Seit vier Jahren gibt es auf dem Georgen-Parochial-Friedhof I an der Greifswalder Straße ein Areal, auf dem nur lesbische Frauen bestattet werden dürfen. Warum, hat uns Mit-Initiatorin Usah Zachau erklärt.
Liebe Usah, was muss man sich unter dem Begriff „Lesbenfriedhof“ vorstellen?
Wie der Name schon sagt: Hier werden lesbische Frauen beerdigt. Genau genommen handelt es sich aber nicht um einen Friedhof, sondern um ein gemeinschaftliches Areal, das zu dem evangelischen Georgen-Parochial-Friedhof I im Prenzlauer Berg gehört. Ganz normal ist dieser Friedhof nicht: Er ist besonders wild und schön, nicht mit der Nagelschere bearbeitet, sondern eher wie eine „Künstlerecke“, deswegen haben wir ihn uns auch ausgesucht. Insgesamt ist das Areal 400 Quadratmeter groß und hat etwa 80 Grabstellen, von denen 25 bereits vergeben sind. Und bisher gab es vier Bestattungen.
Was ist die Motivation, sich nicht auf einem „konventionellen“ Friedhof beerdigen zu lassen? Wieso benötigt es ein eigenes Areal für Lesben?
Es gab und gibt verschiedene Motivationen. Eine wichtige ist Öffentlichkeit und Sichtbarkeit von lesbischen Frauen. Natürlich können Lesben auf allen Friedhöfen beerdigt werden, ganz klar. Aber wir fanden den Gedanken schön, wenn dank des Friedhofsareals sofort zu erkennen ist, dass wir Lesben sind. Das schreibt man ja nicht auf den Grabstein.
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Wie kam es zu dieser Initiative? Und wer genau seid ihr?
Unsere Arbeitsgruppe ist entstanden aus dem Verein Safia – Lesben gestalten ihr Alter und hat sich im Jahr 2009 gegründet. Initiiert wurde alles von einer Frau, die in einem kleinen Dorf in der Mitte Deutschlands lebt und sich sagte: Allein und auf diesem schäbigen Dorffriedhof möchte ich nicht begraben werden – zu Lebzeiten dreht sich bei mir vieles darum, lesbisch zu sein, da soll sich das im Tod nicht ändern. Es stellte sich bald heraus, dass fast alle aus unserer Gruppe in Berlin wohnten, deswegen haben wir uns für Berlin entschieden. Als es konkreter wurde, fragten wir bei der Sappho-Frauenwohnstiftung an, ob sie uns unter ihre Fittiche nimmt und arbeiten jetzt wunderbar mit ihr zusammen.
Wie habt ihr das Friedhofsareal bekommen?
Wir haben zunächst eine Friedhofsbegehung gemacht und dann Kontakt mit der evangelischen Kirchenverwaltung aufgenommen, die die Idee toll fand und uns unterstützt hat; auch für die evangelische Kirche war das Neuland. Unser Friedhofsareal selbst ist aber nicht konfessionell gebunden!
Das Areal wurde uns von der Friedhofsverwaltung zur Verfügung gestellt. Es war ein richtiges Rumpelpumpel-Gelände; ganz verwildert und die Mäuerchen verfallen. Wir mussten das erstmal zu einer Bestattungsfläche trimmen lassen und haben dafür zum Glück von fünf Safia-Schwestern Darlehen bekommen, die inzwischen fast abbezahlt sind. Dabei hilft jede, die ein Grab anmeldet, mit einem Beitrag von 300 Euro für die Gartengestaltung.
Stichwort Grabanmeldung: Was sollte man dafür tun?
Nun, man sollte lesbisch sein!
Und das muss man beweisen?
Nein, natürlich nicht! Und das geht zum Glück ja auch nicht. Mir reicht es, wenn du mir das sagst. Man muss einfach Kontakt zur Stiftung beziehungsweise direkt zur Arbeitsgruppe und mir aufnehmen.
Wir haben das Areal zunächst für eine Dauer von 35 Jahren gemietet, danach sehen wir weiter, aber ich glaube nicht, dass es Hinderungsgründe gibt, den Vertrag dann zu verlängern. So oder so: Alle Frauen, die in dem Zeitraum bestattet werden, bleiben die zwanzig Jahre (mit Option auf zehn weitere), die im Bestattungsrecht vorgesehen sind, auch ruhen. Auf unserem Areal gibt es verschiedene Möglichkeiten der Bestattung, Sarggräber wie Urnen zum Beispiel. Das einzige, was nicht geht, ist eine anonyme Grabstelle – das widerspricht nämlich unserer Idee der Sichtbarkeit.
Nehmt ihr auch Trans*-Frauen oder Intersexuelle auf?
Die Stiftung ist eigentlich nur für Cis-Frauen gedacht, also bisher nicht. Aber wer weiß, was sich in der Hinsicht in Zukunft noch tut.
Wieso habt ihr euch für den Standort Prenzlauer Berg entschieden?
Eine von unserer Gruppe wohnt direkt neben dem Friedhof, und auch andere kannten ihn, etwa weil verstorbene Partnerinnen dort liegen. Wir wollten explizit diesen Friedhof, weil er so toll ist. Wir hatten uns auch den Alten St.-Matthäus-Kirchhof in Schöneberg angeschaut, aber da gab es kein freies Areal mehr und im Nachhinein finden wir es auch gut, dass sich nicht immer alles auf West-Berlin konzentriert, sondern mal ein anderer Stadtteil ist.
Wie haben die Nachbarn reagiert?
Ganz ehrlich: Ich persönlich war schon immer ein totaler Friedhofsjunkie, als ich kürzlich mehrere Wochen durch Russland und Lettland reiste, war ich auf ganz vielen Friedhöfen, ich finde das total spannend. Deswegen würde mir bei „unserem“ Friedhofsareal sofort auffallen, dass es anders ist als gewöhnliche, die meisten Menschen erkennen das allerdings, glaube ich, nicht. Man sieht auf den ersten Blick ja nicht, dass das Areal für lesbische Frauen gedacht ist. Eine Infotafel ist aber in Planung.
Wir bekommen generell sehr positives Feedback von den Anwohnerinnen und Anwohnern des Prenzlauer Bergs. Auf dem Areal gibt es zwei Bänke, die oft genutzt werden, und wenn wir am Gärtnern sind, werden wir oft darauf angesprochen. Das ist schön, schließlich freuen wir uns über noch mehr Öffentlichkeit und erklären gerne, was das ist und wer wir sind. Es kommen oft auch Leute, die begeistert sind; einige haben auch Geld gespendet. Zukünftig möchten wir die Nachbarn noch stärker integrieren.
Wie soll das aussehen?
Wir machen jedes Jahr um den 6. April, dem Tag unserer offiziellen Eröffnung, ein Fest. 2019 feiern wir fünfjähriges Bestehen, das wird besonders groß! An Ideen mangelt es uns jedenfalls nicht, höchstens an Kapazitäten. Wir betreiben unsere Form der lesbischen Friedhofskultur. Dazu gehört unter anderem auch, bei einem Picknick den Thermoskannenkaffee aus Porzellantässchen zu trinken. Außerdem feiern wir die Geburtstage der Verstorbenen und organisieren Lesungen, Workshops, Kreistänze und Konzerte. Und wir haben die Hoffnung, dass es bald auch ein Café geben wird.
Wir wollen, dass der Friedhof belebt ist und darin sind wir uns mit der Verwaltung einig, die das auch gut findet. Übrigens: Wir freuen uns immer über Feedback und Unterstützung, gleich, welcher Form. Dafür muss man auch nicht lesbisch sein.
Liebe Usah, ich danke dir für das Gespräch!
Gerne!
© Fotos: Ute Greiling