700 Euro mehr Miete pro Monat

von Kristina Auer 28. September 2017

UPDATE: Fassadendämmung und Modernisierungsumlage sind zwei Dinge, gegen die Mieter scheinbar wehrlos sind. Ein Paradebeispiel dafür ist die Stargarder Straße 28. Der Bezirk hat den Fall gerade zu den Akten gelegt.


UPDATE vom 28. September 2017:

Der Bezirk hat mit seiner Auseinandersetzung um die Modernisierung in der Stargarder Straße 28 abgeschlossen. Gerade ging der Abschlussbericht über das im Frühjahr beschlossenen Sozialplanverfahren zu dem Wohnhaus im Milieuschutzgebiet Helmholtzplatz über die Bühne der Bezirksverordnetenversammlung (BVV).

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Das Fazit: Die beantragten Umbauarbeiten musste der Bezirk genehmigen. Ein Sozialplanverfahren ist im Baugesetzbuch nicht vorgesehen, also auch nicht verpflichtend. Dem Bezirk sei also nichts weiter übrig geblieben, als den Mietern Umsetzwohnungen aus dem bezirkseigenen Kontingent anzubieten. Außerdem hat die Mieterberatung die Bewohner über ihre Rechte informiert und ihnen geraten, sich einen Anwalt zu nehmen, heißt es in dem Bericht weiter. Die umstrittene Fassadendämmung oder den Anbau von zusätzlichen Balkonen konnten die Bezirkspolitiker aber nicht verhindern.

Weil der Fall der Stargarder Straße 28 beispielhaft zeigt, wie Modernisierungsarbeiten in der aktuellen Gesetzeslage für Mieterhöhungen und Rendite  eingesetzt werden können, haben wir diesen Artikel heute nochmal veröffentlicht. Was seit Jahresanfang in dem Haus passiert ist, haben wir in unserer Serie „Die Mieter von Prenzlauer Berg“ nochmal genau aufgeschrieben.

 

ARTIKEL vom 12. April 2017:

Schon wieder sind Mieter in Prenzlauer Berg von Verdrängung bedroht: Der neue Besitzer der Stargarder Straße 28 will modernisieren. Einige Mieten sollen sich mehr als verdoppeln.

„Also ich kann mir das auf keinen Fall leisten“, sagt Catrin. Zusammen mit ihrer Nachbarin Freddi steht sie an diesem Nachmittag im Innenhof ihres Wohnhauses in der Stargarder Ecke Dunckerstraße und schaut an der Außenwand hoch, als könnte sie es immer noch nicht so richtig glauben. Beide Frauen wollen Ihren Nachnamen lieber nicht in der Zeitung lesen, „nicht, dass wir noch mehr in Ungnade fallen“, sagen sie. Seit Februar wissen die Mieter des Eckhauses, das letztes Jahr den Besitzer gewechselt hat, dass umfangreich saniert werden soll: Fassadendämmung, Dachausbau, Balkone, Fahrstühle, Fenster- und Heizungsaustausch stehen in der Modernisierungsankündigung – und heftige Mieterhöhungen.

 

Von 6 auf 13 Euro pro Quadratmeter

 

Viele Wohnungen in dem Eckhaus sind recht groß, weil bei der letzten Sanierung im Jahr 1985, als zum ersten Mal Bäder eingebaut wurden, manche Wohnungen zusammengelegt wurden. Catrin wohnt seit 31 Jahren in der Wohnung im 4.Stock und bezahlt bisher 565 Euro kalt für 100 Quadratmeter. Nach der Sanierung soll sie rund 700 Euro mehr bezahlen als jetzt, fast 1300 Euro. Allein der Fahrstuhl soll monatlich 185 Euro mehr kosten. In den insgesamt 33 Wohnungen wohnen viele ältere und kranke Mieter, bei manchen würde die Miete nach der Modernisierung mehr kosten als ihre gesamte Rente, erzählen Catrin und Freddi.

„Bis zu 58 Prozent Schaden soll der Putz der Fassade haben, heißt es in dem Gutachten, das der Eigentümer in Auftrag gegeben hat“, sagt Catrin. Außerdem wurden massive Feuchtigkeitsschäden und dringender Isolierungsbedarf attestiert. „Schauen Sie doch mal, sehen sie hier irgendwo Schäden?“. In der Tat lässt sich durch ungeschulte Augen nicht viel Putzschaden am Gebäude erkennen. Die kleinen Risse im Putz, die allesamt als Feuchtigkeitsschaden ausgelegt worden seien, sehen für die Mieterinnen eher aus wie „völlig normale Trockenrissse“. Das Spannendste: „Vor zwei Jahren wurde schon mal ein energetisches Gutachten erstellt, darin hieß es, das Haus ist super isoliert“, erzählt Catrin. Jetzt solle es plötzlich dringenden Isolierungsbedarf geben. Daher vermuten die Mieter, das neue Gutachen übertreibe die Mängel am Haus, um die Modernisierungen und Mieterhöhungen zu rechtfertigen.

 

Bezirk soll vermitteln

 

Um den Verdacht zu beweisen, müsste ein zweites Gutachten her. Dafür bräuchte es allerdings die Hilfe des Bezirks. Der prüfe gerade, ob er dafür Geld habe, sagen Catrin und Freddi. In der Pankower Bezirksverordnetenversamlung (BVV) wird derzeit besprochen, wie der Bezirk die Mieter unterstützen kann. „Einige der geplanten Baumaßnahnen sind schon genehmigt worden, bevor die Stargarder Straße 2015 zum sozialen Erhaltungsgebiet wurde“, sagt Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn (Grüne). An diesen sei nicht mehr zu rütteln. Fahrstühle muss der Bezirk aufgrund der Gesetzeslage sowieso genehmigen. Jetzt ist ein sogenanntes Sozialplanverfahren im Gespräch. Damit wurde in den früheren Sanierungsgebieten zwischen Eigentümern und Mietern vermittelt, um verträgliche Lösungen zu finden. Dieses Verfahren wäre allerdings freiwillig für den Eigentümer. „Die Angelegenheit wird jetzt im Satdtentwicklungsausschuss diskutiert und die Mitarbeiter des Bauamts werden die Bauanträge, die noch ausstehen, auf Rechtmäßigkeit prüfen“, sagt Kuhn. „Dann müssen wir sehen, wo der Bezirk noch eingreifen könnte.“

Der Hauseigentümer, die BlumZweig Berlin GmbH und Co. KG, kündigt inzwischen auch ohne vollständige Baugenehmigung schon mal das Baugerüst ab Anfang Mai an. Catrin, Freddi und die anderen Mieter haben den angekündigten Bauarbeiten und der Mieterhöhung widersprochen. „Wir würden notfalls auch klagen“, sagen sie. „Ich habe vier Kinder, wo soll ich mit denen bitte eine neue Wohnung in Prenzlauer Berg finden?“, sagt Freddi. Dann würde sie lieber gleich auf einen Bauernhof irgendwo aufs Land ziehen.

 

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