Güterbahnhof Greifswalder Straße

Blockieren und schweigen

von Kristina Auer 22. März 2018

Die Linke findet es unwichtig, ob an der Greifswalder Straße neue Wohnungen entstehen oder nicht. Dabei könnte sie entscheidend darauf Einfluss nehmen, was und für wen hier gebaut wird. Sieht so der versprochene Kampf gegen die Wohnungsnot aus?


Wenn ich das nächste Mal eine bezahlbare Wohnung brauche, kann ich es mal am Stadtrand probieren. Mit viel Glück in ein paar Jahren vielleicht auch in der Michelangelostraße. Am Güterbahnhof Greifswalder Straße jedenfalls, soviel scheint klar, wird noch lange kein neuer Wohnraum entstehen. Linke und SPD, die zwei größten Parteien der Pankower rot-rot-grünen Zählgemeinschaft, halten das Grundstück für unbedeutend in Sachen Wohnungsbau.

 

Lieber nutzloser Gammelbahnhof als Wohnungen?

Aber warum eigentlich? Das alte Bahnhofsgelände nützt in seinem jetzigen Gammelzustand wirklich niemandem, der Boden ist schon versiegelt und große Baumbestände müssten für neue Wohnungen auch nicht gefällt werden, höchstens etwas Gestrüpp. Dazu kommt, dass es mit S-Bahnhof und Tramhaltestellen schon sehr gute Verkehrsanbindungen gibt. Um die soziale Infrastruktur auf dem geplanten Schulcampus muss man sich kümmern.

Klar, am besten für das Gemeinwohl wäre es, wenn das gesamte Areal dem Land und nicht in Teilen privaten Investoren gehörte.  Die Chance dafür hat der Bezirk vor sieben Jahren verpasst. Ob überhaupt Geld für den Kauf da gewesen wäre, ist fraglich. Im Nachhinein aber lässt sich an Besitzverhältnissen nun mal nicht mehr viel drehen. In einem kombinierten Projekt aus landeseigenen und privaten Flächen könnte wenigstens ein gut durchmischtes Wohngebiet entstehen.

 

Blankenburg oder Prenzlauer Berg? Mir nicht egal…

Stimmt, die Wohnungsnot kann schon mal als Totschlagargument für die Rechtfertigung jedweden Bauprojekts missbraucht werden. Am Güterbahnhof Greifswalder Straße könnte der Bezirk aber tiefgreifend Einfluss darauf nehmen, was und für wen gebaut wird. Ein Bebauungsplan müsste her. Das bedeutet zwar bürokratischen Aufwand, aber auch: Es wird genau festgelegt, wie viele und welche Art von Wohnungen dort entstehen. Der Investor wäre laut Berliner Modell verpflichtet, ein Viertel Sozialwohnungen zu bauen, die Gewobag könnte auf den landeseigenen Flächen einen noch höheren Anteil schaffen.

Die Ansicht, ein Bauprojekt wie das am Güterbahnhof habe keine Priorität, ist ein Schlag ins Gesicht der Wohnungssuchenden. Selbst wenn nur 300 statt der ursprünglich geplanten 600 Wohnungen gebaut würden: In Zeiten, in denen Berlin pro Jahr 20 000 Wohnungen braucht, ist kein Bauvorhaben in dieser Größenordnung irrelevant. Schon gar nicht in Prenzlauer Berg, wo außer an der Michelangelostraße sonst nirgends mehr Platz ist.  Mir ist es jedenfalls nicht egal, ob ich meine nächste Wohnung in Blankenburg oder in Prenzlauer Berg finde, wenn ich aus welchen Gründen auch immer irgendwann umziehen muss.

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Kein Kommentar

Ihren Bürgern zu erklären, was gegen Wohnungen auf dem Güterbahnhof spricht, hält die Linke offenbar auch nicht für nötig. Dabei tönt das Wort „Bürgernähe“ doch gerade wie ein Mantra aus aller Munde. Bürgermeister Sören Benn (Linke) hatte es sich im Wahlkampf 2016 zum wichtigsten Ziel gesetzt, aus Pankow einen bürgernahen Bezirk zu machen. Auf die Frage, was eine wünschenswerte Entwicklung des Areals zwischen Lilli-Henoch-Straße und S-Bahn-Trasse wäre, reagierten Benn und seine Pankower Parteikollegen auch auf mehrfache Anfrage mit vehementem Schweigen. Das erweckt den Eindruck, das schlagkräftige Argumente fehlen.

Im Laufe dieser Recherche habe ich den Eindruck bekommen, dass es sich bei der Ablehnung der Bebauung auch um Antipathien den Investoren gegenüber handelt. Man will es ihnen am Güterbahnhof auf keinen Fall Recht machen, so scheint es. Für das Misstrauen gibt es Gründe: Weder Christian Gérôme noch die Sanus AG, beides Eigentümer der Greifswalder Bahngelände GmbH, sind bei früheren Projekten als Wohltäter mit hohem sozialen Verantwortungsgefühl aufgefallen. Die Frage wäre dann aber: Sollten es sich unsere Entscheidungsträger erlauben, in diesen Zeiten aufgrund von gefühlsmäßigen Widerständen Wohnungen zu verhindern, oder wäre mehr Pragmatismus im Sinne der Allgemeinheit angebracht?

Vielleicht gibt es ja auch noch ganz andere Gründe, warum am Thälmannpark derzeit nichts voran geht. Möglicherweise kommt der Bezirk mit der Planung so vieler Wohnungsbauvorhaben wie in Blankenburg, Buch oder der Michelangelostraße auch einfach nicht hinterher. Trotzdem: Wenigstens Transparenz wäre eine Bezirkspolitik, die sich Bürgernähe auf die Fahnen geschrieben hat, den Wählerinnen und Wählern schuldig.

 

*Kristina Auer wollte eigentlich nur ein Pro-und-Contra-Interview zur Bebauung am Thälmannpark mit Investor Gérôme und Bürgermeister Benn führen. Leider wollte er nicht und auch sonst niemand aus seiner Partei mit ihr reden oder auch nur schriftliche Fragen beantworten. So wurde aus einer Interviewanfrage eine monatelange Recherche und aus einer Pro- und Contra-Debatte der Themenschwerpunkt Güterbahnhof Greifswalder Straße:

 

Teil 1: Chronologie des Stillstands – was die letzten Jahre alles NICHT passiert ist.

Teil 2: Was Ihr tun würdet – die Entscheider können sich nicht einigen, also haben wir Euch gefragt, was am Güterbahnhof passieren soll.

Teil 3: Wer will hier eigentlich was ? – Versuch einer Übersicht über unterschiedliche Positionen.

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