Joe Hatchiban Mauerpark-Karaoke

Mauerpark-Karaoke expandiert nach London

von Constanze Nauhaus 16. Mai 2018

Das Mauerpark-Karaoke geht ins zehnte Jahr. Zum Saisonstart winkte eine Geduldsprobe namens „waiting for city permits“. Karaoke-Legende Joe Hatchiban expandiert derweil nach London.

Am Anfang musste Joe Hatchiban noch richtig Überzeugungsarbeit leisten: niemand traute sich, zu singen. Das ist bekanntlich längst Geschichte, das Mauerpark-Karaoke legendär und weit über Prenzlauer Berg hinaus zum Touristenmagnet und Aushängeschild für die Berliner Feierkultur geworden. Heute ist die Warteliste praktisch in den ersten zehn Minuten voll und die passionierten Hobby-Sängerinnen und -sänger warten manchmal stundenlang auf ihren großen Auftritt.

 

„Waiting for city permits“

Ausgerechnet im zehnten Jahr seines Bestehens hat es länger als je zuvor gedauert, bis das allsonntägliche Spektakel endlich genehmigt war:  Am letzten Wochenende konnte Joe Hatchiban, der im wirklichen Leben Gareth Lennon heißt, zum ersten Mal in diesem Frühling seine portablen Lautsprecher im Amphitheater im Mauerpark aufbauen. Dabei war das Wetter schon im April oft blendend, ironischerweise immer wieder sonntags. Doch der Freude über den Frühlingsanfang musikalisch ritualisiert Ausdruck verleihen – Fehlanzeige. Woche für Woche mussten die Karaoke-Fans – man möchte fast sagen Jünger – die Ansage hinnehmen: Heute leider noch nicht – „waiting for city permits“.

Die „city“ in Gestalt des Pankower Bezirksamtes habe ihn in diesem Jahr lange auf die Genehmigung warten lassen, so Lennon. Gleichzeitig drohe das Amt regelmäßig mit 5.000 Euro Strafe , sollte er ohne Genehmigung spielen. Nachzulesen ist das auf der Facebook-Seite des Mauerpark-Karaoke. Dort hieß es deshalb mehrmals: „Leute, sorry, heute noch kein Karaoke. Genießt Euren Sonntag!“

 

Stadtrat: „Antrag wurde zu spät gestellt“

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Baustadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) sieht keine Verzögerung beim Bezirksamt: „Die Genehmigung ist letzten Freitag erteilt worden“, bestätigt er.  Obwohl der Veranstalter die notwendigen Angaben „wieder mal auf den letzten Drücker“ geliefert habe. Auf den letzten Drücker? „Im Februar habe ich den Antrag gestellt“, erzählt Gareth Lennon beim Kaffee im Kiez. Das sei doch ausreichend, wenn es wie in den vergangenen Jahren im März oder April losgehen soll. Außerdem: „Die haben mich ja auf dem Radar im Bezirksamt“, so der gebürtige Ire, „der alljährliche Antrag für die Mauerpark-Karaoke ist ja keine Überraschung, you know.“ Im letzten Jahr bekam er die Bestätigung nach drei Tagen. Allerdings zunächst nur provisorisch bis Ende Mai, da dann die Bauarbeiten für den Stauraumkanal losgehen sollten. So hieß es zwischenzeitlich sogar: Von Juni ’17 bis Ende ’19 gar keine Karaoke.

Dass sich der Start der Bauarbeiten dann bis November hinzog, war ein Glück für Lennon und all seine Fans, denn so konnte die Saison durchgegrölt werden. Doch in diesem Jahr ist die Baustelle Realität, und vor der Erteilung irgendeiner Genehmigung wollte das Bezirksamt auf Nummer sicher gehen, dass die Fluchtwege für eventuelle Rettungsmaßnahmen ausreichen. „Ich denke, die wollten eine ganz konkrete Vorstellung der Lage vor Ort haben“, sagt Lennon, für den Fall der Fälle.

Immer wieder sonntags... (Bild: PBN)

Immer wieder sonntags… (Bild: PBN)

 

„Alles möglich im Mauerpark“

Die bekamen sie dann auch, von den Berliner Wasserbetrieben. „Ob da jetzt 2.000 Leute grillen oder 1.000 Leute organisiert im Amphitheater sitzen – das macht doch keinen Unterschied“, sagt Sprecher Stephan Natz und will signalisieren: Wir stören hier keinen. Bei der Planung der Baustelle sei ja berücksichtigt worden, dass der Mauerpark ein vielbesuchtes Örtchen ist. Zwar versperrt die Baustelle am Haupteingang einen Großteil desselben, jedoch ist der Weg zwischen Baustelle und Mauersegler sogar „schwerlastbefahrbar“ und somit ausreichend für größere Menschenansammlungen. Und Rettungswagen haben auch Zufahrt über die Max-Schmeling-Halle. Zudem gibt es auf der anderen Seite, neben der Hundewiese, sowie hinten zur Gleimstraße jeweils einen Weg – „insofern ist im Mauerpark alles möglich“. Das habe er kürzlich auch so in einem Brief ans Bezirksamt formuliert – vermutlich habe Kuhn dem Mauerpark-Karaoke daraufhin das finale Ja-Wort gegeben.

Allerdings: „Höchstens  an zwei Wochenenden im Sommer muss die Karaoke mal ausfallen“, so Natz, denn: In wenigen Wochen beginnt der eigentliche Tunnelbau. Dann bohrt sich die riesige Tunnelbohrmaschine in zehn Metern Tiefe von der Bernauer Straße die Schwedter Straße entlang vor bis zum Gleimtunnel. „Wir schaffen etwa zehn Meter am Tag, und jeden Tag wird ein kleines Bauzaun-Geviert anzeigen, wo sich der Kopf der Maschine gerade befindet“, erklärt Natz. Zur Absicherung könne dann an ein oder zwei Sonntagen, wenn sich die Maschine gerade am Amphitheater entlangbohrt, keine Karaoke stattfinden – wegen Versackungsgefahr. „Dass da was passiert, ist extrem unwahrscheinlich, es ist lediglich die Versicherung der Versicherung der Versicherung.“ Versackungsgefahr? Besteht im Mauerpark vor allem bei schönem Wetter ja eigentlich immer.

 

Fête de la Musique kann stattfinden

Bedenken gibt es im Bezirksamt aber hinsichtlich „echter“ Großveranstaltungen, in nächster Zukunft betrifft das die Fête de la Musique am 21. Juni: Ein Riesenevent wie im letzten Jahr wird diesmal nicht möglich sein. „Es müsste eigentlich ein Sicherheitskonzept bei Großveranstaltungen vorliegen“, so Stadtrat Kuhn. „Da wir das nicht leisten können und die Landesebene sich raus hält, werden wir keine Großveranstaltungen bis auf weiteres dort zulassen können.“ Heißt konkret: Die Fête de la Musique kann, wenn es nach Stephan Natz geht, zwar auch in diesem Jahr im Mauerpark stattfinden – wegen der beengten Platzverhältnisse aber eine Nummer kleiner als sonst.

Nach zehn Jahren Mauerpark-Karoke ist Lennon praktisch nicht mehr aus der Ruhe zu bringen, auch nicht von der ganzen Bürokratie. Er expandiert jetzt erstmal nach London: Ab Juni findet das Karaoke einmal monatlich in den Vauxhall Pleasure Gardens am Südufer der Themse statt. Übrigens: Während Lennon an Pankow Geld abdrückt für sein Mauerpark-Karaoke, die er mit den Spenden immerhin decken kann, bekommt er für seine Londoner Auftritte Honorar – vom dortigen Bezirk. Los geht‘s am 9. Juni. Moment – an einem Sonnabend? London statt Mauerpark? „No“, verspricht Lennon. „Am Sonntag bin ich dann natürlich wieder in Berlin.“

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