Seit einiger Zeit finden sich auf den Straßen im Kiez öfter herrenlose Tüten mit Altkleidern. Schuld ist der Bezirk: Beim Kampf gegen den Container-Wildwuchs ist er über das Ziel hinausgeschossen.
Unlängst passierte ich auf dem Weg nach Hause eine Straßenecke, und da lagen ein großer Sack und ein paar Schuhe. Nichts Ungewöhnliches in Berlin, möchte man denken, wo jeder Schund statt im Sperrmüll erstmal auf der Straße landet und mit einem „Zu verschenken“-Schild dekoriert wird. Doch hier hatte sich sogar jemand die Mühe gemacht, seinen Kram ordnungsgemäß entsorgen zu wollen. Nur sein Ziel war mittlerweile verschwunden.
Über 400 Altkleidercontainer standen einst auf Pankows Straßen. Das war zu viel, meinten die Politiker des Bezirks, schließlich waren die Dinger nicht genehmigt, hässlich und standen ständig im Weg rum und ab und zu auch in Flammen. Vom Sammeln für einen meist gar nicht so guten Zweck ganz zu schweigen. Also machte man, was man als guter Lokalpolitiker macht: Man rief eine Kommission ins Leben. Deren Aufgabe: Die Zahl der Container zu reduzieren, und zwar von über 400 illegalen auf 20 mit Genehmigung, sechs davon in Prenzlauer Berg.
Super Idee. Außer, dass nicht.
Rechnen wir kurz nach: Laut den Altkleider-Spezialisten von Fairwertung werden in Deutschland jedes Jahr 1,5 Milliarden Kleidungsstücke weggeworfen – das entspricht 750.000 Tonnen Textilien. Allein in Prenzlauer Berg fallen demnach pro Woche etwa 25.000 Kilogramm Klamotten an, die ihre Besitzer gerne entsorgt wissen wollen. In sechs Containern.
Sie ahnen, wohin das führt.
Ökobewusstsein versus Bequemlichkeit: 0:1
Ich hatte mal einen Vermieter, der gerne ein wenig Geld einsparen wollte, indem er die Glastonnen in seinem Vorderhaus-Hinterhaus-Seitenflügel-Gebäude abschaffte. Leider war die nächste zentrale Glassammelstelle über zehn Minuten Fußweg entfernt. Falls jemand mal eine soziologische Studie dazu anfertigen möchte: Diese Entfernung ist zu groß, um die im Schnitt sicher nicht unökologisch eingestellten Prenzlauer Berger dazu zu bewegen, ihr Glas nicht einfach im Restmüll zu entsorgen.
So ähnlich läuft das nun auch mit den alten Kleidern. Ich beobachte das an einem früheren Containerstandort zwangsläufig (man muss ja nach Hause) seit einiger Zeit und kann folgende Taktiken unterscheiden: Wer einen besonders großen Altkleidersack dabei hat, lässt ihn gleich an Ort und Stelle fallen. Kleinere Tüten werden manchmal noch versucht, in die normalen Laternenpfahl-Mülleimer zu stopfen. Manch einer mag den Kram auch wieder in den eigenen Hausmüll mitnehmen. Einer Wiederverwertung zugeführt wird demnach aber keine der Textilien.
Jetzt kann man sich noch aussuchen, woran man zuerst verzweifeln will: An den faulen Altkleiderentsorgern. An der bezirklichen Arbeitsgruppe, die sich offenbar im Zahlenraum bis 20 sicherer fühlte als in dem bis zu einer Milliarde. Oder an der Tatsache, dass der Bezirk seit dem Frühjahr insgesamt fünf Angehörige des ach so knappen Personals im Ordnungsamt damit beschäftigt, illegal aufgestellte Container aufspüren und beseitigen zu lassen, damit nun auffällt, dass diese fester Bestandteil der Berliner Recyclingstruktur waren und eine Reduzierung der Container um 95 Prozent ein Problem darstellt.
Altkleiderentsorgungsgebiet Prenzlauer Berg Nord
Bevor Sie sich entscheiden, sollten Sie noch wissen, dass sich mittlerweile für die illegalen Aufsteller der Container über 53.000 Euro an Bußgeldern aufgehäuft haben, von denen sage und schreibe 971 auch schon bezahlt wurden. Und dass von den sechs für die 145.000 Prenzlauer Berger vorgesehenen Containern vier entlang des S-Bahnrings zwischen Greifswalder Straße und Landsberger Allee stehen, aber keiner südlich der Danziger Straße.
Trotzdem gibt es eine gute Nachricht. Denn wenn Berliner auf etwas trainiert sind, dann ist es das wahllose Mitnehmen von Kram, den andere nicht mehr haben wollen. Der einstige Containerstandort auf meinem Heimweg hat sich daher bislang als verlässliches Bermudadreieck erwiesen, aus dem alle abgestellten Säcke und Schuhe auch wieder spurlos verschwunden sind.*
* Was auch das Aufmacher-Foto erklärt: im entscheidenden Augenblick waren alle alten Kleider verschwunden. Dafür gab es nebenan eine Matratze zu fotografieren, die da auch nicht hingehörte.
Wer seine alten Kleider mit gutem Gewissen entsorgen möchte, kann das entweder in den zwanzig offiziell vom Bezirk genehmigten Containern tun (die genauen Standorte finden sich hier). Bei diesen wurde sichergestellt, dass diese für den guten Zweck und nicht aus kommerziellen Interessen sammeln. Alternativ kann man sie auch z.B. in den Kleiderkammern des Roten Kreuzes (Standorte finden sich auf der Internetseite) oder bei Oxfam in der Schönhauser Allee 118a abgeben.