Kunsthalle zu verkaufen

von Kristina Auer 18. November 2016

Vier Jahre lang machte das Künstlernetzwerk Platoon Station in Prenzlauer Berg – in einer Kunsthalle aus Überseecontainern. Die wird jetzt verkauft. Interview mit Platoon-Gründer Christoph Frank.

In dem Containergebäude an der Schönhauser Allee 9 ist es schon kalt und dunkel. Seit 2012 steht das ungewöhnliche Gebäude aus olivgrünem Blech und quadratischen Fenstern dort auf der Brache zwischen zwei Wohnhäusern.Der unübersehbare Schriftzug „Kunsthalle“ auf der Fassade macht nebst ungewöhnlicher Architektur nochmal extra-unmissverständlich klar, dass es sich hier um einen Ort handelt, der sich von der umliegenden Wohnidylle abhebt. Doch damit ist jetzt Schluss, denn: Die aus 33 Containern bestehende Halle muss bis Ende des Jahres dort weg. Platoon-Gründer Christoph Frank organisiert gerade den Verkauf der Halle. Und deshalb ist es nur noch im Bürocontainer warm und es brennt Licht. Dort treffen wir uns zum Interview.

 

Wer oder was ist Platoon?

Platoon ist ein Kunstprojekt mit ganz vielen verschiedenen Teilen. Einerseits sind wir ein Verein, andererseits eine Firma. Platoon ist ein Netzwerk aus rund 8.500 Kunstschaffenden in über 50 Ländern, die miteinander in Kontakt treten und gemeinsam arbeiten wollen. Wir sind immer auch ein Kulturort gewesen, seit 2000 an verschiedenen Orten in Berlin, von 2009 bis 2014 in Seoul in Korea und seit diesem Jahr im Rahmen des Deutschland-Mexiko-Jahrs in Mexiko City. Auf der anderen Seite sind wir aber auch eine Werbeagentur, die Kunstaktionen in Zusammenarbeit mit kommerziellen Auftraggebern realisiert.

 

Wie kommt man auf eine Kunsthalle aus Containern?

Die Idee dahinter ist, Kulturorte in der ersten Reihe zu ermöglichen. Es geht dabei um eine Sichtbarkeit im städtischen Raum, in vorderster Reihe von Straßenzügen. Andere kulturelle Institutionen müssen oft im dritten Hinterhof unterkommen und sind dann im Stadtbild quasi unsichtbar. Auf der anderen Seite beteiligen wir uns mit der Containerhalle nicht an der Immobilienspekulation, indem wir einen festen Standort kaufen, sondern nutzen urbane Freiflächen.

Platoon-Gründer Christoph Frank verkauft die Containerkunsthalle

 

Warum steht die Kunsthalle zum Verkauf?

Es war immer klar, dass wir das Grundstück an der Schönhauser Allee nur übergangsweise nutzen und dort irgendwann gebaut werden soll. Vorher haben wir das auch schon so gemacht, erst in einem leerstehenden Gebäude in der Münzstraße, dann 2002 mit den ersten Containern in der Weinmeisterstraße und ab 2007 in der Alten Schönhauser Straße. Die Schönhauser Allee war also unser vierter Standort in Berlin. Der Zeitraum für die Nutzung hier wurde mehrmals verlängert. In diesem Jahr war die Kunsthalle schon seit Mai geschlossen, weil eigentlich schon früher Baubeginn sein sollte. Es gab konkrete Pläne, mit der Kunsthalle ans Gleisdreieck umzuziehen. Das hat aber kurzfristig doch nicht geklappt, weil wir uns nicht mit den Grundstückseigentümern einigen konnten. Weil wir Anfang des Jahres hier weg müssen und kein geeignetes Grundstück für den Umzug gefunden haben, verkaufen wir jetzt die Halle.

 

Die mobile Container-Kunsthalle ist mehrere Hunderttausend Euro wert. Wieso habt Ihr Euch dafür entschieden, anstatt ein Gebäude zu kaufen, in dem Ihr vielleicht für immer bleiben könntet?

Das macht unflexibel im Kopf. Platoon zeichnet sich ja auch durch Komplexität aus. Damit meine ich jetzt nicht lokal sondern thematisch. Wir haben hier von einem Streetfood- oder Secondhand-Markt über Symposien, Konzerte, Filmvorstellungen, Performances, Ausstellungen, Workshops bis hin zu Veranstaltungen großer Firmen, zuletzt zum Beispiel einem Pop-up-Store der Elektroautomarke Tesla so ziemlich alles veranstaltet, was man sich vorstellen kann. Viele Kulturorte in Berlin beneiden uns für diese Flexibilität. Deswegen passt eine mobile Kunsthalle auch am besten zu uns.

 

Mal ganz platt gefragt: Ist die Gentrifizierung an allem schuld?

Nein, das kann man so nicht sagen. Die Kunsthalle hier an diesem Standort war ja von Anfang an als temporäres Projekt geplant. Aber als Kulturort, der räumlich flexibel sein und keine Immobilien kaufen will, ist man natürlich in diesem Kontext erstmal auf der Verliererseite. Das ist aber wie gesagt eine bewusste Entscheidung von uns.

Generell glaube ich, Kunstschaffende finden immer wieder neue Orte, an denen sie ihre Arbeit machen können. An sich ist das ja eine normale Entwicklung, dass Künstler einen Prozess anstoßen, bei dem sich ein Stadtteil völlig verändert und dann am Ende selbst immer weiter aus der Stadt herausgedrängt werden. Das sieht man überall, und teilweise finde ich das auch ok. In einer Stadt muss sich ja nicht zwangsläufig immer alles nur in der Mitte abspielen.

Inzwischen ziemlich kahl und dunkel: Die Containerkunsthalle von innen.

 

Also schadet Gentrifizierung dem Kunstbetrieb gar nicht so sehr, wie man vielleicht glaubt?

Natürlich kann man die Frage stellen, ob diese Entwicklungen nicht anders gestaltet werden könnten, und das wird ja auch überrall diskutiert. Dazu bräuchte es natürlich große regulatorische Anstrengungen von Seiten der Politik. Jedenfalls sehe ich das Problem eher für die Zurückgebliebenen, die dann in einem Stadtteil leben, der sich völlig verändert hat. So wie in Mitte, das ist jetzt halt einfach tot. Für die Menschen, die dort nach wie vor Leben, ist das ein großer Eingriff in die Lebensplanung. Die Kunst sucht sich einfach andere Orte.

 

Wie geht es für Euch in Zukunft weiter?

Wir sind jetzt auf der Suche nach einer neuen Heimat hier in Berlin. Heimat ist vielleicht das falsche Wort, eher neue Aufgabenfelder. Eine eigene neue Stätte in Berlin ist dafür erstmal nicht geplant. Wir sind aber sehr an Zusammenarbeit mit anderen Gruppen oder Oganisationen der Kulturszene interessiert und würden gerne sozusagen als Gäste in fremden Räumlichekeiten Projekte realisieren. Außerdem soll das weltweite Netzwerk weiter ausgebaut werden. Platoon will ja keine klassische Kunsthalle sein, die zum Beispiel eine feste Sammlung ausstellt. Es geht darum Räume zu schaffen, wo Ideen und Menschen sich treffen können.

 

(Fotos:ka)

 

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