Prenzlauer Berg, ein Spielplatz für kulinarisch Experimentierfreudige: Im Tenzan Lab Berlin auf der Wörther Straße gibt es seit kurzem „rasiertes Eis“ – bitte was?
Wer bereits in Japan, Taiwan, Korea oder auf den Philippinen unterwegs war, bekommt womöglich bei diesem Begriff leuchtende Augen: Kakigōri-Eis. Menschen ohne Asien-Erfahrung hingegen wissen meistens wenig damit anzufangen und auch der Zusatz „shaved ice“ wirft nur noch mehr Fragen auf: Rasiertes Eis – was soll das denn bitte sein?
Was sich hinter der wunderlichen Süßigkeit versteckt, wollten wir genauer wissen und besuchten Maii Hamada, Mitarbeiterin im Tenzan Lab, in dem minimalistisch eingerichteten Laden im Kollwitzkiez. Dunkelgrau gestrichene Wände, ein paar Tische und Stühle, eine große quadratische Theke, mehr braucht es nicht: Das Eis steht hier ganz klar im Vordergrund.
Hinter Kakigōri – „Kaki“ heißt übersetzt Eis und „gōri“ abschaben – versteckt sich eine uralte Tradition, erklärt mir Maii, seit über 1.000 Jahren werde diese spezielle Art der Eiszubereitung in Asien durchgeführt und jedes Land habe seine eigene Version. In Berlin beziehe man sich auf die japanische Form der Herstellung, habe diese aber neu interpretiert: Während das Eis in Japan oft eher „crushed“, also bröckelig daherkommt, hat es im Tenzan Lab eine eindeutig fluffige Konsistenz – als ich probieren darf, fühlt es sich im ersten Moment an, als hätte ich in einen Schneeball gebissen, der sofort auf meiner Zunge zerschmilzt. Mein Gaumen kennt sich mit derlei Geschmäckern überhaupt nicht aus und ist zunächst über die seltsame Mischung überrascht, bevor sich die angenehme Süße von Kondensmilch und knallgrüner Matcha-Créme in meinem Mund ausbreitet und tatsächlich ein fluffiges Gefühl hinterlässt.
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Eiskugeln in Fußballgröße
Um diese flauschige Konsistenz zu erreichen, braucht es Zeit und Geduld. Da das Wasser aus den Berliner Leitungen viel zu hart ist, wird es zunächst gefiltert und dann bei niedriger Temperatur über einen Zeitraum von 48 Stunden gefroren. Das bewirkt, dass das Eis nicht milchig, sondern glasklar und durchsichtig aussieht. Später legt ein Mitarbeiter den Block auf die aus stabilem Eisen gefertigten Schneidemaschinen und raspelt mit einer massiven Kurbel kleine Stückchen ab – Schicht für Schicht und mit lautem Getöse füllt sich die Schale mit den Flocken. Anschließend wird das Ganze mit Kondensmilch und verschiedenen Toppings gesüßt, bis eine gefühlt Fußballgroße Kugel vor mir auf dem Tisch steht.
Eins wird sofort klar: Ein Kakigōri-Eis isst man nicht mal eben auf dem Weg zwischen Büro und Zuhause, diese Speise hat allein aufgrund ihrer filigranen Zubereitung und der eleganten Erscheinungsform mehr Aufmerksamkeit verdient als eine schnöde Kugel Milcheis im Hörnchen. „Wir versuchen eine neue Definition von Eiscréme zu erschaffen“, erzählt Maii und berichtet weiter, dass der Laden bei den Bewohnern des Kollwitzkiezes gut ankomme – gibt aber auch zu, dass nicht jeder etwas mit dem aufgemotzten Speiseeis anfangen kann: „Entweder man liebt es sofort – oder man hasst es!“
Prenzlauer Berg als Experimentierlabor
Auch wenn das japanische Eis auf der ganzen Welt bekannt ist und in anderen europäischen Ländern wie Frankreich und Spanien längst Popularität erreicht hat, ist das Tenzan Lab die erste Anlaufstelle in Deutschland. Prenzlauer Berg wurde dabei bewusst gewählt, denn hier gibt es eine große japanische Community – und überhaupt gilt der Stadtteil als besonders offen, nicht nur für die asiatische Küche, sondern auch für kulinarische Experimente. Wer die besondere Herausforderung sucht, wagt sich an eine Portion Sake-Kasu, also Eis mit Reiswein – ein Gaumenkitzel, der entweder große Freude oder verzerrte Gesichter hervorruft, weiß Maii. Leichter fällt der Einstieg mit der Sorte Matcha-Mascarpone, weil Matcha-Tee auch in Berlin gern getrunken wird und weniger Überraschungen bietet. Noch stärker an das klassische Eis in der Waffel angelehnt sind harmlose Sorten mit Ananas, Himbeere oder Mango, die vor allem bei den kleinen Besuchern sehr gut ankommen.
Dass eine Portion Kakigōri-Eis mit mindestens 7 Euro zu Buche schlägt, mag auf den ersten Blick teuer wirken. Doch die aufwändige Herstellung vor Ort, die ausgefallenen Zutaten in Bio-Qualität und natürlich nicht zuletzt der ungewöhnliche, aber absolut überzeugende Geschmack machen das japanische Eis zu einer definitiv interessanten Abwechslung in diesem Sommer!
Tenzan Lab Berlin
Wörther Straße 22, 10405 Berlin
Geöffnet Dienstag – Sonntag 13-20 Uhr