Thomas Biller hat die Berliner Dependance der School of Life mitgegründet (Foto: Constanze Nauhaus)

Erste Stunde: Welt retten

von Constanze Nauhaus 30. Oktober 2017

Beziehung verbessern, Traumjob finden, Selbstvertrauen entwickeln: Die „School of Life“ lehrt Großstädter, ihr Leben zu optimieren. Und trifft damit in Prenzlauer Berg einen Nerv.

Es ist abends, kurz vor halb zehn. 13 Menschen sitzen in einem Hinterzimmer eines Ladens in der Lychener Straße und diskutieren über das, was sie gerade gelernt haben. Der Abendkurs der „School of Life“, den sie nun fast hinter sich haben, steht unter dem ambitionierten Motto „How To Change The World“. Eine Teilnehmerin um die 30 teilt ihre Einsichten mit der Runde: „Es ist so einfach, was zu verändern. Ich werde im Büro jetzt anfangen, öfter ‚Hallo‘ und ‚Tschüss‘ zu sagen. Da ziehen sicher andere nach!“ Wohlwollendes Lächeln auf den übrigen Gesichtern.

Ist es schon so weit? Müssen wir jetzt Workshops besuchen, um uns die Grundzüge zwischenmenschlicher Interaktion anzueignen? „Diese Kritik begegnet uns häufig“, sagt Thomas Biller, Geschäftsführer der School of Life. „Aber wir müssen diese Fähigkeiten gerade in der digitalisierten Arbeitswelt noch stärker ausbauen.“ Durch die Versetzung ins Digitale hätten wir schließlich noch weniger Zeit, in realen Momenten Beziehungen zu Menschen aufzubauen. Und das könne man hier lernen.

War’s das schon? Die Frage aller Fragen

Vor anderthalb Jahren eröffnete Biller mit seiner Geschäftspartnerin Dörte Dennemann die Berliner Dependance der School of Life in Prenzlauer Berg. Es gibt sie an mittlerweile 12 Standorten weltweit, ihren Ursprung hat sie in London. Dort gründete sie der Philosoph und Bestsellerautor Alain de Botton vor acht Jahren mit der Ambition, den Menschen das beizubringen, was sie in herkömmlichen Institutionen nicht lernen: Besser zu leben. „In der Schule oder an der Uni lernen wir eben nicht, wie man Beziehungen oder gute Gespräche führt, Freundschaften aufrechterhält, die innere Ruhe herstellt“, erklärt Biller. Er, selbst studierter Philosoph, arbeitete über 20 Jahre als Fernsehproduzent, stellte sich dann die Frage aller Fragen: War’s das schon? Und gelangte über Umwege zur School of Life.

Hier geht es an diesem Abend um nicht weniger als ums Ganze. Die Welt ändern, da wollen drei Stunden schon gut strukturiert sein. Kursleiterin Belina Raffy schlägt einen Riesenbogen, stellt revolutionäre Menschen und Bücher vor, wirft tiefsinnige Zitate an die Wand, fordert zu Gruppenübungen auf, gliedert ihren Ablauf in Häppchen wie „Warum es wichtig ist“, „Was uns dazwischenkommt“ oder „Was uns antreibt“.

Die „Rant Exercise“

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Und das kommt gut an bei den Teilnehmenden, jeder nimmt irgendetwas mit an diesem Abend: „Ich muss mir mein Netzwerk besser ansehen“, schlussfolgert eine junge Frau, die sich als Madeleine vorstellt. „Um mehrere Ecken denken, überlegen, wer mir noch bei der Verwirklichung meines Projekts helfen könnte.“ Wie einige andere ist die 27-Jährige mit einer konkreten Idee in den Kurs gekommen. Sie möchte ihre Arbeit als Parcour-Coach ausbauen und so Menschen mit Psychiatrieerfahrung bei der Genesung begleiten.

Sich vorher Gedanken über ein Projekt zu machen, und sei es auch nur ein winziges Samenkörnchen einer Idee, diese Hausaufgabe schickte Raffy wenige Tage zuvor per Email herum. Sie setzt vor allem auf Interaktion, deshalb habe sie die sogenannte „Rant Exercise“ eingebaut: Zwei Leute stehen sich gegenüber, einer der beiden lässt sich beim anderen hochempört über irgendetwas aus, was ihn in letzter Zeit so richtig auf die Palme gebracht hat. Der andere hört zu und soll im Anschluss aus all dem Gemeckere positive Werte, die dem Gegenüber offenbar wichtig sind, herausfiltern. Lisa etwa fand diese Übung sehr hilfreich. „Das werde ich mit in den Alltag nehmen“, sagt die 29-Jährige aus Wedding. „Glücklich ohne Job“ sei sie seit kurzem, mache viel Yoga und Meditation, ist in einem solidarischen Landwirtschaftsprojekt involviert, wollte „schon immer die Welt ändern“.

Homogene Schülerschaft?

So schön das ist, beschleicht einen an diesem Abend beim Anblick all dieser positiven, lächelnden Menschen doch das Gefühl, etwas drehe sich da im Kreis. Als erreiche das Angebot der Lebensschule doch nur wieder diejenigen, die sowieso schon hyperachtsam sind. Und nicht die, die es vielleicht dringender bräuchten. Dafür hat Thomas Biller auch keine richtige Lösung. „Ich fände es toll, wenn die breite Bevölkerung Interesse an unserem Angebot hätte, aber mir fehlt die Marktpower, um es zu wecken.“ Kein Budget für eine große Lebensverbesserungs-Kampagne also. Immerhin: Die Schülerschaft komme aus wirklich allen Bezirken der Stadt angereist, betont Biller.

Außerdem wird anderweitig an neuen Kundengruppen geschraubt. Ein Angebot für Jugendliche ist angedacht, außerdem will die Schule ihre Veranstaltungen für die ältere Generation ausbauen. „Weniger Selbsthilfe, mehr Bildung“, bricht Biller es herunter. Da gebe es etwa die „Philosophische Lebenskunst“ oder die „Life Lessons“ mit Promis wie Doris Dörrie, die nicht als Stars, sondern als Menschen von ihren Erfahrungen erzählen, Lebenshilfe geben. Wie sie Krisensituationen meistern, wie sie mit Trauer und Tod umgehen.

Belina Raffy erklärt ihren Schülern, wie sie die Welt ein bisschen verändern können (Foto: Constanze Nauhaus)

Belina Raffy erklärt ihren Schülern, wie sie die Welt ein bisschen verändern können (Foto: Constanze Nauhaus)

„Wie es gelingt, ein glückliches Paar zu bleiben“

„How To Change The World“ ist im Curriculum der Schule thematisch eher untypisch, normalerweise drehen sich die Vorträge und Kurse um existenziellere Themen wie „Selbstvertrauen entwickeln“, „Prokrastination – morgen fang‘ ich wirklich an“ oder „Wie es gelingt, ein glückliches Paar zu bleiben“. Absoluter Dauerbrenner sei allerdings „Den Job finden, der zu mir passt“. Maximal 35 Teilnehmer sitzen in den „Classes“, die zum Großteil in London entwickelt wurden. „Das hat auch eine gewisse Kraft, wenn da 30 Leute mit demselben Problem kommen wie ich selbst“, so Biller. „Das tröstet viele sehr.“

Trost scheinen vor allem Frauen zu brauchen, sie stellen den Großteil der Kundschaft. Genauer: Singlefrauen zwischen 25 und 45, gut bis sehr gut gebildet. Vielleicht liegt es an Kursen wie „Selbstvertrauen entwickeln“? Es sind wohl leider immer noch mehr Frauen, die das Gefühl haben, sich etwa auf der Arbeit nicht durchsetzen zu können. Viele würden die School of Life auch schon aus London kennen, überhaupt kämen viele Kursteilnehmer auf Empfehlung.

Therapie als Menschenrecht

Ab Januar soll es zudem neue Workshops geben, mit einem stärkeren Fokus auf emotionaler Intelligenz. „Das ist ja grundlegend“, sagt Biller. „Wie gehe ich mit meinen Gefühlen um, wie reguliere ich sie, wie kann ich mit anderen Leuten echte Beziehungen aufbauen.“ Die Klassen sollen den Anstoß geben, sich tiefer mit sich selbst zu beschäftigen und eventuell eine Therapie zu machen. „Nicht, weil man ein massives Problem hat“, stellt Biller klar. „Sondern, um sich einen Grundstock zu legen, gewappneter zu sein.“ School of Life-Gründer de Botton propagiert Therapie sogar als Menschenrecht für alle.

Normalsterbliche Bezirke haben Volkshochschulen, Prenzlauer Berg hat die „School of Life“, könnte man also sagen? „Ja, wir sind eine Volkshochschule – im besten Sinne“, kontert Biller. „Wir wollen unsere Inhalte möglichst vielen Leuten zugänglich machen.“ Da könnte es schon am Geld hapern, immerhin knapp 40 Euro kosten die drei Stunden World changen die Teilnehmer. „Aber wir werden nicht subventioniert“, gibt Biller zu bedenken. Das wird auch nicht nötig sein. An zahlungs- und optimierungswilligen Schülern mangelt es in Prenzlauer Berg in nächster Zeit sicher erst einmal nicht.

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