Wer als Startup-Gründer in Prenzlauer Berg ein Büro mieten will, muss alles offenlegen, selbst sein polizeiliches Führungszeugnis. Die Anforderungen der Vermieter sind enorm. Gefährden sie somit Berlins wichtigen Wirtschaftszweig?
Darum geht es hier:
- Startup-Gründer haben es schwer, ein Büro in Prenzlauer Berg zu mieten
- Anforderungen der Mieter sind sehr hoch
- Das gefährdet unsere Gründerszene
Wenn man Stefanie Jarantowski eine Weile zuhört, bekommt man den Eindruck, sie wäre gerne Personenschützer von Barack Obama geworden. Oder Nanny für die frisch geborene britische Prinzessin Charlotte. Oder Nachbarin von Angela Merkel. Oder sonst etwas Wichtiges, das es rechtfertigte, so viele private Informationen von ihr einzufordern – von der privaten Schufa über den Beleg der Wirtschaftlichkeit ihres Unternehmens bis hin zum polizeilichen Führungszeugnis.
Doch Jarantowski wollte einfach nur ein Büro für ihr Startup mieten. In Prenzlauer Berg ein Vorhaben mit Garantie zum Wahnsinnigwerden, wie sie nun weiß.
Vor vier Jahren machte sich die junge Prenzlauer Bergerin mit einer Plattform für Event-Locations selbständig. Mittlerweile lassen sich auf eventsofa.de deutschlandweit über 7000 Orte für Veranstaltungen finden und buchen. Das Geschäft läuft und wächst. Zum Jahresanfang wurde das zum Problem.
Leerstand vorhanden, Vermietungswillen nicht
Bis dahin war das Unternehmen Untermieter in einem Gemeinschaftsbüro im Humannkiez. Doch für Expansion war dort kein Platz. Um neue Mitarbeiter einstellen zu können, mussten größere Räume her. „In der Gegend sind mir immer wieder leer stehende Büros aufgefallen. Ich dachte, da könne es nicht schwer sein, eines zu finden“, meint Jarantowski. Dass die eigentliche Schwierigkeit darin besteht, als Startup auch eines davon mieten zu dürfen, lernte sie bald.
Die Geschichten, die Jarantowski von ihrer Bürosuche erzählt, sind abenteuerlich: Mal sollte sie statt der üblichen drei sechs Monate Kaution zahlen, mal einen Vertrag mit fünf Jahren Laufzeit unterschreiben – das ist länger, als Eventsofa bisher besteht. Ein Gründerzentrum forderte von ihr, dass sie ihre UG – eine Art Mini-GmbH für Gründer – in eine richtige GmbH umwandelte, und sagte ihr dann doch ab, nachdem sie dies angeschoben hatte. Andere ließen sich ein riesiges Informationspaket samt diverser privater Daten wie einem polizeilichen Führungszeugnis übermitteln und meldeten sich dann nie wieder. Und als doch einmal ein Vertrag zustande kommen sollte, war dieser extra lang und kompliziert und sah unter anderem vor, dass Jarantowski ihn mit persönlicher Haftung unterschreiben und dubiose Verpflichtungen zur Instandhaltung der Räume akzeptieren sollte.
Der Bundesverband rät: verhandeln
Solche Berichte kennt Sascha Schubert vom Bundesverband Deutscher Startups zur Genüge. „Es wird alles immer schlimmer und umfangreicher“, meint er. Gerade in den ersten Jahren, in denen die Einkünfte der Unternehmen noch nicht so bombastisch seien, sei es besonders schwer, ein Büro überhaupt mieten zu dürfen – von den Problemen, deren hohe Mieten auch zu bezahlen, ganz zu schweigen.
„Unser Rat ist: verhandeln“, sagt Schubert. Oft gebe es bei Gewerbeflächen nicht so viele Mitbewerber, sodass man einen gewissen Spielraum habe. Bei Verträgen mit besonders langer Laufzeit rät er zu einer Untermietklausel, die es einem erlaubt, im Falle eines früheren Auszugs unterzuvermieten. Und wenn das alles nichts helfe, gebe es immer noch Coworking-Spaces, deren Anforderungen wesentlich geringer seien. „Das lassen sie sich allerdings bezahlen.“
Tatsächlich kostet etwa bei Mobilesuite in der Pappelallee ein fester Platz in einem abschließbaren Büro 400 Euro im Monat. Dafür hat man nur drei Monate Kündigungsfrist, darf seine Daten behalten und kann im Zweifelsfall einfach ein paar Schreibtische dazubuchen, wenn das Unternehmen wächst.
Die schlechten Erfahrungen der Vermieter
Dass Vermieter sich absichern wollen, ist für Hilturd Sprungala hingegen selbstverständlich. „Natürlich will man sich vergewissern, wer der Vertragspartner ist“, sagt die Geschäftsführerin der Berliner Sektion des Bundesverbandes freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen. Wie umfangreich die Informationen ausfielen, die man vom potentiellen Mieter anfordere, hinge von der Art des Gewerbes ab und sei auch mitgesteuert von schlechten Erfahrungen. „Es gilt Vertragsfreiheit“, meint sie.
Darauf verweist auch Reiner Wild vom Berliner Mieterverein. „Im Gegensatz zum Wohnmietrecht gibt es bei Gewerbe wenig Regulierung“, erklärt er. Wer einen Vertrag abschließen wolle, müsse sich an die Vorgaben des Vermieters halten. Und lange Laufzeiten hätten ja auch ihr Gutes: „Wer einen Fünf-Jahres-Vertrag unterschrieben hat, der hat auch fünf Jahre Ruhe.“
Da ist der Berliner Senat mal gefragt!
Für Stefanie Jarantowski hat sich am Ende doch eine andere Lösung gefunden. In Mitte hat ihr eine Designagentur ein paar Schreibtische untervermietet. „Ich habe jetzt einen ganz einfachen Vertrag ohne Stolperfallen und eine faire Kündigungsfrist von vier Monaten“, erzählt sie.
Auf dem freien Markt wollte ihr niemand ein solches Angebot machen. Für Berlin als Startup-Hauptstadt könne das auf die Dauer zum Problem werden, meint Sascha Schubert vom Bundesverband. „Wir brauchen auch die Unternehmen in der Frühphase, damit diese sich hier entwickeln, Arbeitsplätze schaffen und weiter ihre wichtige Rolle für die Berliner Wirtschaft spielen können“, sagt er.
Von Berliner Vermietern erwartet er dabei wenig Unterstützung. Aber das Land Berlin könne ja seine langeseigenen Immobilien für Gründer anbieten.
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