Was nun, Herr Maaz?

von Susanne Grautmann 9. Februar 2016

Wir haben Prof. Dr. Kai Maaz vom Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung gefragt, wie er die momentane und die zukünftige Schulsituation in Pankow einschätzt.

 

Professor Maaz, in Pankow müssen in den nächsten Jahren tausende Schulplätze geschaffen werden. Weil Zeit und Platz knapp sind, werden viele Schulen durch Modulbauten erweitert. Ist das der richtige Ansatz? 

Die Situation stellt eine riesige Herausforderung dar. Einerseits muss man jetzt schnell Schulraum schaffen, andererseits wissen wir, dass das Alter der Bevölkerung immer Zyklen unterliegt. In einigen Jahren können auch in Pankow wieder deutlich weniger Schulen gebraucht werden. Insofern sind intelligente Lösungen erforderlich, die mobile Bauten nicht grundsätzlich ausschließen. 

Man sollte künftig Gebäude- und daran gekoppelte Nutzungskonzepte entwickeln, die es zulassen, dass Schulen später vielfältig und auch für andere Zwecke genutzt werden können. 

 

Eine neue Schule zu bauen, dauert zurzeit allerdings sieben bis zehn Jahre in Berlin

Das ist zu lang. Um den Ablauf zu beschleunigen, wird man bestimmte Prozesse zentraler steuern müssen. Natürlich ist es wichtig, dass eine Schule in ihrem Kiez verankert ist und sich die Leute im Kiez mit ihr identifizieren. Aber das ist auch bei Schulen möglich, die in einem strafferen Verfahren entstehen. An diesem Punkt kann man nicht mehr so lange auf neue Schulen warten. Ansonsten wird der Bezirk von dem Problem erschlagen. 

 

Was schlagen Sie vor? 

Zumindest in der Sekundarstufe können Familien auch über die Bezirksgrenzen hinweg denken. Das machen Eltern auch, indem sie zusammen mit ihren Kindern ganz gezielt Schulen wählen – auch Schulen, die nicht im unmittelbaren Kiez liegen. Damit ist das Problem nicht gelöst, aber es macht deutlich, dass die Sicherung des Schulangebots nicht allein aus der Perspektive der Bezirke zu lösen sein wird, sondern einen weiteren Blick auf das Schulsystem voraussetzt.

Manchmal gibt es sicherlich auch Denkbarrieren, ein Kind an einer Schule in einem anderen Kiez oder Bezirk anzumelden. Zum Beispiel dann, wenn zwei Kieze in ihrer Struktur sehr unterschiedlich sind, wie das bei Prenzlauer Berg und dem Wedding der Fall ist. Solche Barrieren können nur durch gezielte Informationen der Eltern entkräftet werden. 

 

Und im Grundschulbereich?

Die Wege zur Grundschule sollen natürlich kurz bleiben. Neuen Schulraum zu schaffen, wird daher für den Primarbereich unumgänglich sein.

Man könnte auch, so unpopulär es ist, über eine moderate Erhöhung der Klassenstärken nachdenken. Das wird vermutlich auf großen Widerstand stoßen, weil Eltern sich verständlicherweise kleine Klasse für ihre Kinder wünschen.Viele Eltern glauben, dass die Größe der Klassen ausschlaggebend für die Qualität von Schule ist. Es gibt aber keine empirische Evidenz dafür, dass Kinder in geringfügig kleineren Klassen besser lernen als solche in etwas größeren.

Wenn man über die Klassenstärke nachdenkt, muss in jedem Fall die Sicherung der Qualitätsstandards die erste Prämisse bleiben. Dies betrifft aber nicht nur die Klassenstärke, sondern bezieht sich auf alle Stellschrauben, an denen man dreht. Sonst schießt man ein Eigentor. 

 

Vielen Dank für das Gespräch. 

 

 

Weitere Texte zu unserem aktuellen Schwerpunkt „Schule“: 

 

Baustelle Schulpolitik: Pankow braucht in den nächsten Jahren Schulen ohne Ende. Es fehlt an Grundschulen, Sekundarschulen und Gymnasien. Der Bezirk wächst seit Jahren, doch der Schulbau hinkt hinterher. 

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School-Leaks: „Ich könnte mich tagelang ereifern.“ Das schreibt ein Teilnehmer unserer Umfrage zur Lage an den Schulen – und spricht damit wohl vielen von Euch aus dem Herzen. Wo der Schuh drückt, lest Ihr hier.

 

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