UPDATE: Mit dem Zwischenbericht zum Vorstoß der BVV-Linken, Graffitiflächen zu legalisieren, sind die Initiatoren unzufrieden. Die Idee aber findet die Community gut. Im Mai waren wir mit einem Sprayer im Kiez unterwegs.
Maximilian Schirmer ist unzufrieden. „Das galt vor 15 Jahren!“, ärgert sich der linke Bezirksverordnete über den ersten Zwischenbericht des Bezirksamtes zu dem von ihm im Mai initiierten Antrag, Graffitiflächen im Bezirk – allen voran im Mauerpark – zu legalisieren. Denn der Bezirk beruft sich in seinem Bericht auf eine ähnliche Anfrage von 2002. Damals wurde von der Senatsverwaltung, die für den Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark zuständig ist, eine Freigabe der Mauer oben am Hang nur in Verbindung mit einer „gezielten Begleitung durch Streetworker“ in Aussicht gestellt. Für ein solches Projekt sah das Jugendamt damals allerdings keine Notwendigkeit. Und auf diesen Status Quo beruft sich das Bezirksamt auch diesmal. Das Sprühen im Mauerpark wird derzeit lediglich geduldet. Zudem sei auf den Vorstoß, auch andere Flächen im Bezirk für Graffitikunst freizugeben, gar nicht eingegangen worden. „Aber“, hofft Schirmer, “ das ist nur ein Zwischenbericht. Sollten wir mit dem Endbericht auch unzufrieden sein, werden wir eventuell nacharbeiten.“
ARTIKEL vom 22. Mai 2017:
Maler erkennen sich untereinander, sagt Felix Hülpüsch. „Dit siehste den Leuten an. Dieset Atzige! Wat man halt so kennt von früher aus’m Kiez.“ Im frühen Teenageralter fing der heute 31-jährige Prenzlauer Berger an mit Graffiti. Und hat bis heute nicht aufgehört. Mittlerweile finanziert er sich mit seiner Kunst das Leben, doch früher war er mit seinen Jungs auch gern mal nachts auf den S-Bahn-Gleisen unterwegs. Mehr als einmal sind sie erwischt worden. Wir waren mit ihm – ganz legal natürlich – an einer Wand in der Schwedter Straße. Ohne erwischt zu werden. Aber dafür war’s schön bunt, wie im obigen Video zu sehen.
Im Podcast erzählt uns Felix, wie er zum Graffiti gekommen ist und warum er mehr legale Flächen gut fände. Und natürlich von seinen Jugendsünden:
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Felix findet den Vorstoß der Pankower Linksfraktion, mehr Graffitiwände im Bezirk zu legalisieren, sehr gut. Ebenso wie die Grünen und die SPD, mit deren Stimmen der Antrag in der Bezirksverordnetenversammlung am vergangenen Mittwoch angenommen wurde. „Hätten die damals mehr legale Flächen rausgehauen“, ist sich Felix heute sicher, „wären wir mehr legal malen gewesen.“ Falls das für die nachwachsende Sprayergeneration heute immer noch gilt, würde es die Erwartungen des linken Bezirksverordneten Maximilian Schirmer, der den Antrag initiiert hat, wohl noch übertreffen. Denn er glaubt: „Leute, die illegal malen, die wird das nicht jucken, ob es legale Wände gibt.“ Doch all jene, die es wegen der Kunst machen, die sich kreativ ausleben wollen – für die gebe es im Bezirk einfach nicht genug Freiräume. Denn momentan gibt es keine nicht privaten Flächen, die bemalt werden dürfen und nicht an Öffnungs- und Schließzeiten gebunden sind. „Die offiziellen Flächen befinden sich in Jugendklubs oder sind mobile Wände“, sagt Schirmer. „Wer sonntags spontan malen gehen will – das geht bislang nicht.“ Und bei vielen Wänden, die de facto bemalt werden, weiß kaum jemand um den tatsächlichen legalen Status.
Prominentestes Beispiel: Der Mauerpark. Die Wand oben am Hang, zwischen Stadion und Schaukeln, wird intensiv von Sprayern genutzt. „Ich kenne viele, die da malen“, sagt Schirmer. „Die haben Bock auf Kunst und wollen Zeit dafür haben.“ Das Sprayen an dieser Wand ist eigentlich illegal, wird aber vom Bezirk geduldet. Das Problem: Von der Duldung wissen oft weder Sprayer noch Ordnungskräfte, was zur Aufnahme von Personalien ebenso führt wie zu hektisch über die Mauer geworfenen Dosen, um schnell den vermeintlichen Häschern zu entkommen. „Das ist kein klarer Zustand“, findet Schirmer. Deshalb steht auf seiner Liste ganz oben, die Mauerpark-Wand offiziell für die Graffiti-Kunst freizugeben. Außerdem kämen die Außenwände von Jugendklubs infrage, öffentliche Wände in Parks oder an bezirklichen Häusern. „Die Aufgabe der nächsten Monate wird sein, zu schauen: Wo stört es die Leute nicht, wo finden sie es gut?“. Allen Pankowern den Unterschied zwischen „Geschmiere“ und Kunst klarzumachen, wird nicht einfach werden. Doch vertraut man Felix, würden mehr legale Wände dies von selbst aufklären. Denn ohne die Panik vorm Erwischtwerden bleibe mehr Zeit für die Kunst. „Da kommen schönere Sachen raus.“
Felix kann heute von seiner Kunst leben. Mehr von ihm auf www.huelpman.de (Foto: Hülpman)
UPDATE vom 31. Mai:
Die Pankower AfD-Fraktion echauffiert sich übrigens in einer Pressemitteilung über den Antrag von Linken, Grünen und SPD: „Jeder Schmierfink aus Berlin und Umgebung wird nun wissen, dass er in Pankow machen kann, was er will – ohne irgendwelche Konsequenzen befürchten zu müssen.“ Dass es sich bei dem Antrag um eine gezielte Freigabe von öffentlichen Flächen handelt und nicht um eine generelle Legalisierung auf jedweder Straßenwand, wird nicht als Argument anerkannt: „Denn ist erstmal ein Ort für Schmierereien aller Art freigegeben, werden bald auch in der Umgebung alle Dämme brechen.“ Die Rot-rog-grüne Zählgemeinschaft führe Pankow in die Verwahrlosung, heißt es stattdessen. Laut AfD muss der sogenannte Vandalismus im Bezirk bekämpft werden.
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