Ausscheidungen und sonstige Absonderungen

von Anja Mia Neumann 28. Juni 2016

Ja, es geht um Hundekacke und um Müll. Aber auch um Wohnungsneubau, Fahrradwege und das Krankenhaus. Ein kleiner Abriss, von dem was unsere Bezirkspolitiker gerade auf der Agenda haben.

In dieser Woche ist es wieder so weit – unsere Bezirkspolitiker treffen sich in den ehrwürdigen, maroden Hallen in der Fröbelstraße und lenken die Geschicke Pankows. Und das zum letzten Mal vor der Sommerpause und zum vorletzten Mal vor der Wahl am 18. September.

Wir haben die wichtigsten Themen der Tagung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) für Euch zusammengefasst.

 

So lässt sich’s (nicht) wohnen

 

Auf großartigen 439 Seiten hat der Bezirk ein Wohnbaukonzept erstellt. Damit will Pankow dem Wachstum hinterher eilen und sich infrastrukturell für die Zukunft wappnen. Prenzlauer Berger Neubaupotenzial gibt es demnach – und das ist nicht neu – in der Michelangelostraße (etwa 1400 Wohnungen) und auf dem westlichen Teil des Güterbahnhofs Greifswalder Straße (600 Wohnungen). Dafür hat unser Baustadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) eine Arbeitsgruppe erschaffen: Die Damen und Herren von KIS, der wohlklingenden „Koordination Infrastruktur-Standortentwicklung“, dürfen Grundstücke finden, prüfen und notfalls auch kaufen. Das soll letztlich mehr Schulen, Kindergärten, Grünflächen und Spielplätze bringen.

Laut nach Gentrifizierung rufen zwei Mieter-Vermieter-Zwistigkeiten in der Erich-Weinert-Straße 3 und der Knaackstraße 60 bis 68. An die erste Adresse im Humannkiez schickte ein neuer Eigentümer einen Brief und bat einen Mieter um Entfernung eines Aufklebers an seiner Wohnungstür – und kündigte gleich schon mal die Kündigung an. Ein Versehen sei das gewesen, schrieb der Geschäftsführer später an die Prenzlauer Berg Nachrichten. Das mit der Kündigung. Aber der Aufkleber müsse weg: Sachbeschädigung.

Im Kollwitzkiez trifft es gleich einen ganzen Straßenzug an Mietern: Die landeseigene Gewobag kündigte, wie wir bereits schrieben, umfangreiche Modernisierungen an. Und die gehen selbstredend mit einer saftigen Mieterhöhung einher. Am Wochenende gingen die Mieter aus Angst um ihre Wohnungen auf die Straße. Die Bezirksverordneten fordern nun: „Bezirksamt und Gewobag sind deshalb dazu aufgerufen, die Modernisierung so zu gestalten, dass eine Verdrängung der jetzigen Mieterinnen und Mieter verhindert wird.“

Und jene Prenzlauer Berger, die gar keine Wohnung haben? Für die kursiert nun eine Idee, zumindest für den kommenden Winter: eine Traglufthalle für Obdachlose. Die soll auf einem landeseigenen Gelände (Greifswalder Straße 80D, hinter dem „Stinnes“ – Gebäude) aufgeschlagen werden. Dort, wo mal ein Containerdorf für Geflüchtete im Gespräch war. Entscheiden tut das aber der Senat.

 

Es geht um Grundversorgung

 

Der Bezirk Pankow hat ja zum Jahresbeginn sein Amt in der Fröbelstraße verschachert und es in die Hände vom Sondervermögen Immobilien des Landes Berlin (SILB) gegeben. Vor allem, um Kosten für die notwendige Sanierung zu sparen. Jetzt stellt sich aber heraus: Die Gebäude sind zu klein. Zumindest für die neuen Mitarbeiter, die unter anderem – endlich – dafür sorgen sollen, dass unsere bürgerschaftliche Versorgung mit Geburtsurkunden, Reisepässen und Ummelde-Registrierungen gewährleistet ist (letzteres eine nicht ganz unwichtige Sache für die bevorstehende Wahl). Für die 35 neuen Mitarbeiter hat sich das Bezirksamt tatsächlich „auf eine zusätzliche Anmietung von Büroflächen oder dauerhafte Unterbringung in modularen Ergänzungsbauten (MEB) verständigt“.

Kommen wir zu einem anderen Gebäude der Grundversorgung: dem Krankenhaus in der Fröbelstraße. Selten sind sich Bezirksverordneten so einig wie in diesem Fall, nämlich, dass die Abschaffung des Standorts bzw. der „Umzug“ ins Klinikum Friedrichshain bis 2018 inzwischen Blödsinn ist. Der Kiez wächst – und das Friedrichshain, wie viele es nennen, ist jetzt schon überfüllt und auch der Neubau dort wird nur Linderung verschaffen. „Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung ist es nicht nachvollziehbar, einen eingeführten und zentralen Klinik-Standort zur wohnortnahen Versorgung der Bevölkerung im Prenzlauer Berg an einer Stelle aufzugeben, wo nie wieder ein Ersatz geschaffen werden kann.“ Kurzum die Forderung: Das Klinikum Fröbelstraße soll bleiben! Das letzte Wort hat der Senat.

 

Auf unseren Straßen

 

291 politisch motivierte Gewalt- und Propagandadelikte gab es im letzten Jahr im Bezirk Pankow, sagt die polizeiliche Statistik. 180 davon kamen von Rechten. Und der Rest? Dann wohl von Linken. Eine spannende Erkenntnis, auch ob der Randale in der Rigaer Straße in Friedrichshain, die inzwischen Ausläufer in Prenzlauer Berg hat.

In Zeiten, in denen ein Volksentscheid für fahrradfreundliche Stadtgestaltung bei vielen Berlinern beliebt ist, kommt die Frage nach Pankows Fahrrad-Nebenroutennetz gerade recht. Bis 2017 soll laut Radverkehrsstrategie nämlich nicht nur Haupt- sondern auch Nebennetz ordentlich befahrbar und ausgeschildert sein. Vorbilder: Amsterdam und Kopenhagen. Nun soll das Bezirksamt berichten, wie bei uns der Stand der Dinge in Sachen Fahrradfreundlichkeit ist.

 

Ausscheidungen und sonstige Absonderungen

 

Der leckere Part der BVV betrifft Kot (und Urin). Kommen wir zunächst zum menschlichen. In Pankow gibt es zu Zeit 21 noch City-Toiletten – wo auch immer die alle stehen mögen. Es könnten aber bald sehr viel weniger werden, nämlich 21– 20 = 1. Hintergrund ist, dass der Senat nur noch jene erhalten will, die „wirtschaftlich zu betreiben“ sind. Das stinkt einigen Bezirksverordneten gewaltig.

Hundetoiletten, mit dem hübschen Namen Dogstations, sollen dagegen häufiger werden. Überall dort, wo viele Gassigänger unterwegs sind. Das käme auch dem neuen Berliner Hundegesetz entgegen, das zum Tütenzwang verpflichtet. Die formschönen Säulen enthalten etwa „Tütenspender für bis zu 1200 Tüten, Abfallsammler mit 18 l Inneneimer aus verzinktem Stahlblech“. Beide Anträge in Sachen Kacke stammen übrigens aus Reihen der CDU.

Nahezu beschlossene Sache ist der Kampf gegen Spielplatz-Müll. Allerdings nur gegen jenen im Gleimviertel auf dem Spielplatz in der Rhinower Straße. Hier gebe es so viel Müll, dass dringend größere oder weitere Eimer hermüssten. Was so exklusiv klingt, ist es aber gar nicht. Um die Ecke auf dem Humannplatz könnte der Bezirk dann gleich weitermachen. Kleiner Tipp für die Mülleimer-Anschaffung: Krähen verstreuen das Zeug auch gern auf dem Sand.

 

Und noch was Kulturelles

 

Etwas mit heimischer Kunst zum Schluss: Wenn es nach den Bezirksverordneten geht, gibt es bald eine Kunstausstellung namens „Made in Pankow“. Sie wird die „Bestände der Kunstsammlung des Bezirks im Rahmen einer Ausstellung umfassend zu präsentieren und durch Leihgaben sinnvoll zu ergänzen, um die gesamte Bandbreite der in Pankow entstandenen bzw. sich mit Pankow beschäftigenden Kunst darzustellen.“ Interessierte Menschen, Galerien, Vereine und Institutionen sollen sich neben Kunsthochschule Weißensee und Atelierhaus Prenzlauer Promenade beteiligen dürfen. Mal schauen, was das Bezirksamt zu dieser kunstvollen Idee sagt.

 

 

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