Brief an Buch

von Thomas Trappe 25. November 2014

Im Ortsteil Buch wehren sich besorgte Rassisten gegen ein Asylbewerberheim. Und das Bezirksamt schreibt einen denkwürdigen Brief. Eine polemische Interpretationshilfe.

In Buch hat niemand was gegen Ausländer, nur kriegt mancher innerlich gerade sehr leicht einen steifen Arm, wenn das Wort Asylbewerberheim fällt. Mitunter rülpst der besorgte Bucher Bürger dann, dass „ich ja kein Rassist bin“ und er ja gerne helfen würde, nur eben nicht gerade jetzt und hier, wo man alle Hände voll mit Weihnachten und RTL zu tun hat. Vielleicht googelt er dann noch „Asyl bewehrber buch verreken“ und nach einer Weile wird er sehen, dass er nicht alleine ist mit seinem einschlägigen Frust. Asylbewerber arbeiten nicht und nehmen uns die Arbeit weg, außerdem kommen sie mit lauter Nachwuchs im Bauch hierher und vergewaltigen den unseren. Ist der besorgte Bürger dann genügend erregt und kann sich ausnahmsweise mal zu einer Kraftanstrengung aufraffen, schmeißt er einen Zaun um, der ein Gelände absperrt, auf dem später mal ein Containerhaus für Asylbewerber entstehen soll. Oder er bleibt zu Hause, malt was ins Facebook, gegen die Islamisten. Startet eine Petition gegen Asylmissbrauch. Verprügelt seinen Hund.

Man wird schnell bekloppt und schwelgt in politisch fragwürdigen und besser nicht zu kommunizierenden Lösungsansätzen, verirrt man sich auf den einschlägigen Hass-Spielplätzen von Bucher Rassisten, die gerade alles daran setzen, dass keine Bürgerkriegsflüchtlinge ihren gut abgehangenen Alltag stören.

Die Stadträte und der Bürgermeister des Bezirks Pankows formulierten deswegen einen Brief, der gerade an die Bucher Haushalte rausging und die Sorgen der Anwohner auffangen soll. Sorgen: Das klingt so entspannt, und tatsächlich kann man die Frage stellen, ob die Ansiedlung von knapp 500, zum Großteil wahrscheinlich traumatisierten Menschen, einen Stadtteil wie Buch nicht etwas viel abverlangt. Aber darum geht es bei den Bucher Protesten offensichtlich ja nicht, zu fratzenhaft geriert sich der Widerstand gegen die Flüchtlinge. Zu offensichtlich ist, schon rein phänotypisch, die dumpfe Aggressivität dahinter. Und deshalb lohnt es sich, den Brief mal genauer anzuschauen. Was soll er eigentlich sagen? Und wem?

 

Asylbewerber sind Grundwasser-unschädlich

 

Zunächst einmal entschuldigt sich das Bezirksamt für die Unannehmlichkeiten. „Das Bezirksamt war an der Entscheidung des Senators zu keinem Zeitpunkt beteiligt“, heißt es zu dem Beschluss, auch in Buch Asylbewerber aufzunehmen. „Die Bucher wurden überrascht und teilweise verunsichert. Viele Bürger wenden sich mit Fragen an das Bezirksamt und äußern ihre Sorgen über das friedliche Zusammenleben in Buch.“ Es wird dann an das Grundrecht auf politisches Asyl hingewiesen, und davor gewarnt, sich rassistischen Protesten anzuschließen. „Lassen Sie sich nicht vor diesen Karren spannen. Behauptungen, dass durch die Flüchtlingsunterkunft in Buch die Kriminalität steige und die Bucher Kinder keinen Kita- oder Schulplatz mehr erhalten würden, entbehren jeder Grundlage.“ Auch das Grundwasser wäre durch die Unterkunft nicht in Gefahr, da die für die Container vorgesehene Fläche an der Karower Chaussee schon seit 2009 kein Trinkwasserschutzgebiet mehr sei. 

Die im Schreiben aufgegriffenen Sorgen sagen dabei sehr viel über den besorgten Bürger. Ist er erstmal besorgt, findet er sehr gründlich immer neue Sorgen. Gibt es eigentlich in Syrien Asylbewerber? Wissen die überhaupt, was wir hier für Sorgen leiden? Im Irak sterben täglich Iraker. Und was machen die Iraker hier? Sehen Sie, alles hat immer zwei Seiten! Denkt sich der besorgte Bürger. 

Wie steht es zum Beispiel um seine Chancen, fragt sich der besorgte Bürger, als aufstrebender Wissenschaftler im Biomedizinischen Campus, der ja auch bald in Buch entstehen soll, seinen Platz zu finden? Ist dieses Projekt durch die Asylbewerber jetzt nicht gefährdet, da, also weil, na wegen der Asylbewerber? „Die Flüchtlingsunterkunft nimmt nur eine kleinere Teilfläche der Brunnengalerie in Anspruch, so dass auch weiterhin ausreichend Fläche für die Ansiedlung von Unternehmen zur Verfügung steht“, steht dazu im Brief vom Amt. Viel Platz brauchen die 480 Bewohner übrigens deswegen nicht, weil sie dreistöckig untergebracht werden. Da bleibt vor dem Haus noch etwas Platz für einen „Spielplatz, einen Müllplatz sowie Stellflächen für Fahrräder“. Müllplatz, denkt da der besorgte Bürger. Typisch Asylbewerber.

 

Der Wachschutz kümmert sich

 

Asylbewerber, gerade aus Bürgerkriegsgegenden, sind ja auch immer ein Sicherheitsrisiko, gerade wegen der verrohten Sitten, denen sie entflohen sind. Der besorgte Bürger weiß das sehr gut, und deshalb ist ihm auch sehr wichtig, dass alles getan wird, um, der Wortlaut ist jetzt wichtig, das Asylbewerberheim zu sichern. Die Formulierung ist eng verwandt mit dem Einwand, ein Asylbewerberheim habe Konfliktpotenzial. In, zum Beispiel, weiten Teilen Sachsens ist dieses Argument über Jahre und erfolgreich getestet worden, vorzugsweise bei besorgten Einwohnerversammlungen. Bürger ist besorgt wegen der Sicherheit (Vergewaltigung, Mord, Ausländer). Besorgter Bürger deutet an, dass andere besorgte Bürger, sozusagen präventiv, gegen das Bedrohungsszenario vorgehen könnten. „Ich sach nur Hoyerswerda“, die legendäre Verkettung besorgter Umstände. Der Amtsträger, meist ein Landrat oder Bürgermeister, weiß um die dialektischen Fähigkeiten des besorgten Bürgers und versteht sie auch genauso. Gerne verspricht er dann verstärkte Polizeikontrollen, ohne zu spezifizieren, ob es jetzt um den Schutz der besorgten oder der asylsuchenden Bürger geht. Dass man ein strenges Auge auf die Asylbewerber wirft, ist dann aber die unausgesprochene offizielle Botschaft. Sowas kommt an und ermöglicht es, klare Aussagen zu vermeiden oder sich politisch zu exponieren. Mit dem oft ungünstigen Nebeneffekt, dass sich der besorgte Bürger bestätigt sieht. „Wenn die so ungefährlich sind, warum ist denn dann hier dauernd die Polizei unterwegs?“ fragt er dann.

Und dieser kleine Exkurs war jetzt nötig, um die zentrale Passage im Schreiben des Bezirksamts Pankow ein bisschen besser einordnen zu können. Frage: „Gibt es ein Sicherheitskonzept?“ Antwort: „Die Flüchtlingsunterkunft wird rund um die Uhr durch einen Wachschutz gesichert.“ Mehr steht da nicht, kein Wort.

 

Engagement ist vorhanden

 

Der Brief ist, was anderes ist kaum vorstellbar, eine amtliche Verzweiflungstat und wird wohl nur bei den wenigsten Empfängern zu irgendwas anregen, es sei denn, die Pseudo-Argumente der überfüllten Kitas und Schulen und Campusstandorte gehörte noch nicht zu ihrem Fundus des Hetzens. Am Ende des Schreibens wird noch auf lokale Initiativen aufmerksam gemacht, die die Asylbewerber unterstützen, wenn sie „frühestens im Februar 2015“ in Buch ankommen. Es würden noch Leute gesucht, die sich engagieren wollen. Nicht auszuschließen, dass sich ein paar finden, durchaus. Die lautesten Stimmen werden wohl aber weiter bei den Gröl-Initiativen gegen Asylbewerber zu hören sein, beispielsweise auf einer Onlinepetition gegen das „Asyl-Containerdorf“, wo sich nach vier Wochen mehr als 3.100 Unterschriften finden, die meisten Unterstützer wurden von einer NPD-Internetseite hierher geleitet. Nach dem Satz, „Ich bin kein Nazi, aber…“, muss man da auch nicht lange suchen.

Die NPD Pankow ist natürlich auch kein Nazi. Erfreut über den Brief vom Bezirksamt ist sie aber auch nicht. „Es ist ein Hohn für die wahren Kriegsflüchtlinge, das erst deren Heimatländer von der derzeitigen ‚deutschen‘ Regierung in Grund und Boden gebombt werden und als Gegenleistung ihnen Asyl in Deutschland angeboten wird“, kommentierte sie am Wochenende auf ihrer Facebook-Seite. Eigentlich, ganz klar, machen sie sich alle nur Sorgen um die vielen Asylbewerber.

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