Schwimmkurs Schlange

Die lange Schlange zum Seepferdchen

von Anja Mia Neumann 28. August 2018

Wer hat Lust, den Morgen stundenlang in einer dunklen Halle zu verbringen? Dem sei die Schwimmkurs-Anmeldung im Bad an der Landsberger Allee empfohlen. Über einen weiteren Kampf im Berliner Elterndasein.

6:58 Uhr im Schwimmbad Landsberger Allee. Es ist Tag der Anmeldung für die Schwimmkurse. Start ist eigentlich um 8 Uhr. Aber schon jetzt sitzen rund 30 Eltern im Dunklen und warten, als ich ankomme.

Die nächsten eineinhalb Stunden werden geprägt sein von Desillusion („Das klappt eh nicht.“), Verbrüderung mit den anderen Wartenden („Nicht aufgeben.“), schwarzem Humor („Das nächste Mal gehen wir einfach feiern und kommen dann um 4 Uhr aus dem Club.“) und tiefer Trauer („Ach Mann, es wäre doch so schön.“).

Dabei geht es nur um einen Seepferdchen-Kurs! Den will ich für meinen Sohn buchen. Einer von vier pro Woche in der Landsberger Allee. Bei den Berliner Bäderbetrieben. Digitale Anmeldung: Fehlanzeige. Stattdessen: Schlangestehen wie in einer Mangelwirtschaft.

Und genau das ist es: ein weiterer Mangel in dieser Stadt. Nach dem Kampf um Hebamme, Geburtsklinik und Kindergartenplatz, nun also der Kampf um den Schwimmkurs.

 

„Ich bin seit 5:30 Uhr hier.“

Unsere Kita öffnet gerade erst – und so habe ich meine Tochter im Kinderwagen dabei. Mein Mann ist auf Dienstreise und mein schwimmwütiger Junge hat extra bei den Großeltern übernachtet. Logistik pur! Vor mir sitzt eine Mutter mit ihrem Schwimmanfänger. Der große Bruder sitzt derweil allein am Frühstückstisch und geht dann in die Schule.

Wer ist der erste in der Schlange? „Ich bin seit 5:30 Uhr hier“, sagt der Mann. Seit 5:30 Uhr! Und ich dachte, ich sei früh dran! „Eigentlich ein Versehen, weil ich dachte, es gehe schon um 6 Uhr los, aber jetzt bin ich glücklich.“

Die zwei Eltern hinter ihm kamen zehn Minuten später. Ganz bewusst. „Beim letzten Mal sind wir auf die Nase geflogen und leer ausgegangen, das sollte uns nicht noch mal passieren.“

 

Die Berliner Verhältnisse sind wie das Berghain

Darauf einen Kaffee. Der Mann hinter der Theke in der Caféteria erzählt, dass das so völlig normal ist: „Vorgestern ging es noch früher los.“ Da war die Anmeldung für die Baby- und Kleinkindschwimmkurse im Bad. „Um 5:15 Uhr waren die ersten da.“ Spätestens das ist der Moment für den Emoji mit den weit aufgerissenen Augen.

Als es 8 Uhr ist, und die Anmeldung startet, stehen mehr als 100 Menschen in der Vorhalle des Schwimmbades. Zwischendrin läuft eine Frau nach vorne: Sie wolle nur mal fragen, ob sie auf ihrer Warteposition ganz hinten überhaupt Chancen auf einen Platz im Kraulkurs habe oder gleich gehen könne.

Um 8:05 Uhr ist der erste Seepferdchen-Kurs ausgebucht.

Zu den Berliner Verhältnissen lautet mein Lieblingszitat von meiner PBN-Kollegin: „Langsam ist die ganze Stadt wie das Berghain: Erst ewig anstehen, dann wahrscheinlich nicht reinkommen, und wenn doch, ist drinnen alles völlig out of control.“ Ich hoffe, wenigstens Letzteres gilt nicht für den Schwimmkurs. Den Platz für meinen Sohn habe ich nämlich – unglaublicherweise – noch bekommen.

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