Verdrängung verhindern – aber wie?

von Kristina Auer 24. Oktober 2017

Die Gentrifizierung aufhalten wollen so gut wie alle Politiker. Warum es bisher noch niemand geschafft hat – und was trotzdem helfen könnte.


„Mir ist jede einzelne Wohnung, wo wir Mieter schützen können, lieber, als dass wir alles frei geben.“ So drückte es Pankows Stadtentwicklungsstadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) unlängst aus. Der Bezirk hat gerade die Prenzlauer Berger Milieuschutzgebiete Bötzowstraße und Humannplatz erweitert und drei neue für Pankow beschlossen. Was der Satz deutlich macht: Das Thema Gentrifizierung eignet sich für Politiker exzellent zur Selbstdarstellung als unerbittliche Anti-Gentrifizierungs-Kämpfer.

Was die Realität deutlich macht: So einfach ist das mit dem Verdrängung-Verhindern dann doch nicht. Denn die Kritiker der Milieuschutzgebiete beklagen zwar in erster Linie den pauschalen Eingriff ins Privateigentum. Einem ihrer Argumente lässt sich aber doch nicht so einfach widersprechen: Obwohl große Teile von Prenzlauer Berg milieugeschützt sind – beispielsweise Gleim-, Helmhotz-, Kollwitz-, Wins- und Bötzowviertel – scheint die Gentrifizierung dort nicht gerade gestoppt. Auch Stadtrat Kuhn räumt ein, der Milieuschutz sei letztlich „nur ein schwaches Instrument“.

 

Kein Einfluss auf Mietpreise

 

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„Der Milieuschutz greift nur auf zwei Ebenen: Bei Modernisierungen und bei der Umwandlung in Eigentumswohnungen“, sagt Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins. Das sei schon von Bedeutung. Aber:

Er greift nicht bei der Neuvermietung. Bei einer gewissen Fluktuation können Sie dann trotzdem rasante Mietsteigerungen in solchen Vierteln beobachten.

Die Mietpreisbremse, die diese Lücke füllen sollte, lässt bisher jegliche Wirksamkeit vermissen. Hauptsächlich deshalb, weil sie ausschließlich von der Eigeninitiative der Mieter abhängt.

Aber selbst wo es rechtlich möglich wäre, werden die Richtlinien des Milieuschutzes manchmal nicht voll ausgenutzt. Stichwort ist die Fassadendämmung nach der Energieeinsparverordnung (EnEV). Kosten für eine Dämmung lassen sich bekanntlich mit elf Prozent auf die Mieten umlegen – was sie für Vermieter zu einem praktischen Mittel zur Mietsteigerung macht. In Milieuschutzgebieten muss der Bezirk die Dämmung aber nur dann genehmigen, wenn der Schaden an der Fassade größer als zehn Prozent ist. „Das muss der Bezirk messen“, sagt Wild.

Tut er aber nicht, wie sich zuletzt beispielsweise in der Stargarder Straße 28 zeigte. Der Schaden an der Fassade war hier mit bloßem Auge nicht zu erkennen. Ein vom modernisierungswilligen Eigentümer in Auftrag gegebenes Gutachten bescheinigte trotzdem einen bis zu 58-prozentigen Schaden. Für ein eigenes Gutachten habe der Bezirk kein Geld, so Stadtrat Kuhn. Das Ergebnis: Alle Modernisierungsarbeiten wurden vom Bezirk genehmigt, die Mieter erhielten Mieterhöhungsankündigungen von teils über 700 Euro. Mieterverein-Geschäftsführer Wild zufolge haben die „allermeisten Altbaufassaden überhaupt keine Schäden“.

 

Hoffnungsträger Sozialplan?

 

Auf der Suche nach wirksameren Hebeln in Sachen Anti-Gentrifizierung haben unsere Bezirkspolitiker deshalb nochmal tief in den Schubladen des Baugesetzbuches gewühlt – und die sogenannte Umstrukturierungssatzung hervorgekramt. Die soll ein schnelleres Eingreifen bei Umbauprojekten mit tiefgreifenden Folgen ermöglichen. Bei einer Umstrukturierungsverordnung wird die Einigung mit den Mietern gewissermaßen zur Bedingung für die Baugenehmigung: In einem sogenannten Sozialplanverfahren wird ausgemacht, welche Umbauarbeiten gemacht werden und wie hoch die Mieten nach der Sanierung steigen dürfen – oder eben gerade nicht. Ein weiterer Vorteil: Der Bezirk muss für die Umstrukturierung nicht erst ein langwieriges Gutachten in Auftrag geben wie bei den Milieuschutzgebieten. Man könne deshalb schneller reagieren, hoffen viele Bezirksverordnete.

Zum ersten Mal wurde die Umstrukturierungssatzung in Prenzlauer Berg eingesetzt – im Jahr 2006 in der Grünen Stadt. Dort plante die GSW rund 1800 Wohnungen zu sanieren, der Bezirk band die Genehmigung an ein Sozialplanverfahren. Obwohl der Erstversuch in der Grünen Stadt glückte – die Mieter konnten bleiben – sehen viele rechtliche Probleme bei der Umstrukturierungssatzung.

Stadtrat Kuhn zufolge fehlt nach der Aufhebung der Sanierungsgebiete in Prenzlauer Berg die Rechtsgrundlage für die Umstrukturierungssatzung. Auch Reiner Wild vom Mieterverein gibt zu bedenken, dass es bisher keine Rechtssprechung zur Umstrukturierung gebe: „Es ist nicht ganz klar, wie eine Umstrukturierung zu definieren ist“, sagt Wild. Handelt es sich wie bei der Stargarder Straße 28 um ein einzelnes Wohnhaus, könnte die Aufstellung einer Umstrukturierungssatzung juristisch angreifbar sein. Auch beim Bauvorhaben in der Grellstraße, in dem es immerhin um 253 Wohnungen geht, hat der Bezirk zuletzt keine Umstrukturierungssatzung aufgestellt. Stattdessen wurde eine Vereinbarung mit der Eigentümerin Deutsche Wohnen geschlossen – deren Verbindlichkeit nicht so recht feststeht.

 

Auf den Boden schauen

 

Bleibt noch das bezirkliche Vorkaufsrecht, beziehungsweise die Frage nach der richtigen Bodenpolitik. Der Bezirk hat zwar theoretisch bei Hausverkäufen das Recht, sich selbst als Käufer einzusetzen, dann aber meist kein Geld, um die Häuser zu bezahlen. In Prenzlauer Berg hat sich dieses Problem unlängst in der Danziger Straße 55 gezeigt. Der Grund sind meist exorbitante Grundstückspreise, die spekulativ danach berechnet werden, wie viel Gewinn voraussichtlich in Zukunft gemacht werden kann.

Das Deutsche Institut für Urbanistik (difu) und der Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung (vhw) haben gerade einen Roadmap zur Bodenpolitik herausgegeben. Darin fordern Stadtentwicklungsexperten in neun Punkten eine neue Ausrichtung in der Bodenpolitik, die den Kommunen und Bezirken mehr Handlungsmöglichkeiten zuspricht. Bund und Länder sollen demnach Sondervermögen für den Erwerb von Grundstücken in innerstädtischen Gebieten einrichten. Außerdem soll das Vorkaufsrecht so weiterentwickelt werden, dass Bezirke auch den Preis für Häuser in bestimmten Stadtregionen limitieren können. Damit sich Bauvorhaben künftig stärker am Gemeinwohl als an wirtschaftlichen Interessen orientieren, muss dem Eckpunktepapier zufolge auch die planerischen Handlungsmöglichkeiten der Bezirke gestärkt werden – beispielsweise über die Kontrolle durch vom Bezirk festgesetzte Bebauungspläne.

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