Ferienwohnung: Unerwünscht, irgendwie

von Thomas Trappe 27. März 2015

Illegalen Ferienwohnungen wird in Berlin der Kampf angesagt. Wenn sie nicht gerade als Standortvorteil beworben werden. Halbherzigkeit scheint bei dem Verbot Methode zu sein.

Das Ärgernis in der Kopenhagener Straße 72, es existiert nicht mehr, auch nicht mehr online. „Hochwertige Apartments“, wurden im Internet kürzlich noch beworben, „nur einen kurzen Spaziergang von zahlreichen stilvollen Geschäften, Bars und Restaurants entfernt“. Jetzt kann man hier nichts mehr buchen. Die Betreiber des ehemaligen Quasi-Hotels sind nicht mehr zu erreichen, ihr Telefonanschluss führt ins Leere. Ein Leser berichtet, dass hier auch keine Touristen mehr zu sehen seien, und auch keine Rezeption. Das Aus kommt dem Bezirk gelegen, schließlich kämpft er schon lange gegen diese und andere Ferienwohnungen, die in Mietwohnungen angesiedelt sind. Das Land gab ihm dazu kürzlich ein Instrument in die Hand: Die sogenannte Zweckentfremdungsverbotsverordnung. 

Nun also ein erster Erfolg in der Anwendung, in der Kopenhagener Straße 72? Mitnichten, wie der für das Verbot zuständige Stadtrat Torsten Kühne (CDU) auf Anfrage erklärt. Sein Ordnungsamt jedenfalls habe keine Schließung angeordnet, unter Umständen habe es ja baurechtliche Probleme. Aber auch die gibt es nicht, wie der Stadtrat für Stadtenwicklung Jens-Holger Kirchner (Grüne) auf Anfrage mitteilt. Der durchschlagende Erfolg der von vielen Prenzlauer Berger Politikern gefeierten Zweckentfremdungsverbotsverordnung, oder wenigstens eine erste Exekution derselben, lässt also weiter auf sich warten. Und es stellt sich die Frage, wie ernst man das Verbot überhaupt noch nehmen sollte? Wie ernst es das Land und der Bezirk nehmen?

 

Selbstanzeiger sind die ehrlichen Dummen

 

Kontrollieren jedenfalls kann man es schon mal nicht. Seit das Zweckentfremdungsverbot vor knapp einem Jahr rechtskräftig wurde, klagt Stadtrat Kühne, dessen Partei sowieso nicht gerade zu den Verfechtern dieser Politik gehört, dass es eigentlich an allem fehlt, um es umzusetzen. Zum Beispiel Personal, weil Stellen nur zaghaft vom Land bewilligt werden und dies sehr lange dauert. Laut Kühne gibt es für den Bezirk Pankow bis jetzt eine „Überhangskraft“, also einen Mitarbeiter, der aus einen anderem Amt abgezogen wurde. Demnächst soll es eine weitere Überhangkraft geben, und außerdem zwei neue Stellen, für die gerade die Bewerbungsgespräche liefen. „So dass voraussichtlich in den nächsten Wochen das ausgewählte Personal zur Verfügung stehen wird“, erklärt Kühne. „Dieses bedarf dann allerdings noch einer mehrmonatigen Einarbeitungszeit, bevor es die Aufgaben vollumfänglich wahrnehmen kann.“

Eigentümer von Ferienwohnungen konnten bis 1. August 2014 Anträge auf Bestandsschutz bis 2016 einreichen, davon haben im Bezirk Pankow laut Kühne 920 Menschen Gebrauch gemacht. Dieser Berg wird derzeit noch abgearbeitet, in der Mehrzahl wurde bisher Bestandsschutz genehmigt. Ärgern können sich all jene, die ihre Ferienwohnung selbst angezeigt haben und denen kein Bestandsschutz zuerkannt wurde – sie sind die ehrlichen Dummen. Denn ganz freimütig schließt Kühne aus, dass sich das Amt selbst auf die Suche nach nicht genehmigten Ferienwohnungen begeben wird. „Mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen wird eine proaktive Recherche nach Ferienwohnungen kaum leistbar sein“, meint Kühne, „lediglich die Antragsbearbeitung und Abarbeitung von Hinweisen zur Zweckentfremdung wird wohl möglich sein“. Das gelte für „absehbare“ Zeit, „Vor-Ort-Kontrollen kann es nur im Einzelfall geben“. Doch ohne solche unangekündigten Besuche wird eine Zweckentfremdung kaum zu beweisen sei. Vor allem, weil eine solche nicht vorliegt, wenn die Ferienwohnung zu 50 Prozent privat genutzt wird. Das heißt, das Amt müsste das Gegenteil beweisen.

 

Senat machte sich für Olympia selbst zum riesigen Airbnb

 

Nach Kühnes Kenntnisstand sind berlinweit bisher gerade einmal 4,5 Stellen regulär besetzt, das ist pro Bezirk nicht mal eine halbe Stelle, oder pro Million Einwohner etwas mehr als ein Sachbearbeiter. Was der Vermutung, die Stadt Berlin nehme es nicht allzu wichtig mit ihrem Ferienwohnungsverbot, ein wenig die Unverschämtheit nimmt. Zumal, wenn man auf ein anderes gescheitertes Projekt der Senatsverwaltung schaut: Die Olympiabewerbung. In der wurde nämlich überraschend deutlich gesagt, was eine große Menge an ungenehmigten und damit meist relativ billigen Ferienwohnungen auch sein kann. Seite 38 der offiziellen Bewerbungsbroschüre: „Sowohl im gehobenen Segment als auch im Budget-Bereich kann Berlin überzeugen“, heißt es dort. „Im Wettstreit der Metropolen profiliert sich die deutsche Hauptstadt neben Modernität, Design und Style auch mit einem exzellenten Preis-Leistungs-Verhältnis.“ Nur wenig verdruckst lobpreist das Land also hier die Wirkungen des grauen Marktes der ungenehmigten Ferienwohnungen. Denn diese sind Garant dafür, dass die Preise so niedrig sind.

Es ist nicht davon auszugehen, dass das Werben mit billigen Wohnraum ein Ausrutscher war, zumal es ja nicht das erste Mal ist. Mit dem sogenannten „Housing Programm“, das ebenfalls Bestandteil der Olympiabewerbung war, machte sich Berlin selbst zu einem überdimensionalem Airbnb: Berliner, so war es vorgesehen, sollten ihre Wohnungen für internationale Gäste öffnen, damit die hier die Stadt erleben können. Martin Pallgen, Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, weist die Frage, ob man damit nicht Zweckentfremdung von Mietwohnungen befördert hätte, weit von sich. Eine Beherbergung hätte ja „nicht primär dem Zweck des Geldverdienens“ gedient, „sondern dem Geist der Völkerfreundschaft“ geatmet – und selbstverständlich hätten die gastfreudigen Berliner auch keine Miete verlangt. Sicher doch. Eine Vision, die wahrscheinlich genauso schlüssig ist wie Olympia in Berlin.

 

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Verbot

 

Die Stadt scheiterte bekanntlich recht deutlich gegen Hamburg. Doch die Frage, ob Berlin die vielen ungenehmigten Ferienwohnungen eigentlich als zu bekämpfendes Ärgernis betrachten will oder doch als Standortvorteil, ist damit nicht aus der Welt. Schließlich ist der Tourismus eine der wichtigsten Säulen vieler Einzelhändler in der Stadt, zum Beispiel in der Kastanienallee oder anderen belebten Ecken von Prenzlauer Berg. Der Stadtteil ist eine Schwerpunktregion der in Berlin vermieteten Ferienwohnungen. Schätzungsweise eineinhalbtausend gibt es hier mindestens. Dem gegenüber stehen gerade einmal 19 der 300 Berliner Hotels, die vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) offiziell klassifiziert sind. Dass Touristen so gerne nach Berlin und speziell Prenzlauer Berg kommen, hat auch mit den dort vorhandenen Ferienwohnungen zu tun. Nicht umsonst ist Dehoga Berlin ein großer Verfechter des Zweckentfremdungsverbots. „Ungenehmigte Ferienwohnungen erhöhen den Preisdruck auf die Hotels“, begründet Sprecherin Kerstin Jäger.

Der Hotel-Lobby steht eine Allianz aus Unternehmen entgegen, die mit der Vermittlung privaten Wohnraums Geld verdienen – und die haben inzwischen äußerst relevante Fürsprecher. Airbnb, Wimdu, HouseTrip und die ApartmentAllianz präsentierten vor zwei Wochen ein 170 Seiten langes Gutachten, das wenig überraschend zu dem Schluss kam, dass das Zweckentfremdungsverbot nicht haltbar sei. Überraschend allerdings war, dass es der ehemalige Präsident des Berliner Verfassungsgerichtshofes, Helge Sodan, war, der in dem Gutachten das Verbot gleich als verfassungswidrig einstufte. 

 

Stadtrat: Rechtsweg steht offen

 

Das Verbot, so seine Kritik, differenziere nicht nach Stadtteilen, verbiete also auch dort Ferienwohnungen, wo gar kein Wohnungsmangel zu verzeichnen sei. Es verletze „essentielle Grundrechte durch den massiven Eingriff in die Eigentumsfreiheit der Vermieter und, speziell zu Lasten gewerblicher Vermieter, auch die Berufswahlfreiheit“. Für Sodann ist das Verbot damit „nicht hinreichend durchdacht und weist gravierende Mängel auf“. Da nach aktuellen Schätzungen die Wohnungen, die potenziell wieder einer regulären Vermietung zugeführt werden könnten, „nur zirka 0,2 Prozent des Berliner Gesamtwohnungsbestandes“ ausmachten , stünden die „schweren Belastungen in keinem vernünftigen Verhältnis zu den daraus der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen“.

Pankows Stadtrat Kühne kennt die Einlassungen des Professors Sodan, will sie aber inhaltlich nicht kommentieren. Sodans Beurteilungen hätten jedenfalls „keinerlei Einfluss auf die geltende Rechtslage im Land Berlin“, sagt Kühne, was durchaus offen lässt, ob er diese Haltung des Landes für klug hält. Seine Behörde halte sich jedenfalls an das geltende Gesetz. „Wenn rechtsmittelfähige Widerspruchsbescheide bei abgelehnten Anträgen erstellt sind, steht es jedem Antragssteller frei den Rechtsweg zu suchen und die zuständigen Gerichte die Rechtsmäßigkeit der geltenden Rechtslage überprüfen zu lassen“, so Kühne.

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