Ein sportlicher Plan

von Thomas Trappe 15. September 2014

Fährt der Bezirk sehenden Auges ein Millionen-Euro-Projekt in der Bonhoeffer-Straße an die Wand? Vieles spricht jedenfalls dafür, dass hier eine finanzielle und politische Bruchlandung droht.

In seinen Bemühungen, in der Dietrich-Bonhoeffer-Straße gegen Widerstände von Anwohnern eine Turnhalle zu bauen, ist der Bezirk offenbar bereit, wesentlich mehr Geld auszugeben als ursprünglich geplant und vor allem extreme rechtliche Unsicherheiten in Kauf zu nehmen. Das geht aus einem Bezirksamtsbeschluss hervor, der im Gegensatz zur sonstigen Praxis nicht veröffentlicht wurde, der Redaktion allerdings vorliegt. In ihm geht es um eine Änderung der Bauablaufplans für eine geplante Turnhalle in der Dietrich-Bonhoeffer-Straße, die die prekäre Situation im Sportunterricht umliegender Schulen lindern soll und nach bisherigen Plänen vier Felder umfasst und zehn Millionen Euro kosten soll. Und genau das soll sich ändern: Knapp eine Million Euro soll die Halle laut Voranschlag teurer werden, heißt es in dem Beschluss. Dafür wird sie erst mal kleiner als geplant.

Den Plan für den Bau der Turnhalle gibt es schon ewig, seit den 90ern, ein dafür nötiger B-Plan wurde 2012 fertiggestellt. Gebaut werden soll in der Dietrich-Bonhoeffer-Straße 6 bis 9. Nötig für den Bau, der mit der 20 Millionen Euro teuren Sanierung des gegenüberliegenden Schulgebäudes in der Pasteurstraße zusammenfällt, war der Kauf von vier Grundstücken. Nachdem der Bezirk zunächst überlegte, die Interessenvertretung der enteigneten Juden zu enteignen, zahlte er 2013 mehr als 660.000 Euro, um das Grundstück mit der Hausnummer 9 zu bekommen. Auch Nummer 8 und 7 konnten zwischenzeitlich gekauft werden, für jeweils mittlere sechsstellige Beträge. Doch die wahren Kostentreiber, sie scheinen erst zu kommen.

 

Nächster Grundstückskauf unwahrscheinlich

 

Denn offenbar, das deutet der jetzt gefasste Beschluss an, hat sich das Bezirksamt damit abgefunden, dass es das vierte Grundstück erst einmal nicht kriegt. Das Projekt soll daher in zwei Phasen umgesetzt werden. Die Pläne sehen vor, in einem „ersten Bauabschnitt auf den Grundstücken Dietrich-Bonhoeffer-Straße 7, 8 und 9 eine Zwei-Feld-Sporthalle zu errichten und nach erfolgtem Grundstückserwerb des Grundstücks Dietrich-Bonhoeffer-Straße 6 in einem zweiten Bauabschnitt zu erweitern”. Rund 909.000 Euro werde der Bau damit teurer. Mindestens. Der Bezirk wird damit bald mit dem Bau einer Turnhalle beginnen, die aller Voraussicht nach nicht die Kapazitäten hat, die sie haben muss, um alle Schüler im Umkreis zu versorgen. Und ob Stufe zwei des Plans, das nächste Grundstück später zu kaufen und dann weiter zu bauen, umgesetzt werden kann, ist mehr als fraglich. 

Christian Strahl ist Anwohner und Miteigentümer besagten Grundstücks Nummer sechs. Strahl ist Rechtsanwalt und erklärter Gegner der vierteiligen Turnhalle, sie ist nach seiner Ansicht überdimensioniert und an diesem Standort unangebracht. 150 Unterschriften konnte er im vergangenen Dezember gegen den Turnhallenneubau sammeln. Strahls größter Trumpf allerdings ist der Grundbucheintrag auf seinen Namen für das begehrte Grundstück in der Bonhoeffer-Straße. Immer wieder sei er vom Bezirksamt angefragt worden, geboten worden seien ihm zuerst 330.000 Euro, inzwischen sei man schon bei 641.000 Euro. Verkaufen will Strahl allerdings nicht, daran lässt er keinen Zweifel.

 

Einen Plan B gibt es nicht

 

Strahl sagt, dass der Bezirk ihm und den anderen Eigentümern schon mehrfach und seit Jahren mit Enteignung drohe. Aus juristischer Sicht, so Strahls Einschätzung, ist dies aber mit den jetzt gefassten Teilbauplänen unrealistischer als je zuvor. „Für eine Enteignung braucht man sehr starke Argumente. Mit der jetzt geplanten Zweifeld-Halle wird der Bedarf des angrenzenden neuen Gymnasiums Pasteurstraße vollständig gedeckt.” Strahl geht davon aus, dass aus dem zweiten Teil der Bebauung nichts mehr werden wird. Auch nicht, wenn der Bezirk den Eigentümern noch mehr Geld anböte.

Im Bezirksamt geht man nach wie vor davon aus, dass die Halle gebaut wird wie geplant. Christine Keil (Linke), für bezirkliche Immobilien zuständige Stadträtin, kommentiert den aktuellen Bezirksamtsbeschluss zwar nicht. Sagt aber klar, dass es keinen Plan B gebe. „Eine Investitionsmaßnahme ist immer konkret auf den Standort bezogen. Die konkreten Bauplanungen für das Schulgebäude sind abgeschlossen. Alternativen werden daher nicht geprüft.” Und die Sozialstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD) erklärt auf die Frage, ob die jetzt geplante Halle nicht zu klein sei und ob es Alternativstandorte gebe, dass man sich nicht äußere – es laufe nämlich dazu ein Gerichtsverfahren.

 

Bezirk kann sich einfach nicht erinnern

 

Es geht wieder um Christian Strahl. Er war schon an einer erfolgreichen Klage der Jewish Claims Conference gegen den Bezirk – es ging um ein Vorkaufsrecht, das der Bezirk für ein benachbartes Grundstück in der Bonhoeffer-Straße für sich reklamierte – beteiligt, und will nun die Groß-Turnhalle endgültig stoppen. Er verweigert daher nicht nur den Verkauf des dafür nötigen Grundstücks, sondern klagt auch gegen den Bebauungsplan für die Turnhalle mit vier Teilen. Gerade hat das Bezirksamt vor dem Berlin-Brandenburger Oberverwaltungsgericht (OVG)  dazu eine Erwiderung abgeben müssen, bis Ende September muss sich Strahls Anwältin äußern, irgendwann könnte dann eine mündliche Verhandlung ins Haus stehen. Erfahrungsgemäß könnte ein Urteil erst Ende 2015 gesprochen werden. Was passieren würde, wenn das OVG den B-Plan kassiert und die Bauarbeiten für eine Turnhalle schon begonnen wurden, weiß derzeit niemand so recht.

Dass Strahls Klage keine Chance auf Erfolg hat, kann man beim besten Willen nicht sagen. Denn er kann sich auf handfeste und protokollierte Vorgänge sowohl im Bezirksamt als auch in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) berufen, die genau auf die Alternative hinausliefen, die Strahl und seine mindestens 150 Mitstreiter nun auch favorisieren: Die Werneuchener Wiesen als Ausweichstandort für die Turnhalle zu nutzen (ausführlich hier). Die Argumentation des Bezirks dagegen scheint bis jetzt nicht unbedingt verhandlungssicher für eine Gerichtsverhandlung. Bezirksstadträtin Keil erklärte auf Anfrage zunächst, dass sie von den zurückliegenden Plänen ihrer Verwaltung nichts wisse; konfrontiert mit den konkreten Schriftsätzen erklärt sie, dass das nun schon fünf Jahre zurückliege und es schließlich ja keinen BVV-Beschluss gegeben habe, nur eine Diskussion. Nur: Genau auf die nicht nachvollziehbare Beendigung der Diskussion bezieht sich ja die Klage Strahls. Zumal Roland Schröder (SPD), Vorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses, sich auch nicht erinnern kann, warum der Plan mit den Werneuchener Wiesen schließlich beiseite gelegt wurde. 

 

Land Berlin wird nervös

 

Der Bezirk jedenfalls scheint weiterhin willens, das Projekt durchzuziehen, auch wenn wenig dafür spricht, dass am Ende tatsächlich eine ausreichend große Halle in der Bonhoeffer-Straße entstehen wird. Ein Umstand, der inzwischen offenbar auch das Berliner Abgeordnetenhaus nervös macht. Denn dort hat das Bezirksamt Pankow, ungeachtet aller offenen Fragen, beantragt, dass die innenliegende Turnhalle der alten Schule in der Pasteurstraße von der Senatsverwaltung als Sportfläche offiziell aufgegeben wird, um Platz für eine Mensa und Cafeteria zu schaffen. Begründung: Die neue Turnhalle biete genügend Platz, um den Wegfall der alten Halle zu kompensieren

Zuletzt wurde im Mai dieses Jahres im Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt über die Entwidmung beraten. Katrin Lompscher, Abgeordnete der Linken fragte damals laut Protokoll, ob es zuträfe, dass der Neubau einer anderen Halle „weder zeitlich noch rechtlich gesichert sei”. Bernd Holm, Bereichsleiter für Sportentwicklung erklärte, dass ihm keine entsprechenden Informationen vorlägen. Auch Christian Strahl war bei der Ausschusssitzung dabei, seiner Bitte, zur Klärung der Situation ein Statement abzugeben, wurde von der Mehrheit des Ausschusses abgelehnt. Die Grüne Antje Kapek schließlich schlug vor, von einer Aufgabe der Sportfläche in der alten Schule abzusehen, „solange es keine rechtliche Klärung gebe”. 

Die Beschlussvorlage muss nun weiter beraten werden, wann es so weit ist, ist unklar. Sollte die Vorlage schließlich abgelehnt werden, könnten bald zwei Turnhallen die Schule in der Pasteurstraße schmücken, allerdings fehlte dann der Platz für eine Mensa. Die Turnhalle in der Bonhoeffer-Straße – sie bleibt ein sportliches Projekt.

 

 

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