Am Alten Schlachthof im östlichsten Zipfel Prenzlauer Bergs soll ein Kongress- und Shoppingcenter entstehen. Dagegen und gegen den Verfall der alten Hallen kämpft eine Bürgerinitiative, die sagt: „Nichtnochncenter.“
„Ich möchte, dass Berlin auch Berlin bleibt.“ Diesen Satz sagt Doreen Bialas ganz am Ende des Gesprächs. Bialas sagt ihn, als sie und ihr Partner Filip Stahl schon eine Stunde lang über komplizierte Eigentumsverhältnisse und Bebauungspläne gesprochen haben. Und über ein neues Kongresszentrum mit angegliedertem Shopping an der Landsberger Allee, das vermeintlich niemand braucht.
Im Grunde zeigt dieser Satz genau, worum es den Anwohnern von der Bürgerinitiative am Alten Schlachthof geht. Sie wollen bewahren und verhindern, dass die drei Gebäude vom einstigen „Central Vieh- und Schlachthof Berlin“ verfallen und letztlich von Investoren abgerissen werden können – und mit ihnen ein Stück Berliner Lebenskultur und Geschichte. Nebenan ist unter dem Label „Entwicklungsgebiet“ ein Neubau-Wohngebiet in Prenzlauer Berg entstanden. Doch die denkmalgeschützten Backstein-Bauten sind nach wie vor verlassen, umzäunt und mit Graffiti besprüht, vor ihnen eine stoppelige Wiese. „Seit der Wende ist hier nichts passiert“, sagt Bialas. „Wenn die schönen Hallen noch 20 Jahre brach liegen, dann sterben sie. Dabei gibt es so viele Möglichkeiten.“
Aktuell nicht mehr als Graffiti-Fläche: Die Gebäude des Alten Schlachthofs an der Landsberger Allee. Foto: Anja Mia Neumann
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Seit 2016 gibt es nun eine Baugenehmigung für den Immobilienentwickler UBM Development. Geplant ist ein gläsernes Kongresszentrum mit Einzelhandel auf der Wiese. In den alten Schlachthof-Gebäuden soll es Gastronomie und Geschäfte geben – alles, womit man erst mal Geld machen könnte. Doch von Baggern ist nichts zu sehen.
Bialas und Stahl fürchten den Einheitsbrei aus Einzelhandelsketten und bezweifeln, dass es genügend Laufkundschaft gibt. Ringcenter und Gesundbrunnen-Center sind nicht weit. Nicht umsonst heißt ihre Bürgerinitiative „nichtnochncenter“. Mit bunten Bändern haben sie den Namen in den Zaun vor dem Schlachthof gebunden.
Noch ist nichts gebaut
„Aktuell ist das Gelände ein Kerngebiet für Gewerbe und Handel“, sagt Stahl. Wohnen sei nicht vorgesehen und auch kein Begegnungsort für den Kiez. Dabei ist Letzteres genau das, was die beiden und andere Anwohner vermissen. „Alles, was jetzt geplant ist, widerspricht komplett den Bedarfen der Bevölkerung.“ In dem Neubaugebiet gebe es momentan kaum Angebote für die Nachbarschaft.
Und so sprechen die beiden in einem Alternativkonzept von Urban Gardening und Bolzplatz auf der brachliegenden Wiese. In den Hallen hat es schon Veranstaltungen gegeben. Stahl und Bialas schweben ein dauerhafter Indoormarkt mit Kleingewerbe, Theater, Proberäume, Konzerte und Handwerk vor. Angesichts der genehmigten Investoren-Pläne sind das wohl Traumblasen. Aber noch ist nichts gebaut, denken sie.
Die Worte über mangelnde Nachbarschaft, befürchteten Abriss und ungeliebtes Kongresszentrum fallen in einem kleinen Espresso-Laden. Der liegt eine Straße weiter im benachbarten Friedrichshain. Denn der Zipfel vom Schlachthof ist zwar im östlichsten Prenzlauer Berg, ist aber umgeben von Friedrichshain und Lichtenberg. Das macht die politischen Zuständigkeiten und Empfindungen nicht einfacher.
„Wie viel zu retten ist, ist unklar.“
Kürzlich haben sich Bialas und Stahl im Namen der „nichtnochncenter“-Initiative an die Pankower Bezirksverordneten gewandt. Der Bezirk kümmert sich neben dem Senat um das Gelände. Die Anwohner wollen erreichen, dass der Bebauungsplan geändert wird. „Der B-Plan IV 2a ist vom Senat gemacht worden. Wir haben da als Bezirk derzeit keine Aktie“, teilt Pankows Bürgermeister Sören Benn (Linke) mit. Den Plan zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen, unterstütze das Bezirksamt aber.
Außerdem wird laut Bürgermeister Benn der Eigentümer aufgefordert, Erhaltungsmaßnahmen an den Gebäuden des Alten Schlachthofs vorzunehmen. „In welchem Zustand die Substanz ist und was davon zu retten ist, lässt sich durch bloßen Augenschein nicht sagen.“ Und damit auch noch nicht, wie viel Shoppingcenter und wie viel alternativer Kunst-Nachbarschafts-Treff an der Landsberger Allee entstehen wird – und vor allem wann.
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1 Kommentar
[…] Die Bürgerinitiative „nichtnochncenter“, die sich gegen die Pläne der Eigentümerin „UBX 2 Objekt Berlin GmbH“ stemmte, in den denkmalgeschützten Hallen Gastronomie und Einzelhandel unterzubringen sowie auf der Brache daneben ein Kongress- und Shoppingcenter zu errichten, besang die Unattraktivität des Standortes schon vor einem Jahr. […]