Im Zirkus von Prenzlauer Berg

von Kristina Auer 31. Januar 2018

Sebastian Kulkas Urgroßvater fing in der Bernauer Straße mit einem Wildschwein an, 1946 gründete sein Großvater den Zirkus Atlantik. In seiner Bar in der Danziger Straße wird die Familiengeschichte dokumentiert.


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Mit einem Wildschwein fing alles an: „Das gehörte meinem Urgroßvater und war in der Bernauer Straße in einem Käfig eingesperrt“, erzählt Sebastian Kulka. „Daran hing ein Beutel, in den die Leute ein paar Münzen werfen konnten, um sich das Schwein anzuschauen.“ In den 20er oder 30er Jahren muss das gewesen sein, sagt Sebastian.

 

Erster Familienzirkus 1946 gegründet

 

Aus den bescheidenen Anfängen entwickelte sich im Laufe des Jahrhunderts eine riesige Zirkusfamilie. Sebastian selbst ist unter die Gastronomen gegangen, aber viele seiner Cousins sind bis heute Artisten. Im letztes Jahr eröffneten Toast Hawaii in der Danziger Straße dokumentiert er die Familiengeschichte und hat ein regelrechtes Zirkusmuseum zusammengetragen.

Vom Eingangsbereich bis in den Keller hinunter ist die Bar mit alten Familienfotos und Erinnerungsstücken gepflastert . Die meisten berichten vom Zirkus Atlantik, den Sebastians Großvater 1946 gegründet hat. Seine 9 Kinder, darunter Sebastians Mutter, wuchsen alle zu Zirkusartisten heran. Da gab es feuerspuckende Fakire, die Schlangen zähmten, Clowns, Jongleure, Löwendompteure und vieles mehr. Sebastians Mutter war berühmt für den Lawinensturz, bei dem sie sich aus sieben Metern Höhe von der Decke des Zirkuszelts fallen ließ. Die Bärenkrallen, die in einer der Vitrinen zu sehen sind, sind ein typisches Erkennungszeichen der fahrenden Zirkusleute, erzählt Sebastian. „Wenn ein Bär starb, behält man die Krallen, viele tragen sie um den Hals.“

 

In der DDR dreimal enteignet

Während der DDR hatte es Sebastians Familie schwer. Private Zirkusse waren dem Staat ein Dorn im Auge, sie wollten keine Konkurrenz zu den eigenen Staatszirkussen. „Mein Großvater wurde dreimal enteignet und musst jedes Mal wieder neu anfangen“, berichtet Sebastian. Etwas anderes zu machen, sei für ihn nicht in Frage gekommen. Als besonders schlimme Geschichte erzählt man sich bei den Kulkas bis heute die Geschichte, wie unbekannte Handlanger eines nachts die zehn Löwen frei ließen, um den Zirkus zu sabotieren. „Dann mussten alle wie die Irren hinterherrennen, um sie wieder einzufangen, denen war in dem Moment gar nicht klar, wie gefährlich das war“, erzählt Sebastian.

1978 löste sich der Zirkus Atlantik auf. Sebastians Eltern entschlossen sich zu einem „normalen“ Leben für ihre Kinder und zogen ins Brandenburgische Forst. Die übrigen Familienmitglieder verteilten sich auf Zirkusse in ganz Europa, mit ihnen verbrachte Sebastian die Wochenenden und Schulferien.

 

„Politik bleibt draußen und alle sind gleich“

 

Löwen, Schlangen und Bären gibt es im Toast Hawaii keine, dafür aber Drag Queens, die Burlesque tanzen und Porno-Karaoke. An den Wochenenden wird die Bar zum Club, Platz zum Tanzen gibt es genug. Sebastian und seine vier Partner, die außerdem die Bar zum starken August in der Schönhauser Allee betreiben, haben Zirkus für sich neu definiert: „Für uns ist es ein Ort der bunten Farben und Fröhlichkeit, wo alle gleich sind und die Politik draußen bleibt“, sagt Sebastian. Und das funktioniere in den beiden Bars auch einwandfrei: „Bei uns ist es sehr harmonisch.“

Seine Zirkussammlung möchte Sebastian stetig erweitern. Vielleicht könnte so mit der Zeit tatsächlich ein kleines Museum entstehen. „Wir haben schon darüber nachgedacht, das auch für Schulklassen zugänglich zu machen“, erzählt Sebastian. Schließlich wird es fahrende Zirkusse wie den seines Großvaters wohl nicht mehr lange geben. Im Toast Hawaii hat man ihnen ein Denkmal gesetzt.

 

Toast Hawaii, Danziger Straße 1, 10435 Berlin; geöffnet Mi-So ab 20 Uhr.

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