472 Wohnungen in Pankow sind seit Inkrafttreten des Zweckentfremdungsverbots wieder in den Wohnungsmarkt geflossen. Gewerbliche Vermieter kämpfen vor Gericht weiter gegen die Verordnung und das Bezirksamt.
„Wie viel Zeit haben Sie?“ Bei der Frage nach dem aktuellen Stand seines Gewerbes kann sich Marcus Buthmann regelerecht in Rage reden. Er ist einer von 46 Ferienwohnungsvermietern in Pankow, die seit Inkrafttreten des Zweckentfremdungsverbots im Mai 2016 Klage gegen das Bezirksamt erhoben haben. Seit zehn Jahren vermietet Buthmann neun Wohnungen in einem Haus in der Dunckerstraße an Touristen – als offizielles Gewerbe. Seit drei Jahren kämpft er dafür, sein ordnungsgemäß angemeldetes Gewerbe trotz Zweckentfremdungsverbot weiterführen zu dürfen. „Offen gesagt ist es ein beschissenes Gefühl“, sagt Buthmann. „Diese Unsicherheit nagt an einem“.
Gerichtsverfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgesetzt
Für Buthmann geht es um die eigene Existenz, für die Bezirke um fehlende Wohnungen. Das Problem: Weil Vermieter wie Buthmann schon vor Inkrafttreten der Verordnung das Gewerbe betrieben haben ist unklar, ob sie hierfür nicht Bestandsschutz erhalten müssten. Außerdem werden andere Gewerbe in Wohnungen, beispielsweise Ärzte oder Rechtsanwälte, vom Zweckentfremdungsverbot ausgenommen.
Im April entschied das Berliner Oberverwaltungsgericht, dass das Gesetz dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt werden muss – laut der Richter verstößt es gegen das Eigentumsrecht im Grundgesetz, unter das auch Unternehmen fallen. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts soll im Frühling 2018 kommen. Bis dahin sind die Gerichtsverfahren der gewerblichen Ferienwohnungsvermieter ausgesetzt. „Ich mache weiter wie bisher und bin optimistisch“, sagt Buthmann.
Senat will Zweckentfremdungsverbot novellieren
Rund 6300 offiziell angemeldete Ferienwohnungen gibt es in Berlin – verglichen mit den Schätzungen über unangemeldete Ferienwohnungen eine eher geringe Zahl. Allerdings befinden sich die meisten – der Logik des Tourismus folgend – nicht in Randbezirken, sondern in den innerstädtischen Gebieten wie Prenzlauer Berg, Mitte oder Friedrichshain. Für Buthmann kein Argument: „Sollen sie doch diejenigen kriegen, die das illegal machen.“
___STEADY_PAYWALL___
Noch bevor das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergeht, will der Senat eine Novelle des Zweckentfremdungsverbots auf den Weg bringen. Darin soll unter anderem geregelt werden, dass die eigene Wohnung – darunter fallen auch Zweitwohnungen – an 60 Tagen im Jahr an Touristen vermietet werden darf. Denn neben den gewerblichen Ferienwohnungsvermietern greifen auch sogenannte Homesharer das Zweckentfremdungsverbot an. 14 Gerichtsverfahren sind in solchen Fällen bereits zwischen Homesharern und dem Pankower Bezirksamt zustande gekommen, wie aus einer kleinen Anfrage der FDP hervorgeht. Acht Verfahren sind noch in Klärung, sechs wurden gegen den Bezirk entschieden – er muss eine Genehmigung für die Vermietung erteilen. Was auffällt: In keinem Verfahren in Sachen Homesharing hat der Bezirk bisher Recht bekommen.
Gerichtsverfahren kosten den Bezirk
Für den Streit mit den Homesharern hat der Bezirk bisher 3747 Euro ausgegeben – eine vergleichsweise geringe Summe. Laut einer Anfrage der FDP-Fraktion an das Berliner Abgeordnetenhaus kostet die Bearbeitung jedes Antrags und jedes Widerspruchs das Pankower Bezirksamt rund 230 Euro. Demnach wurden bis März 2017 insgesamt 346 Anträge auf Genehmigung von Zweckentfremdung in Pankow gestellt, in 255 Fällen handelte es sich um Ferienwohnungen. In 197 wurde bis dahin Widerspruch gegen die Ablehnung der Genehmigung eingelegt. 472 ehemals zweckentfremdete Wohnungen in Pankow sind bis Ende Juni 2016 wieder auf den Wohnungsmarkt zurückgeflossen. Insgesamt sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern sich im Pankower Bezirksamt um die Umsetzung des Zweckentfremdungsverbots – drei davon hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung für einen befristeten Zeitraum zur Verfügung gestellt.