Prenzlauer Berg ist nicht mehr das, was es mal war? Stimmt – aber nicht überall! Wir haben für Euch 10 Orte ausgegraben, an denen sich schon lange nichts mehr verändert hat.
1. Kohlenquelle
Der wunderbar schäbige Gebäudeblock an der Kopenhagener Straße ist einer unserer erklärten Lieblings-Orte. Wie eine Fata Morgana steht die Kohlenquelle als Denkmal gewordene Zeitzeugin zwischen hübschsanierten Gleimkiez-Fassaden und mahnt: „So sah es hier mal überall aus!“ So trotzt sie seit einer gefühlten Ewigkeit allen Gentrifizierungsversuchen. Beim Anblick des legendären Graffiti-Monsters gegenüber der Fahrradbrücke kommt wahrer P-Berg-Nationalstolz auf.
2. Güterbahnhof Greifswalder Straße
Der Wind pfeift, irgendwo quietscht eine alte Metalltür, ein Präriebusch rollt durchs Bild und es erklingt eine schrille Mundharmonika – okay, wir dichten jetzt ein bisschen dazu. Der Güterbahnhof Greifswalder Straße hat trotzdem was von Western-Kulisse. Wem die Entwicklungen in unserer beschleunigten Zeit zu schnell gehen, wer sich nach etwas Stillstand sehnt, dem sei das olle Brachland wärmstens ans Herz gelegt: Denn hier passiert seit Jahren absolut überhaupt nichts. Außer vielleicht, dass das Gelände langsam immer mehr vergammelt. Wohnungen oder irgendetwas, das für mehr als nur ein paar Skater nutzbar wäre, wird hier mit allergrößter Wahrscheinlichkeit auch in den nächsten Jahren nicht entstehen – nichts gegen Skater. Warum nicht, haben wir hier ausführlich recherchiert.
3. Bäckerei Hacker
Nichts ist so typisch Prenzlauer Berg wie ein Splitterbrötchen aus der Bäckerei Hacker. Ob es die Teile schon seit 1896 gibt, wissen wir nicht genau. Jedenfalls aber wurde die Bäckerei in der Stargarder Straße in diesem Jahr eröffnet. 1970 übernahmen die Hackers das Geschäft. Der jetzige Bäckerchef Thomas Hacker begann dort seine Lehre und leitet den Laden nun schon seit 1985. Neben den Splitterbrötchen ist die Bäckerei Hacker für Kekse und Blechkuchen im Dinosaurier-Format berühmt. Wer noch nie bei Hacker’s war, ist kein wahrer Prenzlauer Berger.
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4. Antiquariat Geisterschmiede
Das Antiquariat Geisterschmiede in der Prenzlauer Allee wirkt so, als sei es schon seit Ewigkeiten in der Prenzlauer Allee zu ansässig – dabei ist der Laden dort „erst“ 11 Jahre alt. Davor war die Geisterschmiede 10 Jahre in der Senefelder Straße zu Hause. Der absolute Oldie des Buchladens ist das gelbe Bücher-Schild, das draußen an der Fassade auf die hier angebotene Ware hinweist: Es stammt von 1947, Inhaber Markus Reinhardt hat es einst an einem alten Geschäft in der Fasanenstraße abgebaut und von einem Spezialisten für Glasbläserei restaurieren lassen. Und drinnen? Türmen sich die Bücherstapel bis zur Decke. „Is‘ bisschen voll hier“, lacht Reinhardt. „Wir wollten eigentlich umziehen, aber das ist ja bei den Mieten heute unmöglich.“ Da muss die Geisterschmiede wohl bleiben, wie sie ist – am besten für immer!
5. Volkspark Prenzlauer Berg
Unglaublich, aber wahr: Prenzlauer Berg hat einen Volkspark – und es ist nicht der Friedrichshain! Das Beste daran: niemand kennt ihn. Selbst eingefleischte Ur-Prenzlauerberger aus der Redaktion mussten zugeben, noch nie dort gewesen zu sein. Im Volkspark tummelt sich seit Jahrzehnten Busch an Busch zu einem urwaldähnlichen Dickicht zusammen, das im ganzen Leben noch nie eine Heckenschere des Grünflächenamts gesehen zu haben scheint. Zur Krönung gibt es oben auf dem P-Berg angekommen den Ausblick auf diese karge Prärie-Landschaft vor Hohenschönhausener Plattenbauten. Wir sagen: Wenn der namensgebende Park unseres Stadtteils mehr Street Credibility hat als alle Berliner Rapper zusammen, ist Prenzlauer Berg immer noch verdammt cool.
6. Die authentischste Tür von Prenzlauer Berg
Diese Tür ist so Oldschool wie sonst keine: Da steht sie, Tag für Tag, und repräsentiert den Stil längst vergangener Zeiten. Wir fühlen uns bei ihrem Anblick immer direkt in einen DDR-Fernsehfilm katapultiert. Wer errät, wo sie zu finden ist? Genau, auf der Schönhauser Allee gleich neben dem (sehr un-authentischen) Café Balzac.
7. Kettwurst forever
Unweit unserer Lieblingstür befindet sich ein wahres Juwel der Prenzlauer Berger Gastro-Szene: Die Kettwurst-Bude der Herzen. Hier werden schon mindestens seit der Französischen Revolution Rote Würste in schaumgummiartige Brötchenhüllen gestopft. Verfeinert wird die Delikatesse von einer unverkennbaren, rötlich-wässrigen Soße, die irgendwo zwischen Ketchup und Gulaschsuppe pendelt. Nagut, eine Neuerung gibt es: Die Wurst kann heutzutage auch aus Bio-Tier bestellt werden. Wir verneigen uns vor der Kettwurst und hoffen, das Wurstessen möge bis in alle Ewigkeit so weitergehen.
8. Bornholmer Hütte
In der Bornholmer Hütte ist die gute alte Zeit lebendig – samt historischer Kegelbahn und Gründerzeit-Tresen. Seit über 100 Jahren wird hier getrunken, geraucht und der wichtigste Kiez-Klatsch ausgetauscht. Die Familie Gehrhus betreibt die Bornholmer Hütte seit 1954. „Das letzte Mal wurde hier 1977 in hellbeige gestrichen. Dass es jetzt braun wird, das ist angeraucht“, konstatiert Kneipenchef Matthias der Legende zufolge gerne. Darauf ein kühles Schultheissbier!
9. Hotte’s Späti
Ein Späti wie aus einem alten Bilderbuch ist in der Choriner Straße zu finden, betrieben wird er von der Kiez-Legende Hotte. Die Eingangstür im efeubewachsenen Gebäude führt geradewegs in ein nostalgisches Wunderland: Alte Werbeschilder, Kuchenvitrine und Bonbongläser erstrahlen hier im pittoresken Charme eines Tante-Emma-Ladens. Im Raum verteilt und im Sommer auch vor der Tür stehen Holztische und -stühle, denn bei Hotte kauft man nicht bloß ein, hier isst man auch belegte Schrippen, trinkt ein Bier und hält einen Plausch mit der Nachbarschaft.
10. Wilhelm Müller’s Wäschehof
Trotz Sanierungswut und Fassadendämmung gibt es immer noch ein paar historisch abgeranzte Häuserfassaden in Prenzlauer Berg. Manchmal sind sogar noch die Schriftzüge der Unternehmen zu erkennen, die hier einst ihren Sitz hatten – so wie bei Wilhelm Müller’s Wäschehof in der Pappelallee. Wir sind uns nicht ganz sicher, ob es sich dabei um eine Wäscherei oder ein Unterwäschegeschäft handelte. Der Schriftzug als Denkmal des alten Prenzlauer Berg sollte trotzdem bewundert werden, solange es ihn noch gibt.