Die Murkelbühne verlässt nach 25 Jahren Prenzlauer Berg, zu hoch sind die hiesigen Mietpreise. Schuld sei der „Vermarktungsdruck“, sagt der Bezirksbürgermeister.
„Spiel doch selber!“ prangt es über dem Eingang zur Murkelbühne. „Spiel doch woanders!“ müsste es mittlerweile heißen, denn das Spielen ist für ein Theater dieser Größenordnung in Prenzlauer Berg beinah unmöglich geworden. Gerade erst machte das Theater o.N. Schlagzeilen, dessen Mietvertrag in der Kollwitzstraße wegen Lärmstreitereien mit den Nachbarn nicht über Juli hinaus verlängert wird. Und nun verlässt das Kinder- und Jugendtheater Murkelbühne, zu dem etwa 180 Kinder und Jugendliche in verschiedenen Theaterkursen gehören, nach einem knappen Vierteljahrhundert den Bezirk und zieht nach Friedrichshain in eine ehemalige Friedhofskapelle. Schuld sind die Mietpreise.
„Die Gewobag war immer fair“, betont Theatergründer Matthias Kubusch. „Doch wir bekommen keine Förderung, die Gewerbemieten sind für uns nicht tragbar.“ Zumindest nicht mehr in Prenzlauer Berg. Mit dem neuen Vermieter, dem Evangelischen Friedhofsverband, einigte sich Kubusch bereits im Voraus auf eine Mietobergrenze für die alte Kapelle in der Boxhagener Straße, die bereits von freien Theatergruppen genutzt wurde. Übrigens das älteste Gebäude Friedrichshains. In 25 Jahren ist das der fünfte Umzug der kleinen Bühne, die 1992 als Schulprojekt am Teutoburger Platz begann. Nach einer Station an der Pankower Jugendkunstschule zog das Theater in die ehemalige Grundschule im Elias-Hof in der Senefelderstraße. Dort muste sie 2011 wieder ausziehen, weil der Elias-Hof wegen wachsenden Bedarfs im Bezirk wieder Grundschule wurde. Seitdem wird in der Beletage einer DDR-Platte an der Greifswalder Straße gespielt.
„Überflüssige Rinnsalförderung“
„Das sind die besten Probenbedingungen, die wir je hatten“, schwärmt Kubusch. Obwohl die Räume niedrig seien und man, typisch Neubau, etwas „um die Säulen heruminszenieren“ müsse. Die Kapelle im Friedrichshain ist höher, dafür aber enger. Auch sei dort kaum Platz für Büro und Fundus vorhanden. „Aber das Theater steht ja im Mittelpunkt“, da ist Kubusch ganz optimistisch. Das scheint ihm im Gemüt zu liegen, allen Umbrüchen zum Trotz. „Standortwechsel haben uns nie Schwierigkeiten bereitet“, sagt er. Denn ein Drittel der Kinder und Jugendlichen sei zwar aus dem direkten Umfeld gekommen, je ein weiteres Drittel aber aus dem Großbezirk und aus ganz Berlin. Insofern mache er sich keine Sorgen. Und auch für einen Bezirk, der seine kleinen Theater anscheinend nicht halten kann, hat Kubusch kaum grimmige Worte. Seine Kritik kommt sachlich: „Solange die einen nicht fördern, haben die einen auch nicht auf dem Schirm. Für die ist das kein Verlust.“
Das sieht Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke), auch für Kultur in Pankow zuständig, anders. „Erhebliches“ leiste der Bezirk durch seine Förderung des Regie- und Schauspielnachwuchses beim bezirkseigenen Theater unterm Dach in der Danziger Straße. Außerdem: „Der Bezirk hat nur begrenzte Möglichkeiten zu unterstützen, die er aber auch voll ausschöpft“, betont Benn. Aktuell fördert Pankow Projekte mit 155.000 Euro, die zusätzlich mit Mitteln aus dem Bezirkskulturfonds der Landesebene auf Antrag auch den lokalen Theatern zugute kämen. 50 Prozent werden im Jahresdurchschnitt für die darstellenden Künste eingesetzt. Doch am Antrag selbst hakt es. „Das lohnt nicht“, winkt Matthias Kubusch ab und spricht von überflüssiger „Rinnsalförderung“. „Das fängt schon an mit 15 Ausfertigungen, um 3.000 Euro zu beantragen. In der Zeit habe ich mich schneller um Sponsoren bemüht.“ Mithilfe von Paten und deren Spenden hat sich das Theater bislang über Wasser gehalten, doch das reiche für Fixkosten, Löhne, Miete. Für die künstlerische Arbeit bleibt nichts übrig. „Da macht die Arbeit auch keinen Spaß“, sagt Kubusch.
Drei Tage Abschiedsspektakel
„Es wird immer wieder an uns herangetragen, den kleinen Theatern oder anderen Kultureinrichtungen eigene Spielstätten zur Verfügung zu stellen oder gar die Miete zu übernehmen“, sagt Benn. Das könne der Bezirk aber nicht leisten. Einerseits besitze Pankow nicht genug Häuser – schon für die eigenen Mitarbeiter müssten mittlerweile Gebäude angemietet werden. Andererseits bliebe die Frage der gerechten Auswahl zwischen all den Theaterleuten, Künstlern, Musikern auf Raumsuche. Als größtes Problem macht Benn allerdings den „Vermarktungsdruck“ aus, in Verbindung mit auslaufender Zweckbindung nach Fördermitteleinsatz (wie beim Theater o.N. der Fall) die Hauptursache für die Verdrängung kultureller Einrichtungen.
Die neue Landesregierung scheint das Problem erkannt zu haben. Die Koalitionsvereinbarung sieht eine Stärkung der Freien Szene und der Kinder- und Jugendtheater vor. Doch bis den Schriften Taten folgen, ist die Murkelbühne längst in Friedrichshain, wo die neue Spielstätte im Oktober offiziell eröffnet werden soll. Vom 19. bis 21. Mai wird in den alten Räumen in der Greifswalder Straße 88 aber erst drei Tage Abschiedsspektakel gefeiert, unter Mitwirkung aller Kurse und Ensembles. Nach einem Abschiedsbrunch am 21. Mai wird der Theaterteppich zusammengerollt und durch die Stadt in den Friedrichshain getragen, wo er am neuen Ort wieder ausgerollt wird. Diesmal hoffentlich für immer.
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