Die Studenten-Flüchtlings-WG

von Juliane Schader 18. August 2014

In einem alten Internat in Prenzlauer Berg könnten bald Flüchtlinge und Studenten ein Wohnheim teilen. Die Planungen laufen. Bereits Ende des Jahres eröffnet ein weiteres Flüchtlingsheim in Weißensee.

Das Schild Richtung Internat steht noch. Doch das zehnstöckige Gebäude, auf das es weist, erzählt eine andere Geschichte. Fenster sind zerborsten, die Wände voller Graffiti, hinter dem notdürftig aufgestellten Zaun wuchert das Gras. Seit acht Jahren ist das Internat in der Conrad-Blenkle-Straße, in dem einst die Sportschüler des Coubertin-Gymnasiums untergebracht waren, nicht mehr in Betrieb. Das Gesundheitsamt habe das Gebäude einst geschlossen, erzählt Pankows Sozialstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD). Für den Abriss habe das Geld gefehlt. Seitdem harrt es seiner weiteren Bestimmung.

Die sei nun gefunden, konnte man unlängst in der Berliner Zeitung lesen: Sowohl Studenten als auch Flüchtlinge sollten in dem Haus bald ein neues Zuhause finden. Schließlich mangele es in Berlin sowohl an preiswerten Studentenwohnungen als auch an Wohnraum für die wachsende Zahl Asylbewerber. „Da dachten wir, wir können das auch gemeinsam machen“, wird Franz Allert, Präsident des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso) zitiert. Frühestens Ende nächsten Jahres könne das Heim mit jeweils 250 Plätzen für Studenten und Flüchtlinge eröffnen.

 

Alle Fragen offen

 

Drei Fliegen mit einer Kappe – Studenten versorgt, Flüchtlinge untergebracht, Internat nachgenutzt: das klingt nach einer guten Idee. Aber wie soll das konkret aussehen, das Zusammenleben von jungen Lernenden und gerade aus Krisengebieten Geflüchteten?

Beim Studentenwerk Berlin ist zu erfahren, dass man dazu noch gar nichts sagen könne. „Es gibt die Idee, sowohl Asylbewerber als auch Studierende in dem Gebäude, allerdings getrennt voneinander, unterzubringen. Wie das genau aussehen soll, soweit sind die Planungen aber noch nicht“, sagt Sprecher Jürgen Morgenstern. Finanzierung, Miethöhe, nötige Baumaßnahmen, das sei alles noch offen und werde derzeit diskutiert. Daher könne auch noch kein Termin für die Eröffnung genannt werden.

Prinzipiell findet Morgenstern die Idee im Sinne der Integration sehr interessant. Die Rahmenbedingungen müssten aber definiert sein. Auf Erfahrungswerte anderer scheint man dabei nicht zurückgreifen zu können. „Von einem ähnlichen Projekt habe ich noch nie gehört“, sagt er.

 

Seminare im Flüchtlingsheim in Hellerdorf

 

Ein Selbstläufer scheint das gute Miteinander von Flüchtlingen und Studenten, bei allem guten Willen, jedenfalls nicht zu sein, wie sich in Hellersdorf zeigt. Nachdem dort die Eröffnung des Heims im vergangenen Jahr von Neonazi-Aufmärschen begleitet wurde, wollte die benachbarte Alice-Salomon-Hochschule ein Zeichen setzen.

Dazu zog sie mit einigen ihrer Seminare ins Flüchtlingswohnheim, um dieses mit studentischem Leben zu füllen, wie die Rektorin erklärte. Diese standen den Flüchtlingen ebenso offen wie die Räume der Fachhochschule, um dort zum Beispiel ins Internet zu gehen oder Sprachkurse zu besuchen. Allerdings wurde diese Möglichkeit kaum wahrgenommen. Die Gruppen lebten völlig aneinander vorbei. Dennoch wolle man das Projekt auch im nächsten Semester fortsetzten, „so etwas braucht ja auch Zeit“, heißt es aus der Pressestelle.

Dass es mit dem Zusammenleben in einem gemeinsam genutzten Wohnheim klappt, darüber macht sich Lioba Zürn-Kasztantowicz keine Sorgen. „Man könnte da viele schöne Projekte machen; einen Konflikt sehe ich da nicht“, sagt die Stadträtin. Sie wundert sich eher, dass man mit den Plänen in einem so frühen Stadium schon an die Öffentlichkeit gegangen ist. Schließlich ist man bei der Bekanntgabe von neuen Flüchtlingsheimen nicht allein nach den Ereignissen in Hellersdorf sehr bedacht.

 

1000 neue Flüchtlinge allein im Juli

 

Vor etwa einem Jahr habe sie die Idee vom Heim für Studenten und Flüchtlinge selbst mit angeschoben und alle Beteiligten an einen Tisch gebracht, erzählt sie. Dass daraus tatsächlich etwas werden könnte, hat sie nun aus der Zeitung erfahren. „Das Gebäude ist recht groß, da ließe sich das gut machen“, meint Zürn-Kasztantowicz. Für weitere Fragen verweist sie aber an das Lageso.

Auch dort übt man sich jedoch trotz der klaren Ansagen des Chefs in Zurückhaltung. „Es gibt zwar Pläne, aber noch kein konkretes Konzept“, sagt Sprecher Alexander Busche. Derzeit stiege die Zahl der Flüchtlinge, die man in Berlin unterbringen müsse, zwar stark an – allein im Juli kamen gut 1000 Menschen in Berlin an. Aber man müsse sich auch Gedanken machen, wie die Gebäude genutzt werden sollten, wenn man sie irgendwann nicht mehr als Flüchtlingsheim brauche. Falls eh schon Studenten dort lebten, sei die Nachnutzungsfrage geklärt. „Ob das funktioniert, steht aber in den Sternen.“

Ein wenig wird das Gras um das ehemalige Internat demnach wohl noch wuchern.

 

Neues Heim für 260 Flüchtlinge in Weißensee

 

An anderer Stelle steht derweil fest, wo weitere Flüchtlinge im Bezirk unterkommen werden: Bis Ende des Jahres soll in einem Hotel in der Rennbahnstraße in Weißensee ausreichen Wohnraum für 260 Menschen geschaffen werden. Derzeit leben in den Gebäude schon Flüchtlinge vorübergehend in den Hotelzimmern; der Umbau zum Wohnheim mit Mehrbettzimmern und Kochgelegenheit erfolgt gerade.

„Die Entscheidung für das Haus ist ziemlich abrupt gefallen; daher sind wir derzeit noch dabei, einen Unterstützerkreis aus örtlichen Verbänden aufzubauen“, erzählt Zürn-Kasztantowicz. Die Vernetzung mit der Nachbarschaft habe beim Heim in der Mühlenstraße gut funktioniert und zur Akzeptanz beigetragen. Das wolle man wiederholen. Schon jetzt bietet der Träger des Hauses, die Gierso Boardinghaus GmbH, donnerstagnachmittags für Interessierte eine Sprechstunde an, für die man sich unter 0160-99 289 738 anmelden sollte.

Am vergangenen Wochenende standen schon 20 Anhänger der NPD vor dem Haus. Ihre Kundgebung wurde jedoch von 120 Gegendemonstranten übertönt

 

 

UNSER FREUNDESKREIS: Werden Sie Mitglied im Freundeskreis der Prenzlauer Berg Nachrichten und stärken Sie damit die Unabhängigkeit Ihrer Lokalzeitung! Mehr Infos hier

Das könnte Dich auch interessieren

Hinterlasse einen Kommentar