Das Projekt „2Rad–1Kauf–0Emission“ soll die Schönhauser Allee fahrradfreundlicher machen. Das Ergebnis der zweijährigen Aktion: Vier Parklets, ein schickes Logo und ein paar Warnwesten.
„Wenn man für Autos plant, bekommt man auch mehr Autos – plant man hingegen stärker für Radfahrer und Fußgänger…“: Ineke Spapé, „Radprofessorin“ aus den Niederlanden, ist an diesem Nachmittag eindeutig die Person mit den mutigsten Zukunftsvisionen. Im Erdgeschoss der Schönhauser Allee Arcaden werden die Ergebnisse des Projekts „2Rad–1Kauf–0Emission“ vorgestellt – ein Projekt zwischen Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur, dem Fachgebiet Stadt- und Regionalökonomie der TU Berlin und den Einzelhändlern auf der Schönhauser Allee.
In einer Laufzeit von zwei Jahren suchte man gemeinsam nach Lösungen, wie die Hauptschlagader von Prenzlauer Berg attraktiver für Fußgänger und Radfahrer werden könnte, die hier ihre Einkäufe erledigen. Mit ausleihbaren Luftpumpen und Lastenrädern, neu installierten Fahrradbügeln auf der Westseite der Allee sowie Sicherheitswesten und Umhängetaschen mit einheitlichem Logo – „Schönhauser – Einkaufen, Radeln, Flanieren“ sei bereits einiges in die Wege geleitet worden, konstatiert Susanne Thomeier von der TU Berlin
Hätte, hätte, Fahrradkette
Bedenkt man die lange Laufzeit und die Manpower, die in das Projekt gesteckt wurde, wirkt das auf den ersten Blick ziemlich dünn. Wo sind die wirklich großen Veränderungen, die das Fahrrad fahren auf der Allee mehr zu einem Vergnügen machen denn zu dem Hauen und Stechen, das es jetzt ist? Auch Dirk Bartel von der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, bleibt eher verhalten bei dem Thema. Man habe einen Förderantrag beim Bundesumweltministerium gestellt und bewilligt bekommen, mit dessen Geldern man u.a. mehr Parkplätze für Fahrräder an den ÖPNV-Umsteigeknotenpunkten Eberswalder Straße und Schönhauser Allee finanzieren werde.
Ab September würden außerdem vier „Parklets“ eingerichtet – ähnliche gibt es seit kurzem auf der Bergmannstraße in Kreuzberg -, die Sitzgelegenheiten und Abstellflächen für Fahrräder auf einer Fläche von jeweils zwei Parkbuchten bieten. Vom dritten Bestandteil des Förderantrags – eigentlich dem spannendsten – sei man nach einer externen Prüfung zurückgetreten: Die Reduzierung der Fahrspuren stadtauswärts auf zwei oder gar eine – eine Idee, die bereits vor drei Jahren aufgegriffen wurde – sei als „zu groß“ für das Förderprojekt erachtet und daher erstmal verworfen worden. Aber ist möglicherweise nicht das Projekt an sich, sondern die Auto-Lobby „zu groß“ – so dass man lieber einen Rückzieher macht, als Unmut auf sich zu ziehen?
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„Die Stadt lebt trotzdem weiter!“
Schade eigentlich, denn im Nachbarland Holland klappen mutige Projekte wie diese einwandfrei: In Eindhoven z.B., erzählt Spapé, wurden die Fahrspuren in der Innenstadt von vier auf zwei reduziert, damit Fahrradfahrer mehr Platz bekommen – in Utrecht gibt es sogar ein beleuchtetes Parkleitsystem für Fahrräder sowie einen Regensensor, der bei schlechtem Wetter schnellere und längere Grünphasen für Radler aktiviert. „Und wissen Sie was? Die Stadt lebt trotzdem weiter!“, setzt sie mit einem Schmunzeln nach. Natürlich, denkt man da, die Niederländer haben ja eine ganz andere, innigere Beziehung zu ihrem Drahtesel als die meisten Berliner. Trotzdem: Ginge das nicht auch in bei uns?
Die Stadt, und insbesondere die Schönhauser Allee, so Spapé weiter, sei feindlich gegenüber Auto-Alternativen: Für Kraftfahrer dauerten die Grünphasen der Ampel um einige Sekunden länger – und das, obwohl oft viel mehr Fahrräder und Fußgänger als Autos unterwegs seien. Sie könne sich vorstellen, dass auch in Prenzlauer Berg in Zukunft nur eine Seite der Allee für Autofahrer nutzbar sei, während die andere Seite Tram, Radlern und Spaziergängern vorbehalten wäre. Und wenn man schon einmal dabei sei, das ganze Areal umzugestalten: Diese lange Fläche unterhalb des U-Bahn-Eisens sei ungenutzte Platzverschwendung – wäre dort nicht eine lange, überdachte Markthalle eine schöne Idee, um den Kiez noch lebenswerter zu machen?
Zustimmender Applaus im Publikum, verhaltenes Lächeln seitens Ministerium und Senat. Hätte und könnte, dann würde man ja – aber letztendlich fehlt dem Bezirk der Mut, werden die kühnen Vorschläge wohl oder übel Zukunftsmusik und die Schönhauser Allee ein Gemengelage erster Güte bleiben. Da helfen auch keine schick designten Plastiktaschen.