Belforter 16 Vorkaufsrecht

Pro und Contra Vorkaufsrecht

von Kristina Auer 18. Januar 2018

Pankows Politiker streiten sich über das Vorkaufsrecht: Die Einen sind stolz, es endlich angewendet zu haben. Risikoreich und unnötig finden es die Anderen.

Das Pankower Bezirksamt ist stolz: Im Dezember hat es erstmals den Beschluss gefasst, in der Belforter Straße 16 sein Vorkaufsrecht bei Immobilienverkäufen auszuüben. Das Haus mit 20 Wohnungen soll anstatt an einen privaten Investor an die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Gewobag gehen. Bereits Anfang Januar hat das Bezirksamt den Vorgang per Pressemitteilung vermeldet. Der Beschluss wurde den Bezirksverordneten in der Sitzung am Mittwochabend vorgelegt.

 

Gewobag zahlt höheren einstelligen Millionenbetrag

 

Zum aktuellen Stand des Verfahrens sagte Stadtentwicklungsstadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) den Prenzlauer Berg Nachrichten: „Die Gewobag als Drittkäufer hat per Aufsichtsratsbeschluss dem Ankauf zugestimmt, der Bescheid wurde fristgerecht Ende letzten Jahres an Verkäufer und Käufer zugestellt. Der Verkäufer hat der Ausübung des Vorkaufsrechts bereits schriftlich zugestimmt, der ursprünglich vorgesehene Käufer hat Widerspruch eingelegt.“ Zum genauen Kaufpreis könne er aus rechtlichen Gründen keine genauen Angaben machen, so Kuhn. Es handle sich aber „um einen höheren einstelligen Millionenbetrag.“ Finanziert wird der Kauf aus Eigenmitteln der Gewobag und einem Zuschuss des Landes in Höhe von 10 Prozent. Der Bezirk selbst trägt keine Kosten.

Trotzdem passt der Gebrauch des Vorkaufsrechts nicht allen Mitgliedern der Bezirksverodnetenversammlung (BVV). Besonders die CDU-Fraktion hat sich als vehemente Vorkaufsrechts-Gegnerin erwiesen. Der Nutzen für die Allgemeinheit sei nicht klar, außerdem hält die Fraktion das politische Werkzeug für rechtlich angreifbar.

Hintergrund ist ein Urteil des Berliner Landgerichts vom April 2017. Demnach darf das Vorkaufsrecht nicht angewendet werden, wenn für das Gebiet ein Bebauungsplan existiert. Außerdem stellte das Gericht die Ermittlung des Verkehrswerts in Frage. Die Senatsverwaltung hat Berufung eingelegt, ein endgültiges Urteil gibt es noch nicht. In einem Antrag vom November 2017 hatte die Pankower CDU-Fraktion gefordert, das Vorkaufsrecht in Pankow bis zur rechtlichen Klärung generell nicht mehr anzuwenden. Die rot-rot-grüne Zählgemeinschaft lehnte ab.

 

Kuhn: Vorkaufsrecht schützt vor Verdrängung

 

In einer großen Anfrage wollte die CDU-Fraktion erfahren, wie das Bezirksamt sein Vorgehen begründet. Mit dem Kauf des Hauses durch die Gewobag würden die erhaltungsrechtlichen Ziele im Milieuschutzgebiet Kollwitzplatz umgesetzt, sagte Kuhn. Gemeint sind die Zusammensetzung der Bevölkerung sowie die Beschaffenheit des Wohnraumes. Das Vorkaufsrecht schaffe in diesem Fall zwar nicht mehr Wohnraum für die Bevölkerung, verhindere aber den Wegfall. Durch den Anbau von Balkonen, Fahrstühlen und einer Wärmedämmung hätte der neue Eigentümer die Mieten drastisch erhöhen können. Auch über die Aufteilung in Einzeleigentum hätten Bewohner verdrängt werden können, so der Stadtrat. Der ursprünglich vorgesehene Käufer habe eine Abwendungserklärung, mit der solche Maßnahmen verhindert werden können, abgelehnt.

 

Nicht überzeugend waren diese Argumente für Johannes Kraft, der viele Anmerkungen hatte und schließlich eine heftige Diskussion hervorrief. Die CDU-Fraktion sah mehr Risiken als Nutzen. Wenn der ursprünglich vorgesehene Käufer Klage gegen den Bezirk erhebt, könnte das teure Gerichtskosten nach sich ziehen. Der Eingriff ins Privateigentum sei nicht gerechtfertigt, so Kraft. Seinen Berechnungen zufolge betrage der Anteil von Wohnungen in öffentlicher Hand etwa 20 Prozent der rund 8650 Wohnungen im Milieuschutzgebiet Kollwitzplatz. Das reiche aus.

 

„Nicht die Ersten, die das Vorkaufsrecht anwenden“

 

SPD-Fraktionschef Roland Schröder warf Kraft infolgedessen vor, seine Partei sorge sich zwar um die Interessen reicher Investoren, nicht aber der Pankower Bürger. Das Vorkaufsrecht sei nicht „linksversifft und keine Enteignung“so Schröder. Die Verordnete Almuth Tharan merkte an, Pankow sei nicht der einzige Bezirk und Berlin nicht die einzige Stadt, die das Vorkaufsrecht anwende. In Städten wie München komme es schon seit längerem erfolgreich zum Einsatz.

 


Auch Frederik Bordfeld von der Linksfraktion freute sich, dass das Bezirksamt „nach einer etwas zu langen Anfangsphase“ endlich aktiv geworden sei. Gemeint sind einige vorangegangene Fehlversuche des Bezirks in Sachen Vorkaufsrecht. In der Prenzlauer Allee 45 scheiterte es daran, dass das Haus schon in Einzeleigentum aufgeteilt war. Der Preis für die Danziger Straße 55 war hingegen so hoch, dass sich kein zahlungsfähiger Drittkäufer fand.

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2 Kommentare

Ulf Maaßen 19. Januar 2018 at 8:29

Wahnsinn. Durch die Wahrnehmung des Vorkaufsrechts – und die damit verbundene Bindung öffentlicher Mitteln in Höhe von einem „höheren einstelligen Millionenbetrag“ (vielleicht 9. Mio. €?) ist kein einziger qm neuer Wohnraum entstanden! Gar nichts! Ein paar Mieter haben vielleicht Glück: Sie bekommen keine Balkon angehängt, dafür steigen ihre Mieten nur moderat. Die positiven Auswirkung auf den Gesamtimmobilien und -mietermarkt gleich 0.
Was könnte man mit so viel Geld nicht alles machen? Man hätte z.B. einen Bebauungsplan für eines der großes Pankower Kleingartenareale entwicklen, Erschließungsstraßen bauen und so innerstädtische Baugrundstücke vermarktungsfähig machen können, auf denen Platz für vielleicht 8.000 Wohnungen wäre -und so den Druck aus dem Pankower Immobilienmarkt nehmen. Das hätte enorme Auswirkungen auf den Pankower Mieten – selbst wenn dort 50% sog. „Luxuswohnungen“ gebaut werden würden.

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VORKAUFSRECHT: PANKOW ZIEHT DEN SCHWANZ EIN und das unter Ausschluss der Öffentlichkeit – Mieterpartei / Bündnis Berlin 11. Juli 2018 at 17:49

[…] mit stolzgeschwellter Brust: „Pankow macht erstmals Gebrauch vom kommunalen Vorkaufsrecht“. In der Belforter Straße 16 im Milieuschutzgebiet Kollwitzplatz sollte die Premiere im Pankower Vorkaufsrecht perfekt sein: Ein […]

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