Ein Chemie-Experiment eskaliert, es gibt einen Schwerverletzten. So geschehen am Schliemann-Gymnasium. Dem jungen Mann soll es zwar besser gehen. Bleibt die Frage, ob sich etwas ändern muss.
Es ist der Super-GAU im Chemie-Unterricht: Ein eigentlich harmloses Experiment läuft in der 13. Klasse der Heinrich-Schliemann-Oberschule aus dem Ruder. Es gibt eine Stichflamme, weil sich vermutlich Brennspiritus unkontrolliert entzündet. Bei der Verpuffung erleidet ein 17-Jähriger schwere Verbrennungen und kommt auf die Intensivstation.
Die sogenannte Pharaoschlange hatte im Februar in der Dunckerstraße eigentlich für verblüffte Gesichter unter den Schülern sorgen sollen. Denn: Bei dem Versuch mit erhitzten Emser-Pastillen entstehen gewissermaßen Schlangen aus Kohlenstoff. Letztlich endete er dramatisch.
Ein Unfall wie beim Grillen
Wie wurde aus dieser Chemie-Show ein solch ernsthafter Unfall? Eine Antwort aus der zuständigen Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft legt jetzt nahe, dass unsachgemäß mit der gefüllten Spiritusflasche hantiert wurde.
„Dieser Unfall entspricht in seinem Ablauf den Unfällen, die beim Grillen schon des öfteren passiert sind“, erklärt die Sprecherin von Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD). „Wenn man aus einer geöffneten Spiritusflasche die Flamme bzw. die Glut verstärken möchte, kann die Flamme dabei in die Flasche zurückschlagen, zum Platzen bringen und zu einer gefährlichen Verpuffung des Ethanols führen.“
Das klingt nach viel Leichtsinn, wenn so geschehen. Die Polizei ermittelte wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen den Chemielehrer, der den Unterricht leitete. Ein üblicher Vorgang. Ob dem weiterhin so ist? Die Polizei verweist auf die Berliner Staatsanwaltschaft, die den Fall Anfang April übernommen habe. Ohne Vorgangsnummer kann die aber keine Auskunft geben. Letztlich heißt es: Die Akte liege noch „in der Registratur“.
Zu brisantes Material für zu wenig geschulte Lehrer?
Bleibt auch die Frage, ob das alles so korrekt läuft mit den Chemie-Experimenten in den Schulen Prenzlauer Bergs, Pankows und Berlins. Auf Bezirksebene beschäftigt sich der Schulausschuss mit dem Vorfall in der Schliemann-Schule.
„Seit Jahren beobachte ich, dass im Chemie-Unterricht immer wieder Schüler und Lehrer in Mitleidenschaft gezogen werden. Für mich steht da einiges im Raum“, sagt der Ausschussvorsitzende Stefan Blauert (CDU), der selbst Diplom-Ingenieur und Lehrer für Religion ist. Er vermutet dahinter einen systematischen Fehler an den Berliner Schulen. „Vielleicht ist das Personal nicht ausreichend geschult oder es wird zu brisantes Material verwendet, mit dem die Lehrkräfte nicht umgehen können.“ Auch Lehrer, die fachfremd unterrichteten, seien ein Thema.
Dem verletzten Schüler der Schliemann-Schule, der mit schweren Verbrennungen auf der Intensivstation lag, scheint es inzwischen besser zu gehen. Das hat laut Blauert die Leiterin von Pankows Schulaufsicht, Susanne Füllgraf, in der letzten Ausschusssitzung mitgeteilt. Ansonsten sind die Angaben zum Unfall und den Folgen aus seiner Sicht aber bislang spärlich.
Auch Betroffene geben sich schweigsam und daran lässt sich wohl ablesen, wie heikel der Vorfall tatsächlich ist. Aus dem Schulsekretariat der Heinrich-Schliemann-Schule heißt es harsch: „Keine Auskunft.“ Und auch eine Anfrage an die Gesamtelternvertretung der Schule bleibt unbeantwortet.
Sport-Unterricht soll gefährlicher sein
Muss sich also etwas ändern im Umgang mit Chemikalien in der Schule? Die Senatsverwaltung verweist zu dieser Frage auf die Richtlinien zur Sicherheit im Unterricht. Erst im August 2013 seien sie verschärft worden. Außerdem gebe es laut Statistik wesentlich mehr Verletzungen im Sport-Unterricht als im Chemie-Unterricht oder in den anderen Naturwissenschaften.
Sollte man indirekt zeigen wollen, was gefährlicher ist, wirkt das wie ein Vergleich von Äpfel und Birnen. Um schwere Verbrennungen geht es im Sport wohl eher seltener als um verknackste Knöchel und um ausgekugelte Schultern.
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