Meine neuen Nachbarn mit Hashtag

von Anja Mia Neumann 29. August 2016

Die Umzüge der Prenzlauer Berger Geflüchteten aus den Sporthallen stehen an. Ab Ende der Woche soll es losgehen. Freunde und Helfer kämpfen mit einer Petition #MeineNeuenNachbarn dafür, dass die Menschen in Kieznähe bleiben können.

Nachtrag vom 31. August:

Zwei Tage nach Veröffentlichung dieses Artikels teilt das Bezirksamt mit: Anfang September soll die Flüchtlingsunterkunft in der Storkower Straße 118 eröffnen.

Das ist zwar recht vage, aber könnte die Bewohner der Turnhalle in der Malmöer Straße dennoch ein wenig hoffnungsfroh stimmen. Denn: „Schön wäre, wenn auch die Bewohner aus der Sporthalle Malmöer Straße dazu gehören würden und in die Storkower Straße 118 umziehen könnten. Das Bezirksamt setzt sich gegenüber dem Senat dafür ein“, sagt Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD).“

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Schon wieder gibt es einen Masterplan. Vom 1. bis 8. September steht wohl endgültig der erste Umzug jener Menschen an, die letztes Jahr nach Berlin flüchteten und nun in Notunterkünften in Prenzlauer Berg leben. Kurz vor den Wahlen am 18. September sollen die Turnhallen in der Wichertstraße und in der Winsstraße wieder frei werden.

Für Juliane Wolf, die ehrenamtlich in der Winsstraße arbeitet, ist das eine gute Nachricht. Aber mit ihrer Petition #MeineNeuenNachbarn an Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Sozialsenator Mario Czaja (CDU) will sie auch erreichen, dass niemand durch einen Umzug in ein tiefes Loch fällt, weil er seinen sozialen Anschluss verliert.

So eine Notunterkunft ist wie ein Mini-Dorf. Dort entstehen Strukturen, die Halt geben, sowohl zwischen den Bewohnern als auch zwischen den Bewohnern und der Nachbarschaft. Patenschaften zum Beispiel. Es gibt soziale Verknüpfungen, einige Geflüchtete gehen in Deutschkurse um die Ecke oder in Vereine“, erklärt die 29-Jährige. „Wenn das alles zerreißt, ist das wie eine Entwurzelung für die Menschen, die schon einmal ihre Heimat verloren haben.“

 

Ehrenamtliche Beziehungen könnten zerbrechen

 

Zerreißen könnten die Bande der Geflüchteten untereinander oder auch der Kontakt zu den ehrenamtlichen Helfern. Und zwar dann, wenn entweder geflüchtete Familien und Freunde getrennt werden oder wenn die neuen Unterkünfte weit entfernt von Prenzlauer Berg am Stadtrand liegen. Für ihre Forderungen bekommt Ehrenamtliche Wolf prominenten Beistand. Im Netz kursieren Fotos von Unterstützern der Petition, darunter auch von Schauspieler Benno Fürmann.

Schauspieler Benno Fürmann macht mit. Foto: Christina Feldt

 

Im Fall von Wichert- und Winsstraße scheint die Berliner Verwaltung den Wunsch nach Kieznähe beherzigt zu haben. Die Menschen sollen in die neue Gemeinschaftsunterkunft in der Heinersdorfer Treskowstraße ziehen, nur 10 Fahrradminuten von der Wichertstraße und 15 von der Winsstraße entfernt.

Doch Wolfs Forderung geht noch weiter: „Auch die allein reisenden Männer sollten nicht weggeschoben werden, sondern in der Nähe bleiben können. Das betrifft nicht nur Prenzlauer Berg, sondern ganz Berlin.“ Abschreckendes Beispiel ist für sie etwa die Massenunterkunft am ehemaligen Flughafen Tempelhof.

 

Menschen aus der Malmöer Straße sollen weiter weg ziehen

 

Tatsächlich sind die Pläne für die Menschen aus der dritten Prenzlauer Berger Halle in der Malmöer Straße nicht so rosig. Hier leben ausschließlich allein gekommene Männer und sie sollen weiter weg ziehen: in die Containerdörfer an der Elisabethaue in Blankenfelde und an der Siverstorpstraße in Karow. Das wären dann Wege nach Prenzlauer Berg, die unter 30 Minuten mit dem Auto kaum zu machen sind.

Der Abbruch der ehrenamtlichen Strukturen wäre so wohl vorgezeichnet. Ein wahres Ankommen versprechen die neuen Unterkünfte auch nicht, denn jene Tempohomes sind nur auf vergleichsweise kurze Zeit ausgelegt. Dem zum Trotz: Der Umzug aus der Malmöer Straße gen Norden könnte laut Bezirk ab Oktober anstehen.

 

Da steht eine neue Unterkunft leer

 

Dabei gibt es eine Alternative um die Ecke: in der Storkower Straße 118. Hier ist eine Gemeinschaftsunterkunft, seit Monaten fertig zum Bezug, aber offenbar noch immer nicht bezugsbereit. Grund ist wohl ein Clinch zwischen Land und Betreiber um den passenden Vertrag. Es gehe um Geld, hören die Prenzlauer Berg Nachrichten immer wieder von verschiedenen Beteiligten.

Der zuständige Senatssprecher Sascha Langenbach hüllt sich denn auch in Schweigen. Solange es kein Okay von Seiten der Verhandlungen gebe, könne er nichts weiter sagen. Außer: „Die Storkower Straße 118 spielt weiterhin eine Rolle in den Umzugsüberlegungen.“

Für die Integration am besten wäre natürlich eine Unterbringung der Menschen in eigenen Wohnungen und WG-Zimmern, ist sich die Ehrenamtliche Wolf sicher. Auch wenn das einfach sei. „Es ist klar, dass es in der Stadt voll ist und auch Urberliner nach einer Wohnung suchen. “ Doch die Helferin gibt zu bedenken: „Wenn wir die Geflüchteten nicht einbeziehen, haben sie gar keine andere Möglichkeit als eine Parallelgesellschaft zu bilden. Und das kann niemand wollen.“

 

Falls Ihr Angebote für Wohnungen oder Zimmer für Geflüchtete habt: Hier könnt Ihr Euch zum Beispiel bei Place4Refugees informieren.

 

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