatsächlich einen Treuhänder eingesetzt hat.

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