Angst vor der Admiralsbrücke

von Thomas Trappe 6. November 2014

Die Brücke an der Sonnenburger Straße wird wahrscheinlich neu gebaut, breiter und ein paar Meter weiter westlich. Anwohner fürchten, dass die Brücke zu attraktiv für das Feierabendbier wird.

„Mittelfristig ist ein unbestimmter Zeitbegriff“. Eine nicht näher zu bestimmende Schönheit liegt in diesen Worten, ganze Aktenberge lassen sich möglicherweise auf der Konstruktion stapeln, aber nun mal keine Brücke. Die Brücke an der Sonnenburger Straße zum Beispiel, denn sie ist Anlass für zitierte Auskunft der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Diese will damit sagen, dass die Brücke mittelfristig repariert werden sollte, um zu vermeiden, dass sie in sich zusammenfällt, langfristig. 2,4 ist die Note, die Bauwerksprüfer der Brücke gerade geben, das heißt, dass sie Schäden aufweist, die aber „keine Beeinträchtigung der Standsicherheit“ bedeuteten. Aber auch: „Die Dauerhaftigkeit ist auf lange Sicht nicht gegeben“, was natürlich ein Paradoxon ist und schon deshalb einer Abhilfe harrt. Und damit nochmal zur unbestimmten Mittelfristigkeit. In drei bis fünf Jahren könnte das Brückenproblem in der Sonnenburger Straße angegangen werden, wahrscheinlich in Form eines kompletten Neubaus, erklärt die Senatsverwaltung. Was bei Anwohnern gerade offenbar ein paar Sorgen auslöst, wie jüngst bei einer Informationsveranstaltung zu hören war.

Die Brücke, die das Ende der Sonnenburger Straße über die S-Bahn-Gleise auf die Schönfließer Straße führt, ist eine Nachkriegsproduktion. Die alten Brückenpfeiler jenes Bauwerks, das in den letzten Kriegstagen zerstört wurde, sind ein paar Meter weiter noch zu sehen, und wahrscheinlich ist, dass hier auch die Neue hinkommt. Inhalt von Debatten ist dabei nicht nur die Brücke selbst, sondern auch der Platz davor, die Sackgasse zwischen Kohlenquelle und gegenüberliegender Pizzabude. Manchen stören die hier parkenden Autos, was in der Vergangenheit zu Bestrebungen führte, diese von dort zu verbannen. Vor knapp zwei Jahren wurde deswegen zum Beispiel in der Pankower Bezirksverordnetenversammlung beschlossen, dort einen „Sonnenburger Platz“ zu etablieren, ohne Parkplätze. Ein Projekt, das vom Bezirk mangels Geld und Unterstützung des Landes zur Seite gelegt wurde. Im Fall der Brücke besteht derzeit offenbar mehr Einigkeit.

 

Krankenwagen sollen fahren dürfen, Autos nicht

 

Andreas Otto (Grüne), Prenzlauer Berger Abgeordneter im Berliner Abgeordnetenhaus und dort Vorsitzender des Bauausschusses, stellte kürzlich zum Thema eine Schriftliche Anfrage. Dort gab die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Auskunft darüber, dass die Brücke bei der letzten Prüfung gerade so noch das Prädikat befriedigend erhalten habe, und „mittelfristig eine komplette Instandsetzung“ nötig sei, vor allem wegen fortschreitenden Rostes. Eine Sanierung ergebe allerdings nur wenig Sinn, hieß es weiter. „Da die Behelfsbrücke mit 2,5 Meter Nutzbreite nicht den verkehrlichen Anforderungen für die Nutzung von Fußgängern und Radfahrern genügt, wird ein Ersatzbau in Erwägung gezogen“. Diese neue Brücke sollte eine Breite von vier Metern haben und auch für Rettungsfahrzeuge befahrbar sein, heißt es weiter. Rund eine Million Euro sollte das kosten, so die Schätzung. Mit dem Bezirk bestehe Einigkeit. 

Dort bekräftigt der für Stadtentwicklung zuständige Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) auf Anfrage, dass er strikt gegen eine Brücke für regulären Autoverkehr ist. Nicht wegen der rund vierfach höheren Kosten, sondern wegen der Gefahr, eine Umfahrung für die Schönhauser zu schaffen und damit das Gleimviertel mit Durchgangsverkehr zu belasten. Die Viermeterlösung sei daher auch aus seiner Sicht die beste. Wann es losgehen soll mit dem Bau, darüber habe er allerdings noch keine Auskunft vom Land bekommen.

 

Feierabendbier mit Blick auf S-Bahn

 

Anfang dieser Woche veranstaltete Kirchners Parteifreund Andreas Otto nun ein Bürgergespräch zum Thema, auch er konnte noch keinen konkreten Termin nennen, weil es offenbar noch keinen gebe. Außerdem berichtete Otto von Gesprächen mit Kirchner, in denen dieser von Plänen des Landes berichtet habe, die Hauptbrücke an der S-Bahn-Station Schönhauser Allee zu erneuern – und mit Blick auf eine mögliche Sperrung die Sonnenburger Brücke als Ausweichmöglichkeit für den Autoverkehr zu errichten. Das sei mit der Fußgängervariante allerdings nun wohl vom Tisch, so Otto. Viele andere Fragen seien aber durchaus noch offen, so sein Eindruck aus vergangenen Gesprächen mit Anwohnern. „Da sind Konflikte vorprogrammiert.“ 

Welche das sein könnten, machte ein Diskussionsteilnehmer deutlich. Er befürchte, dass mit einer breiteren, schlechthin schöneren Brücke auch die Aufenthaltsqualität am Bauwerk steige. „Und so etwas wie ein Admiralsbrückenfeeling hier aufkommt.“ Die Admiralsbrücke befindet sich in Kreuzberg und ist jedem Touristenhasser ein Begriff, weil hier Späti-Kultur und Erasmus-Welt sich aufs Beste verbinden, zum Leidwesen lärmgeplagter Anwohner und passierwilliger Brückengänger. Die Sonnenburger Brücke könnte ein ähnlicher Hot-Spot werden, so die Befürchtung. Zwar schaut man hier nicht aufs Wasser, sondern auf die S-Bahn, aber Kohlenquelle und die Spätis um die Ecke wären nicht die schlechtesten Voraussetzungen für den Ärger, den Andreas Otto zuvor die Eigenschaft vorprogrammiert zuwies. Zumal sich die Zahl der Anwohner demnächst durchaus erhöhen könnte.

 

Brücke muss Platz für Wohnhaus machen

 

Denn auch das gehört wahrscheinlich, machte Otto deutlich, zum avisierten Neubauprojekt Sonnenburger Brücke: Die Verschiebung um ein paar Meter nach Westen. Grund dafür sei, so Otto, dass das Grundstück zwischen Kohlenquelle und S-Bahn, bis jetzt eine Brache, wohl bald bebaut werden soll. Und der Eigentümer deutlich gemacht habe, dass er die Zuwegung zur Brücke, die über eben dieses Grundstück führt, nicht weiter dulden wolle. Von einem dreistöckigen Gebäude war bei der Infoveranstaltung die Rede, der Bauantrag sei bereits gestellt. Heißt: Eine stärker frequentiere Brücke könnte auf zusätzliche Anwohner stoßen. Andreas Otto wolle sich deswegen für eine Bürgerwerkstatt einsetzen, um über die Gestaltung des Komplexes zu reden. Es werden wohl noch ein paar mehr Brückenschläge nötig werden.

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