Ahmad Denno ist Initiator der ersten arabischsprachigen Plattform für Geflüchtete in Berlin. Im Gespräch erzählt der 25-Jährige von seiner Zeit in Notunterkünften und warum es ihm gerade in Prenzlauer Berg so gut gefällt.
Herr Denno, was bedeutet Eed be Eed, der Name Ihrer Plattform?
Eed be Eed bedeutet Hand in Hand. Die Plattform eedbeeed.de soll helfen, eine Brücke zu bilden zwischen Berlinern und Geflüchteten. Wir stellen dort wichtige Informationen zusammen für die Neuankömmlinge, etwa gesellschaftliche Regeln oder Anlaufstellen für verschiedene Angelegenheiten. Wir schreiben aber auch ganz normale politische Artikel oder geben Veranstaltungshinweise.
Die Seite ist bis auf das Impressum und einen Text über die Initiative komplett arabisch gehalten.
Das stimmt, wir richten uns mit der Plattform an die Geflüchteten und wollen ihnen durch unser Angebot helfen, hier in Berlin zurecht zu kommen. Viele Leute aus Syrien können kaum englisch, geschweige denn deutsch, und tun sich deshalb bei vielen bürokratischen Angelegenheiten, aber auch bei der gesellschaftlichen Teilhabe sehr schwer.
Sie schreiben in eben diesem Text über die Initiative, dass Sie sich als professionelle Plattform verstehen. Waren Sie in Syrien journalistisch tätig?
Nein, ich war dort im Marketing und habe gleichzeitig Maschinenbau studiert. Ich schreibe auch hier keine Artikel, das überlasse ich den vielen Spezialisten in unserem Team. Ich kümmere mich vielmehr um das drumherum, helfe die Plattform und das Netzwerk aufzubauen, sorge mich um die Finanzierung und darum, die Plattform bekannter zu machen.
Was genau kann man sich darunter vorstellen?
Nunja, wir haben ja gerade erst mit der Arbeit angefangen, die Plattform steht jetzt seit knapp einem Monat. Wir haben noch überhaupt kein Budget für unser Marketing etc., deshalb haben wir uns nun bei einem Förderprogramm beworben, bei dem jeder online zwischen mehreren Initiativen für Geflüchtete abstimmen kann.
Außerdem bereiten wir eine Crowdfunding-Initiative für Februar 2017 vor. Gerade bin ich auf der Suche nach wichtigen Arbeitsgeräten wie Laptops, Drucker, Kameras oder Aufnahmegeräte; wir sind hier auch auf private Spenden angewiesen. Außerdem benötigen wir Arbeitsplätze, denn bislang arbeitet jeder von zuhause aus. Zum Glück können wir nach vier Uhr wenigstens ein paar Räume der Evangelischen Schule Berlin Zentrum nutzen …
… für Konferenzen oder Meetings …
… genau. Unser Team besteht aus 30 Leuten, da reicht ein eine kleine Wohnung im Bötzowviertel nicht mehr aus. Wobei ich natürlich sehr froh und dankbar bin, dass ich überhaupt eine Wohnung gefunden habe.
Sie spielen auf die vielen Geflüchteten an, die immer noch in Notunterkünften leben müssen – wie etwa die in der Turnhalle an der Malmöer Straße, deren Auszug sich weiter hinauszögert.
Stimmt. Auch ich habe rund ein Jahr in Notunterkünften gelebt, angefangen von einem Zelt in der Turmstraße bis hin zu einer Turnhalle in Lichtenberg. Das Schlimmste ist, keine Privatsphäre zu haben. Bett an Bett, mit einhundert anderen Menschen im selben Raum, das ist sehr schwer durchzustehen.
Die Langeweile drückt die Stimmung sicher zusätzlich.
Ja, viele Geflüchtete wissen nicht genau, was Sie die ganze Zeit machen sollen. Ich persönlich habe mich aber ziemlich schnell an unterschiedliche Initiativen gewandt und den Kontakt mit Einheimischen gesucht. Ich habe also meistens etwas zu tun gehabt. Außerdem muss ich alle zwei Monate nach Trier fahren, weil dort meine Eltern untergebracht sind und Hilfe bei bürokratischen Angelegenheiten benötigen.
Ihre Eltern sind auch in Deutschland?
Ja, sie sind vor einem Jahr ebenfalls aus Syrien nach Deutschland geflohen, also ein Jahr nachdem ich hier ankam. Sie leben dort mit einem meiner älteren Brüder. Von meinen insgesamt vier Geschwistern lebt ein Bruder in Jordanien, einer in Großbritannien, meine kleine Schwester lebt in Ägypten und eben ein Bruder in Trier. Wir sind also ziemlich weit verstreut.
Konnten Sie nicht zusammen fliehen?
Nein, wir sind alle zu verschiedenen Zeitpunkten geflohen. Ich beispielsweise bin bereits 2011 ausgereist, nachdem mich die syrische Armee einziehen wollte. Ich war zunächst in Ägypten, später in der Türkei, bevor ich nach Deutschland aufgebrochen bin. Meine Eltern haben erst voriges Jahr unsere Heimatstadt Aleppo verlassen, es war dort einfach nicht mehr auszuhalten.
Wenn Teile Ihrer Familie auch in Deutschland wohnen, wieso leben Sie nicht zusammen?
Im Gegensatz zu meinen Eltern ist meine Aufenthaltserlaubnis noch nicht final geklärt, außerdem ist Berlin inzwischen zu meinem zweiten Zuhause geworden. Ich liebe die Stadt, weil sie so multikulturell ist. Und hier in Prenzlauer Berg ist es zudem noch sehr ruhig, die Nachbarn sind hilfsbereit und freundlich. Zusammen mit den Freunden, die ich hier in den vergangenen beiden Jahren kennengelernt habe und meiner neuen Arbeit fühle ich mich sehr wohl hier. Wenn nur der Winter nicht wäre!
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