Das Zweckentfremdungsverbot hat eine unerwartete Auswirkung: Plötzlich gibt es mehr kleine Eigentumswohnungen in Prenzlauer Berg. Und auch mehr Mietwohnungen? Fehlanzeige.
Dass manches anders wirkt, als gedacht wissen wir spätestens seit Albert Hofmann und seinem „missglückten“ Experiment 1943 (der Chemiker suchte ein Kreislaufmittel und entdeckte LSD). Auch das Zweckentfremdungsverbot wirkt, so lassen es die jüngsten Entwicklungen in Prenzlauer Berg vermuten, nicht ganz so wie gedacht. Das Ergebnis schickt Wohnungssuchende allerdings eher auf einen Horror- als einen bunten Trip.
Mehr Eigentumswohnunge zu verkaufen – zu stattlichen Preisen
Statt mehr Mietwohnungen gibt es nämlich laut Kennern des Immobilienmarktes jetzt mehr Eigentumswohnungen. Der Grund: So mancher Ferienwohnungsanbieter verschachert seine Räumlichkeiten lieber, als sie zu Mietpreisbremsen-Konditionen zu vermieten. Die meist kleinen (ein bis zwei Zimmer) einstigen Ferienwohnungen werden zu stattlichen 3600 bis 4000 Euro je Quadratmeter angeboten. Das führt dazu, dass der Erwerber sie, so er nicht selbst einziehen will, auch eine stattliche Miete verlangen will. Geht nicht, wegen der Mietpreisbremse? Doch!
Bei möblierter, befristeter Vermietung greift die gesetzlich verordnete Mietdeckelung nicht. So ist es möglich, dass die einstigen Ferienwohnungen jetzt als Kurzfrist-Mietwohnungen um bis zu 20 Euro pro Quadratmeter vermietet werden. Legal. Das ärgert auch Pankows dafür zuständigen Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne). Er spricht gegenüber den Prenzlauer Berg Nachrichten von „weichgespülten Regelungen“ und „absichtlichen Lücken“ im Gesetz, die man einflussreichen Immobilien-Lobbyisten mit guten Kontakten zum Senat zu verdanken habe.
Bezirk kämpft weiter gegen Ferienwohnungen
Trotz dieser aus Sicht der Befürworter des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes wenig erfreulichen Rahmenbedingungen und Marktentwicklungen kämpft der Bezirk weiter gegen illegale Ferienwohnungen.Derzeit sind bezirksweit sechs Mitarbeiter für illegale Ferienwohnungen zuständig, drei davon wurden von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung „geborgt“ (Amtsdeutsch: Abordnung). Die Zahl der seit April bis Mitte November über das Onlineportal des Senats erfassten Anzeigen liegt bei 642, hinzu kommen 906 Selbstanzeigen von Ferienwohnungsbetreibern in gesamt Pankow.
802 dieser selbst angezeigten Wohnungen liegen in Prenzlauer Berg. Immerhin 468 Amtsverfahren wurden bisher eingeleitet, 404 davon betreffend Prenzlauer Berger Wohnungen. Das klingt erstmal gewaltig. Die Zahl der verhängten Bußgelder und der wieder als normale Mietwohnungen verfügbaren Ferienquartiere hingegen macht wenig Hoffnung auf rasche Besserung der Wohnungsknappheit in Berlin – und Prenzlauer Berg: 20 Bußgeldverfahren wurden eingeleitet, nur eines davon ist bislang mit Bußgeldbescheid abgeschlossen – 5500 Euro Strafe will der Bezirk. Zwei weitere Verfahren laufen noch, die übrigen wurden – eingestellt!
Auch für die Kopenhagener Straße 72, wo „t&c Apartments“ sogar eine Rezeption für Ferienwohnungsvermietung eingerichtet hatte, laufen derzeit laut Bezirksamt keine Verfahren mehr. Wenn dort dennoch Urlauber aus und ein gehen sollten, liegt das daran, dass ein Teil des Gebäudes als Gewerbefläche gewidmet ist – und somit das Zweckentfremdungsverbot für dort liegende Ferienwohnungen nicht anwendbar ist.
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