Der deutsche Ableger von Airbnb muss dem Land Berlin keine Auskunft über anonyme Inserate geben – das hat das Verwaltungsgericht am Mittwoch entschieden. Zum Ärger des Bezirks Pankow.
„Unter anderem ein Stefan“, sagt die Vorsitzende Richterin mit Blick in ihre Akten und schmunzelt dann kaum merklich in Richtung Saal. Um diesen Stefan und viele andere Berlin-Touristen geht es an diesem Mittwochmorgen im Berliner Verwaltungsgericht, denn dieser „Stefan“ hat bei einer „Dajana“ in Prenzlauer Berg gewohnt – zwei Zimmer, Nähe Greifswalder, für ein paar Tage, 50 Euro pro Nacht und Nase. Er und noch mindestens zwei andere Gäste bewohnten Dajanas gesamte Unterkunft in einem Zeitraum von drei Monaten, wie aus den Kommentaren unter dem Inserat hervorgehe – für den Bezirk Pankow eindeutig ein Fall von Zweckentfremdung. Und ob es sich bei „Stefan“ und „Dajana“ wirklich um „Stefan“ und „Dajana“ handelt oder vielleicht um Horst und Gisela, und wieviel Stefan bezahlt hat – all das will das Land Berlin gern vom deutschen Ableger der Ferienwohnungs-Plattform Airbnb wissen. Diese will es aber nicht sagen und hat gegen das Auskunftsverlangen geklagt. Und Recht bekommen.
„Technisch einfach nicht möglich!“
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Dass Internetportale dem Land Berlin anonyme Inserate zu Ferienwohnungen offenlegen müssen, dem stimmt zwar auch das Verwaltungsgericht zu. Und auch dem Umstand, dass das konkrete Angebot Anlass für ein Auskunftsverlangen gebe – schließlich sei auch die tageweise Vermietung der Hauptwohnung während eigener Abwesenheit genehmigungsbedürftig. Allerdings sei nicht die deutsche Niederlassung des irischen Unternehmens die richtige Adressatin für das Bezirksamt Pankow, das das Land Berlin vor Gericht vertreten hat. Sondern der irische Mutterkonzern als Betreiber der Plattform. Damit bleibt das Gericht bei seinem Urteil von vorigem Juli, wo im Eilverfahren bereits über diesen Fall verhandelt wurde. Eine Auskunft zu Nutzerdaten sei „technisch einfach nicht möglich“, versicherte einer der beiden Anwälte von Airbnb. Airbnb Germany sei nur eine Niederlassung, habe aber keinerlei Zugriff auf die Nutzerdaten, habe keine „Funktionsherrschaft“.
Technisch nicht möglich? Im Saal wird gekichert. Es klingt auch wirklich absonderlich, dass in der www-Welt des 21. Jahrhundert etwas technisch nicht möglich sein soll. „Das ist ein Unort, dieses Internet!“, ruft Peter Weber, Sachbearbeiter beim Bezirksamt Pankow, etwas unwirsch aus, ein beinah emotionaler Ausbruch in einer trockenen Definitionsschlacht über Telemedien, Diensteinformationsgesellschaften, niedergelassene Dienstanbieter und Wirtschaftsmittelpunkte. „Wir sind nicht der Dienstanbieter“, wiederholt der Anwalt des Unternehmens. „Wir, also die deutsche Niederlassung von Airbnb, haben keinen Zugriff auf Nutzerdaten.“ Fast gibt sich die Klägerpartei erstaunt, warum ausgerechnet sie dem Land Berlin Rechenschaft ablegen sollte.
Soll das Bezirksamt Scheinbuchungen durchführen?
Richterin Rautgundis Schneidereit lächelt die Kläger an: „Sie zu fragen, liegt ja zunächst auf der Hand. Oder soll das Bezirksamt Scheinbuchungen durchführen? Das kann ja auch nicht in Ihrem Sinne sein.“ 2014, bevor das Zweckentfremdungsverbot in Kraft trat, habe es noch Bilder von den Häuserfassaden gegeben, auch sei die Karte fast hausnummerngenau gewesen, sagt Marco Schaum, Fachbereichsleiter der Arbeitsgruppe Zweckentfremdung beim Bezirksamt Pankow. Das sei mittlerweile nicht mehr so, bei jedem Inserat komme nun als Standort „faktisch ganz Pankow“ in Frage. Stimmt nicht, wird protestiert, auf der Seite hat sich nichts geändert.
Ändern wird sich nach diesem Urteil für Airbnb auch sonst nicht viel. Ob sich das Bezirksamt nach dieser Schlappe nun wirklich an das irische Airbnb-Mutterunternehmen wenden wird, bleibt abzuwarten – nach deutschem Recht dort Auskunft zu verlangen, könnte sich als eher schwierig gestalten. Einfacher wird der Kampf der Verwaltung gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum so sicher nicht – in Pankow etwa hat der Bezirk dafür sechs Mitarbeiter. Auf etwa 20.000 bis 30.000 schätzt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die Anzahl von Ferienwohnungen in Berlin, nach Zahlen von 2014 liegen etwa 6.000 davon in Pankow. Erst im Februar beschloss der Senat eines Gesetzesnovelle, derzufolge man die private Hauptwohnung für 60 Tage pro Jahr vermieten kann – allerdings nicht, ohne vorher das Bezirksamt informiert zu haben. Und nach Berichten des „Tagesspiegel“ besserten die Koalitionsfraktionen die Reform, die ab Mai in Kraft treten soll, noch einmal nach: Zweit- und Drittwohnungen sollen bis zu 90 Tage im Jahr vermietet werden dürfen.