„Die Puppen erlösen mich von meinem Ich“, sagt Suse Wächter. Ab Donnerstag gibt die Puppenspielerin wieder ein Heimspiel im Ballhaus Ost.
„Die Leute machen immer zwei Handbewegungen, wenn sie hören, was ich mache“, sagt Suse Wächter und lacht. Dann ahmt sie zuerst einen Marionettenbewegung nach und dann zwei Handpuppen in Kaspertheater-Manier. Wächter ist eine der bekanntesten Puppenspielerinnen Deutschlands, seit über 25 Jahren erweckt sie ihre selbstgebauten Figuren zum Leben, meist auf großen Theaterbühnen. Mit Kaspertheater hat das herzlich wenig zu tun. Genausowenig mit Kindern.
Adolf Hitler, Gott und ein Penis
Suse Wächter sitzt am Küchentisch in ihrer Wohnung in der Kopenhagener Straße und trinkt Kaffee. Seit 1989 lebt sie in Prenzlauer Berg, einige Unterbrechungen hat es gegeben. Zum Beispiel war sie zwei Jahre lang mit dem Zirkus unterwegs, bevor sie 1992 ihr Studium an der Schauspielschule Ernst Busch begann.
Und auch jetzt sind Koffer und Kisten wieder gepackt, am nächsten Tag geht es für ein Engagement nach Wien. Im Nebenzimmer lagern viele ihrer selbst gebauten Puppen – über 100 von ihnen hat sie über die Jahre erschaffen. Die Figuren sind aus Stoff, Schaumstoff, Gummi und verschiedensten anderen Materialien, die Charaktere reichen von berühmten Persönlichkeiten wie Sigmund Freud über Gott höchstpersönlich oder einem Baby bis hin zu einem Penis, der aus der Eichel spricht. Berühmt ist Wächters Nummer mit der Hitler-Puppe, die Grönemeyers „Flugzeuge im Bauch“ zum Besten gibt. „Ich kann mir alles bauen, was ich sein will“, sagt Wächter.
Teils lebensgroß sind die Puppen, die Wächter mit vollem Körpereinsatz spielt – manche mit Händen und Füßen, manchmal mit einer weiteren Spielerin gemeinsam. „Das Magische“, fasziniert sie am Puppenspiel, „die Chance, Menschen zum Staunen zu bringen“. Schon als Kind baute sie sich ihre eigenen Puppen, in der Thüringischen DDR ihrer Kindheit gab es keine Puppen zu kaufen. Die mürrischen Opas Waldorf und Statler waren eine der ersten Kreationen des Muppet-Fans.
Erlösung vom Ich
Die meiste Arbeitszeit habe sie wohl mit Puppenbauen verbracht, erzählt Suse Wächter. Die Herstellung ist aufwendig, teils arbeitete sie drei Monate für eine Produktion. Inzwischen kann sie auf einen festen Stamm von rund 80 Puppen zurückgreifen, die teils für unterschiedliche Produktionen umgestaltet werden. Das Spiel mit Figuren statt mit dem eigenen Körper empfindet Wächter als Befreiung: „Ich bin von meinem Ich erlöst.“
Längst ist sie eine Meisterin ihres Handwerks und baut manchmal auch Puppen für andere Produktionen. Für Daniel Rosefeldts Filminstallation Manifesto, die in Berlin im Museum Hamburger Bahnhof zu sehen war, baute Wächter die Cate-Blanchett-Puppe.
„Orakel von Delphi“ im Ballhaus Ost
Suse Wächter liebt vielfältige Tätigkeitsfelder. Deswegen führt sie neben dem handwerklich komplexen Puppenbau und dem schauspielerisch komplexen Puppenspiel auch gerne Regie. Am Ballhaus Ost gibt sie ab Donnerstag zum zweiten Mal mit dem Stück „Das Orakel von Delphi“ ein Heimspiel in Prenzlauer Berg. Die Kollaboration mit dem Magier Manuel Muerte ist eine „Hommage an den Jahrmarkt und gleichzeitig eine Uminterpretation“, sagt Wächter. Es gehe um Verführung, Illusion und Manipulation. „Wir wollen die Zuschauer bei ihrer Lust am Staunen packen.“
Zu viel verraten will Wächter vorab nicht. Nur so viel: Im ersten Teil können sich die Zuschauer in einer Art Parcours frei bewegen. Die Interaktion mit dem Publikum ist für Wächter auch im zweiten Teil zentral, in dem Szenen gezeigt werden: „Jede und jeder wird im Orakel von Delphi etwas anderes erleben.“
„Das Orakel von Delphi. Jahrmarkt der Vernunft“ von Suse Wächter und Manuel Muerte, 15. | 16. | 17. | 18. Februar 2018 jeweils 20.00 Uhr im Ballhaus Ost, Pappelallee 15.